Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern

 

Orientierungssatz

1. Verzieht eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, so ist der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe zu erstatten.

2. Für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist wesentlich auf das Willensmoment abzustellen. Der Aufenthalt eines Spätaussiedlers in einem Übergangswohnheim ist aus dessen Sicht grundsätzlich nicht auf Dauer angelegt. Damit fehlt es insoweit an der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts.

3. Aus der Abgabe eines Kostenanerkenntnisses gegenüber dem anderen Sozialhilfeträger entsteht diesem kein Erstattungsanspruch, weil die Möglichkeit des Vergleichsvertrages nur für Verträge i. S. von § 53 Abs. 1 S. 2 SGB 10 und damit nur für subordinationsrechtliche Verträge bei Verwaltungsaktbefugnis der Behörde besteht. Zwischen gleichgeordneten Sozialhilfeträgern besteht aber kein Über- und Unterordnungsverhältnis.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.03.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin für Sozialhilfeleistungen Kostenerstattung leisten muss.

Frau O N (geb. am 00.00.1973 in C, Kirgisien; Änderung der Namensführung von C auf C nach § 94 Bundesvertriebenengesetz am 22.02.1996) reiste Ende Juni 1995 als Spätaussiedlerin aus der Sowjetunion nach Deutschland ein. Sie wurde zunächst dem Land Sachsen-Anhalt zugewiesen und in das Aussiedlerwohnheim I auf dem Gebiet der Beklagten aufgenommen und erhielt von dort Sozialhilfeleistungen; diese wurden aufgrund der Bewilligung von Eingliederungshilfe für Frau N durch das Arbeitsamt T für 156 Tage (Bescheid vom 18.08.1995) von der Bundesanstalt für Arbeit erstattet. Frau N gab am 06.07.1995 gegenüber dem Beklagten an, sie beabsichtigte, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) zu nehmen. Am 26.08.1995 verzog sie in das Gebiet der Klägerin und beantragte hier am 04.09.1995 Sozialhilfeleistungen. Das Arbeitsamt C1 bewilligte ihr mit Bescheid vom 29.12.1995 Eingliederungshilfe ab dem 28.08.1995 für 99 Tage. Es erstattete laut Schreiben vom 27.12.1997 aufgrund eines von der Klägerin angemeldeten Erstattungsanspruchs dieser für Frau N erbrachte Sozialhilfeleistungen für den Zeitraum vom 04.09. bis 20.12.1995 teilweise, nämlich i.H.v. 3.267,00 DM.

Der Ehemann der Frau N, Herr T1 N, reiste am 26.12.1995 aus Russland direkt nach C1. Am 00.00.1996 wurde die gemeinsame Tochter B N geboren.

Unter dem 13.12.1995 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch für Sozialhilfeleistungen an Frau N ab dem 04.09.1995 nach § 107 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an. Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, Frau N habe bei ihr in einem Ausländerübergangsaufnahmeheim gelebt; nach § 109 i.V.m. § 97 Abs. 2 BSHG sei die Erlangung des gewöhnlichen Aufenthalts ausgeschlossen gewesen. § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) spreche eindeutig gegen die Erlangung eines gewöhnlichen Aufenthalts auf dem Gebiet des Beklagten, da Frau N keine Wohnung innegehabt habe, die darauf schließen lasse, dass sie diese Wohnung beibehalten und benutzen werde. Ein Hilfeempfänger in dieser Einrichtung lasse in keiner Weise erkennen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Frau N habe zudem am 06.07.1995 erklärt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in NRW zu begründen. Das Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler sei erst am 01.03.1996 in Kraft getreten und auf Frau N nicht anzuwenden.

Die Klägerin teilte dem Beklagten mit, sie könne die Begründung für die Ablehnung des Kostenerstattungsanspruchs nicht akzeptieren. Die Zentrale Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten habe am 16.11.1995 entschieden, dass Aussiedler auch in einem Übergangswohnheim einen gewöhnlichen Aufenthalt erwerben könnten. § 109 BSHG könne nach dieser Entscheidung auf Aussiedlerwohnheime grundsätzlich nicht angewandt werden. Entscheidend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Übergangswohnheim sei nach Auffassung der Spruchstelle, ob die Bewohner des Heimes den Zuweisungsort tatsächlich zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht hätten. Dies könne - abgesehen von der Aufenthaltsdauer - aus Aspekten wie Arbeitslosmeldung, Anmeldung, Kontoeröffnung und Schulbesuch der Kinder geschlossen werden. Damit begründeten Aussiedler regelmäßig auch in Übergangswohnheimen einen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Beklagte möge den Kostenerstattungsanspruch anerkennen; sofern eine gesicherte Rechtsprechung zu den streitigen Fragen abgewartet werden solle, möge er auf die Einrede der Verjährung verzichten.

Mit Schreiben vom 27.09.1996 verzichtete der Beklagte hinsichtlich des geltend gema...

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