Die für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörden oder die von diesen bestimmten Stellen können nach § 17 Abs. 2 MuSchG die Kündigung durch den Arbeitgeber in besonderen Fällen ausnahmsweise für zulässig erklären. Das Gesetz fordert, dass es sich dafür um besondere Fälle handelt, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen. "Besonderer Fall" ist nicht gleichbedeutend mit "wichtigem Grund", wie er für die außerordentliche Kündigung erforderlich ist. Einerseits liegen die Anforderungen nicht so hoch: auch ein Grund, der nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, kann einen besonderen Fall darstellen. Umgekehrt ist auch nicht jeder "wichtige Grund" automatisch ein "besonderer Fall". Kriterium ist vielmehr, ob das vom Gesetzgeber hoch bewertete Interesse der Arbeitnehmerin am Erhalt des Arbeitsplatzes während der Schutzfrist im konkreten Einzelfall hinter das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers zurücktreten muss. Ausdrücklich festgelegt ist, dass Umstände, die allgemein mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft "[oder] nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung im Zusammenhang stehen", nicht zu einer Zulassung der Kündigung führen können.

 
Praxis-Beispiel

Behördliche Zulassung der Kündigung

  • Wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist "ungünstig".[1] Die Existenz des Arbeitgebers muss nicht schon gefährdet sein; die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Mutterschutzgesetz muss allerdings in die Nähe der Existenzgefährdung rücken.[2]
  • Betriebsstilllegung[3], aber nicht, wenn die Arbeitnehmerin im Falle einer bloßen Teilstilllegung umgesetzt werden kann.
  • Verfehlungen der Arbeitnehmerin. Ausnahmsweise kann das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmerin auch in solchen Fällen Vorrang genießen, wenn wegen der besonderen seelischen Lage der Schwangeren Nachsicht erforderlich ist.

Die Beurteilung der Arbeitsschutzbehörde, ob ein besonderer Fall vorliegt, ist in vollem Umfang nachprüfbar. Die Behörde hat allerdings nach Feststellung der Voraussetzungen einen Ermessensspielraum, ob sie die Kündigung für zulässig erklären will. Gegen die Zulässigerklärung sind Widerspruch und Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten statthaft. Die Zulässigerklärung ist nach Ansicht des BAG anders als diejenige bei Schwerbehinderten nicht sofort vollziehbar.[4] Der Arbeitgeber kann nach Ansicht des BAG trotzdem sofort nach Bekanntgabe der Zustimmungserklärung kündigen, die Kündigung wird allerdings erst mit Bestandskraft des Zustimmungsbescheids (ggf. nach erfolglosem Widerspruch und erfolgloser Anfechtungsklage) wirksam.

Bei außerordentlichen Kündigungen ist in doppelter Hinsicht Eile geboten: Statt die Kündigung innerhalb der 2-Wochenfrist des § 626 BGB zu erklären, muss der Arbeitgeber innerhalb der 2-wöchigen Frist die Zulässigerklärung beantragen. Nach der Zulässigerklärung der Kündigung muss er zunächst den Betriebsrat nach den Bestimmungen des § 102 BetrVG beteiligen. Danach ist die Kündigung unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), auszusprechen. Die behördliche Zustimmung berechtigt den Arbeitgeber ab deren Zustellung zur Kündigung, es muss nicht erst Bestandskraft eintreten.[5] Wird die Zustimmung von der Arbeitnehmerin im Verwaltungsverfahren angefochten, hängt die endgültige Wirksamkeit der Kündigung vom Ausgang jenes Verfahrens ab. Die Arbeitnehmerin wird parallel die Kündigung im arbeitsgerichtlichen Verfahren anfechten müssen, wenn nicht die Wirksamkeit der Kündigung wegen Versäumens der Klagefrist nach § 7 KSchG fingiert werden soll. Stellt sich später heraus, dass die Zustimmung zu Unrecht erteilt wurde, das Arbeitsgericht die Kündigung aber für wirksam erachtete, kann die Arbeitnehmerin eine Restitutionsklage erheben.

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