Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer operativen Behandlung mit penisverlängernder Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Größe eines funktionell nicht eingeschränkten männlichen Penis ist, jedenfalls soweit kein Mikropenis vorliegt, eine körperliche Anomalie ohne Krankheitswert im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Krankenkassen sind nicht verpflichtet, die Kosten der Entfernung einer Bauchfettschürze zu übernehmen, die deswegen durchgeführt werden soll, damit der Versicherte wieder in die Lage versetzt wird, seinen Penis sehen und greifen zu können. Die geltend gemachte anatomiebedingte Unfähigkeit, den Geschlechtsverkehr ausüben zu können bedingt auch im Lichte des Art 6 GG keinen Anspruch auf Entfernung einer Bauchfettschürze.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.04.2019; Aktenzeichen B 1 KR 39/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten einer operativen Behandlung mit penisverlängernder Wirkung.

Der im Jahr 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Am 08.05.2013 wurden bei der Beklagten Arztbriefe des Dr. M., Oberarzt der Urologischen Klinik am D.-Klinikum, S., vom 29.01.2013 und vom 07.05.2013 eingereicht, in denen ausgeführt ist, dass der Kläger unter einem concealed Penis bei Adipositas und induratio penis plastica (IPP, Penisverkrümmung), einem Zustand nach IPP-Deviations-Korrektur 2007 und Adipositas per magna leide. Durch den nahezu vollständig verborgenen Penis bestünden beim Kläger psychische Beeinträchtigungen, eine erschwerte Miktion sowie Hautreizungen. Die Intimhygiene sei erschwert. Konservative Maßnahme (Gewichtsreduktion, Vakuumpumpe) seien frustran verlaufen. Durch eine Haut-Pexie der symphysären Fettschürze und Lösung des Penisschaft-Ligaments mit ggf. zusätzlichem “Mons-Pubis-Lift„ könne, so Dr. M., eine deutliche Verbesserung der Situation erreicht werden.

Die Beklagte interpretierte die Vorlage der Arztbriefe als Leistungsantrag und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, für den Dr. D. unter dem 21.05.2013 ausführte, beim Kläger liege keine behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn vor. Der concealed Penis stelle eine Veränderung der Körperform dar, bedeute jedoch keine Gesundheitsstörung. Im Hinblick auf die bestehende Adipositas und hiermit assoziierte Folgeerkrankungen sei eine Gewichtsreduktion zu empfehlen. Bei Selbstwertproblematiken komme evtl. eine Psychotherapie in Betracht.

Gestützt hierauf entschied die Beklagte mit Bescheid vom 24.05.2013, die Kosten der geplanten plastischen Operation nicht zu übernehmen, da beim Kläger keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege.

Hiergegen erhob der Kläger am 17.06.2013 Widerspruch. Hierzu legte er ein Schreiben des Dr. M. vom 04.06.2013 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass die zur Verfügung stehenden Alternativtherapien in der Vergangenheit bereits erfolglos angewandt worden seien. Sowohl aus urologischer als auch aus plastisch-chirurgischer Sicht werde eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität sowie die Vermeidung weiterer Folgeerkrankungen durch die geplante operative Therapie gesehen. Anwaltlich vertreten begründete der Kläger seinen Widerspruch sodann damit, dass entgegen der Einschätzung der Beklagten sehr wohl ein krankhafter Zustand vorliege. Seit dem Eingriff, der operativen Behandlung der Penisverkrümmung im März 2008, habe sich die Penislänge stark verkürzt. Diese belaufe sich bei einer Erektion auf maximal 6 cm. Ihm sei es hiernach nicht möglich, mit seiner Ehefrau den Beischlaf zu vollziehen. Eine psychotherapeutische Behandlung, wie von der Beklagten angeregt, sei nicht notwendig, da er über eine ausgeglichene und selbstbewusste Psyche verfüge. Auch eine Gewichtsreduktion würde den bestehenden Zustand nicht ändern, da der Penis nicht von dem Fettgewebe eingeschlossen, sondern faktisch nicht mehr vorhanden sei.

Die Beklagte schaltete daraufhin abermals den MDK ein, für den Dr. P. unter dem 08.07.2013 ausführte, die von Dr. M. angeführte erschwerte Miktion sei nicht nachvollziehbar, da der Penis über das Hautniveau reiche. Im Vordergrund stehe eine dauerhafte Gewichtsreduktion und eine fachärztlich psychiatrische Mitbehandlung. Die zur Verfügung gestellte Fotodokumentation lasse bei einem über das Hautniveau reichenden Mons pubis (Schamhügel) ein äußeres männliches Genital erkennen. Auch unter Berücksichtigung der Fotodokumentation und den weiteren Ausführungen des Klägers bzw. des behandelnden Urologen sei das Vorgutachten in vollem Umfang zu bestätigen; eine Verpflichtung der Beklagten, die Kosten des gewünschten Eingriffs zu übernehmen, bestehe nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2013 wies die Beklagte sodann den Widerspruch des Klägers zurück. Begründend führte die Bekla...

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