Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten des Betriebsrats. Rechtsanwalt. Sachverständiger. Rechtsverfolgung. Gegenstandswert. Grundrechte. Sozialstaatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Rechtsanwalt zur Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte eingeschaltet, handelt es sich nicht um eine Sachverständigentätigkeit im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG. Dies gilt auch dann, wenn ein Prozeß noch nicht anhängig ist.

2. Die Höhe des nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO zu bestimmenden Gegenstandswertes hängt nicht davon ab, wie arbeitsaufwendig der Auftrag für den Rechtsanwalt ist.

3. Bei der Bewertung des immateriellen Interesses des Betriebsrates an der Durchsetzung seiner Mitbestimmungsrechte ist die grundrechtliche Dimension des Betriebsverfassungsrechts zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 40, 80 Abs. 3 S. 1; BRAGO § 8 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 12.11.1997; Aktenzeichen 1d BV 35/97)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Neumünster vom 12.11.97 – 1d BV 35/97 – wird aufgehoben.

2. Die Beteiligten zu 2. und 3. werden als Gesamtschuldner verpflichtet, den Beteiligten zu 1. von der Honorarforderung des Rechtsanwalts Michael Ne. gemäß Rechnung vom 03.04.1997 in Höhe von DM 882,74 freizustellen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Antragsgegnerinnen bilden einen gemeinsamen Betrieb, der der Bekleidungsindustrie zuzuordnen ist und die Textilaufbereitung zum Gegenstand hat. Im Oktober 1996 wurde für diesen Betrieb erstmals ein Betriebsrat gewählt. Er ist der Antragsteller dieses Verfahrens. Seine drei Mitglieder sind ausländische Arbeitnehmer.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragsgegnerinnen verpflichtet sind, den Antragsteller von der Honorarforderung eines Rechtsanwalts freizustellen. Vorausgegangen war ein Konflikt um die Urlaubsregelung für das Jahr 1997.

Zwischen dem Verband der Nord-Westdeutschen Bekleidungsindustrie e. V. und der Gewerkschaft Textilbekleidung ist am 27. Mai 1982 ein Urlaubsabkommen vereinbart worden, in dem es heißt:

㤠3

Dauer des Urlaubs

  1. Ab 1.1.1982 beträgt der Jahresurlaub für alle Arbeitnehmer 30 Arbeitstage.
  2. Die 15 Arbeitstage übersteigenden Urlaubstage sollen getrennt von dem übrigen Urlaub gewährt werden. 5 Arbeitstage sollen im Winter, vorzugsweise zwischen Weihnachten und Neujahr, gewährt werden. Die verbleibenden Arbeitstage werden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gem. § 7 Ziff. 1 dieses Vertrages gewährt.

§ 7

Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs

  1. Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigten, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. § 87 Ziff. 5 BetrVG bleibt unberührt.
  2. Zusammenhängend ist der Urlaub als 15-tägiger Urlaub und als Winterurlaub zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen.

…”

Im Betrieb der Antragsgegnerinnen gibt es eine Reihe ausländischer Arbeitnehmer, die ein starkes Interesse daran habe, in den Sommermonaten einen längeren zusammenhängenden Urlaub in ihrer Heimat verbringen zu können.

Am 18. Februar 1997 ließen die Antragsgegnerinnen ein mit dem Antragsteller nicht abgestimmtes Schreiben zur Urlaubsregelung an alle Beschäftigten verteilen.

Der Vorsitzende des Antragstellers wandte sich deswegen am 16. März 1997 an Herrn Ob. von der Gewerkschaft GTB. Am 17. März 1997 richtete er an die Geschäftsleitung der Antragsgegnerinnen ein Schreiben, dessen Text Herr Ob. für ihn formuliert hatte (Bl. 7 d. A.). Das Schreiben lautet:

„Urlaubsregelung 1997

Sehr geehrte Herren,

am 18.02.1997 haben Sie an alle Beschäftigten ein Schreiben gleichen Datums verteilen lassen, mit dem Hinweis, daß die Beschäftigten ihren Urlaub gemäß Urlaubsantrag nicht gewährt bekommen, da die Urlaubsplanung in die Saison fällt.

Wir dürfen Sie darauf aufmerksam machen, daß die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans gemäß § 87, Abs. 1, Ziff. 5, BetrVG. dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.

Dem steht auch der Urlaubstarifvertrag § 7 nicht entgegen.

In den zurückliegenden Jahren war es immer möglich, daß in jedem Kalenderjahr bis zu 8 Mitarbeiter pro Abteilung in den Sommerferien-Monaten 4 bis 5 Wochen Urlaub erhalten haben.

Für den Betriebsrat gibt es keinen Grund von dieser Praxis Abstand zu nehmen.

Gerade die hohe Zahl von Leiharbeitnehmern und befristet beschäftigten Arbeitnehmern macht eine sozialverträgliche Urlaubsgestaltung für die Stammkräfte möglich.

Eine einseitige Festlegung der Urlaubsgrundsätze, wie in Ihrem Schreiben vom 18.02.1997 gesehen, läßt das Gesetz nicht zu.

Wir fordern Sie auf diese einseitige Vorgehensweise rückgängig zu machen und bezüglich der Urlaubsregelung für das Jahr 1997 mit dem Betriebsrat in Verhandlung einzutreten.

Unser Vorschlag wäre:

  1. Eine Betriebsvereinbarung übe...

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