Entscheidungsstichwort (Thema)

Fernbleiben von der Arbeit als Kündigungsgrund. Keine vertragliche Verkürzung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Fernbleiben von der Arbeit kann, wenn es den Grad der beharrlichen Arbeitsverweigerung erreicht, grundsätzlich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abgeben. Demgegenüber ist aber das Fehlen eines Arbeitnehmers an nur einem einzigen Tag regelmäßig nicht geeignet, eine fristlose Kündigung ohne Ausspruch einer vorhergehenden Abmahnung zu rechtfertigen.

2. Eine vertragliche Vereinbarung über eine Kündigungsfrist von einer Woche in der Probezeit ist unwirksam. Denn § 622 Abs. 3 BGB steht nicht in dem Sinne zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien, dass diese einzelvertraglich eine kürzere Kündigungsfrist in der Probezeit vereinbaren könnten.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; TVG § 1; BGB § 622 Abs. 3, 4 S. 1, § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 21.01.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1180 d/19)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 21.1.2020 - 3 Ca 1180 d/19 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin 77 % und der Beklagte 23 % der Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens tragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses sowie davon abhängend über das Bestehen von Zahlungsansprüchen.

Die am ...1990 geborene Klägerin wurde auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.07.2019 (Anlage K 1, Bl. 3-6 d. A.) zum 01.08.2019 von dem Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 850,00 EUR zuzüglich einer Tankkarte im Wert von monatlich 44,00 EUR, Fahrtgeld von monatlich 151,20 EUR und einer Direktversicherung in Höhe von monatlich 268,00 EUR als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte eingestellt.

§ 1 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages lautet:

"Es wird die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.01.2020 als Probezeit vereinbart. Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden unbeschadet des Rechtes zur fristlosen Kündigung. Nach Ablauf der Probezeit gelten für beide Seiten die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 BGB)."

Die Klägerin nahm am 01.08.2019 ihre Arbeit auf. Am Montag, dem 05.08. sowie am 06.08.2019 arbeitete sie vereinbarungsgemäß nicht, da ihr Sohn in der Kindertagesstätte eingewöhnt wurde. Mit Schreiben vom 05.08.2019 (Anlage K 2, Bl. 7 d. A.), der Klägerin vorab per Mail am 05.08.2019 und im Original zugegangen am 06.08.2019 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 12.08.2019. Die Klägerin erschien am 07. und 08.08.2019 nicht zur Arbeit. Mit E-Mail vom 08.08.2019 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Klägerin am 09.08.2019 schriftlich zu. Ebenfalls am 09.08.2019 ging beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 08. und 09.08.2019 ein. Die am 01. und 02.08.2019 geleisteten 17,34 Arbeitsstunden rechnete der Beklagte in der Folgezeit ab und zahlte die sich hieraus ergebende Vergütung.

Gegen beide Kündigungen hat die Klägerin am 23.08.2019 Klage eingereicht, ohne den Zeitraum, für den das Arbeitsverhältnis fortbestehen sollte, einzugrenzen.

Mit Schreiben vom 19.09.2019 (Anlage B 8, Bl. 152-153 d. A.) teilte der Drittwiderbeklagte dem Beklagten mit, dass bezüglich des Arbeitsverhältnisses der Klägerin und des Beklagten ggf. noch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt sowie Urlaubsabgeltung und Abfindung entstehen könne, wobei eventuelle Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten bis zur Höhe der seitens des Drittwiderbeklagten gezahlten Leistung auf ihn (Drittwiderbeklagten) übergingen. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf den Inhalt der Anlage B 8 Bezug genommen.

Die Klägerin hält die fristlose Kündigung für unwirksam. Wegen des Fehlens am 07.08.2019 hätte vor Ausspruch der Kündigung zuvor eine Abmahnung erfolgen müssen, am 08. und 09.08. sei sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Die fristgemäße Kündigung könne das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 20.08.2019 beenden, da die vereinbarte Abkürzung der Probezeit unwirksam sei.

Sie hat unter teilweise Rücknahme des zunächst angekündigten Antrags beantragt festzustellen,

dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 08.08.2019 mit sofortiger Wirkung aufgelöst ist, sondern durch die Kündigung vom 05.08.2019 mit Ablauf des 20.08.2019 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat der teilweisen Klagerücknahme durch die Klägerin widersprochen und beantragt,

die Klage abzuweisen

sowie

  1. widerklagend festzustellen, dass der Widerbeklagten gegenüber dem Widerkläger kein weiterer Lohnanspruch zusteht, da sie ihre Pflicht, zur Arbeit zu erscheinen, nicht genügt hat,
  2. widerklagend festzustellen, dass auch dem J... keinerlei Ansprüche auf Zahlung von Entgelt für Frau M... L..., geb. am ... in I..., wohnhaft: B..., H..., gegen den Beklagten zusteh...

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