Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten im Ausland. kein Vorliegen von Versicherungszeiten im Inland unmittelbar vor Geltendmachung des Leistungsanspruchs. weitere Versicherungszeiten im Ausland. Erlöschen des Anspruchs. Eintritt einer Sperrzeit. Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses in Großbritannien. Territorialitätsprinzip. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine in einem Mitgliedstaat zurückgelegte Beschäftigungszeit kann bei der Ermittlung der für die Gewährung von Arbeitslosengeld zu erfüllenden Anwartschaftszeit nur dann berücksichtigt werden, wenn unabhängig von der zwischen der Beendigung der letzten Versicherungszeit in Deutschland und dem Antrag auf Leistungen verstrichenen Zeit in der Zwischenzeit keine weitere Versicherungszeit in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden ist (Anschluss an EuGH vom 11.11.2004 - C-372/02 = SozR 4-6050 Art 71 Nr 4, juris Nr 52).

2. Eine in einem Mitgliedstaat ohne wichtigen Grund erfolgte Eigenkündigung eines dort ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses erfüllt den Tatbestand einer Sperrzeit nach deutschen Recht; das Territorialitätsprinzip steht dem nicht entgegen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.06.2019 aufgehoben und wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld streitig.

Der im Jahr 1986 geborene Kläger schloss mit der K. GmbH am 07.04.2014 einen Aufhebungsvertrag zum 30.04.2014, woraufhin sich der Kläger arbeitslos meldete und Arbeitslosengeld beantragte. Mit den Bescheiden vom 07.05.2014 verfügte die Beklagte unter anderem ein Ruhen des Arbeitslosengeldes aufgrund einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 23.07.2014 unter Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld vollständig erlöschen könne, wenn der Kläger Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 21 Wochen gegeben habe. Sodann war der Kläger vom 12.05.2014 bis zum 31.05.2015 bei S., vom 01.06.2015 bis zum 28.02.2016 bei F. und ab 01.03.2016 bei B. in Großbritannien beschäftigt. Wegen einer von ihm beabsichtigten neunmonatigen Weltreise und anschließenden Rückkehr nach Deutschland kündigte der Kläger dieses Beschäftigungsverhältnis am 01.06.2017 zum 30.06.2017. Der Kläger unternahm vom 01.07.2017 bis zum 10./11.04.2018 eine Weltreise, hielt sich ab 10./11.04.2018 in Großbritannien auf und kehrte am 25.04.2018 nach Deutschland zurück.

Am 02.05.2018 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In dem Formular „U1 - Coordination of Social Security System“ vom 18.05.2018 wurden für die Zeit bis zum 30.06.2017 „Income from employment“ und bis zum 07.04.2018 „Insured employment“ bestätigt. Mit Bescheid vom 06.06.2018 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger könne seinen früheren Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend machen, da seit seiner Entstehung am 01.05.2014 mehr als vier Jahre vergangen seien. Hiergegen erhob der Kläger am 14.06.2018 mit der Begründung Widerspruch, er habe, da die für ihn zuständige Agentur für Arbeit am 01.05.2018 nicht geöffnet gewesen sei, den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 02.05.2018 stellen können. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, da er in der die Zeit vom 02.05.2016 bis zum 01.05.2018 umfassenden Rahmenfrist nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die für die Geltendmachung seines früheren Anspruchs auf Arbeitslosengeld einzuhaltende Vier-Jahres-Frist sei fruchtlos verstrichen, da eine wirksame persönliche Arbeitslosmeldung rückwirkend zum 01.05.2018 ausgeschlossen sei, weil sein früheres Beschäftigungsverhältnis in Großbritannien bereits am 07.04.2018 geendet habe und somit der 01.05.2018 nicht der erste Tag der Beschäftigungslosigkeit gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger, der am 01.07.2018 wieder ein Beschäftigungsverhältnis aufgenommen hatte, am 11.07.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart mit der Begründung erhoben, dass sein früheres Beschäftigungsverhältnis in England bereits am 30.06.2017 geendet habe und er erst am Abend des 25.04.2018 nach Deutschland zurückgekehrt sei.

Auf gerichtlichen Hinweis hat die Beklagte zwar eingeräumt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erloschen sei, da die Vier-Jahres-Frist aufgrund des gesetzlichen Feiertags am 01.05.2018 tatsächlich erst am 02.05.2018 geendet habe. Sie hat jedoch unter Hinweis auf die bereits mit Bescheid vom 07.05.2014 bindend festgestellte zwölfwöchige Sperrzeit mit Bescheid 28.11.2018 den Antrag auf Arbeitslosengeld vom 02.05.2018 abgelehnt, da der Anspruch auf ...

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