Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit gem. § 111 Abs. 2 ArbGG ein Schlichtungsausschuss gebildet ist, ist die Anrufung des Schlichtungsausschusses zwingende Prozessvoraussetzung für eine Klage gegen eine Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Das Vorliegen dieser Prozessvoraussetzung hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu prüfen. Eine ohne vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses beim Arbeitsgericht erhobene Klage ist unzulässig.

2. Für eine vor Anrufung des Schlichtungsausschusses gem. § 111 Abs. 2 ArbGG erhobene Kündigungsschutzklage kann deshalb mangels obejektiver Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

 

Normenkette

ZPO § 114; KSchG § 4 S. 1; ArbGG § 111 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 29.09.2008; Aktenzeichen 1 Ca 891 d/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 29.09.2008 – 1 Ca 891 d/08 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage.

Die Klägerin war seit dem 01.08.2007 bei dem Beklagten in einem Berufsausbildungsverhältnis zur Ausbildung im Ausbildungsberuf Hauswirtschafterin beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30.06.2008 kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis „ordentlich gemäß § 30 AVR mit Wirkung zum 31.08.2008”.

Mit ihrer am 15.07.2008 beim Arbeitsgericht Neumünster eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin Feststellung beantragt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.06.2008 nicht aufgelöst worden ist, sowie dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.08.2008 zu den bisherigen Bedingungen ungekündigt fortbesteht. Gleichzeitig hat die Klägerin beantragt, ihr für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr einen Rechtsanwalt beizuordnen.

Der Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 17.07.2008 fristlos. Gegen diese Kündigung hat sich die Klägerin mit ihrer am 01.08.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung gewandt und beantragt, festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien auch durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 17.07.2008 nicht aufgelöst worden ist.

In diesem Schriftsatz teilte die Klägerin weiterhin mit, dass sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.07.2008 den Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer Lübeck angerufen hat.

Am 25.09.2008 einigten sich die Parteien in der Schlichtungsverhandlung vor dem Ausschuss auf eine Beendigung des Ausbildungsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.09.2008. Die Parteien haben den Vergleich sogleich anerkannt.

Das Arbeitsgericht Neumünster hat der Klägerin mit Beschluss vom 29.09.2008 Prozesskostenhilfe für die Klage wegen fehlender Aussicht auf Erfolg versagt. Bis zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens sei die Klage unzulässig gewesen. Nach Abschluss des Verfahrens sei die Klage unbegründet.

Mit ihrer am 27.10.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen den ihr Prozesskostenhilfegesuch versagenden Beschluss. Sie meint, sie habe die Kündigungsschutzklage innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG erheben müssen, um den Eintritt der Fiktion des § 7 KSchG zu verhindern. Durch die Anrufung des Schlichtungsausschusses werde die Klagefrist weder gehemmt noch gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). In der Sache ist sie jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht wegen fehlender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen.

1. Die Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG, für die die Klägerin Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt hat, war unzulässig. Soweit gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG ein Schlichtungsausschuss gebildet ist, ist die Anrufung des Schlichtungsausschusses nach allgemeiner Auffassung zwingende Prozessvoraussetzung für die Klage. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hat das Arbeitsgericht von Amts wegen zu prüfen. Eine ohne vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses beim Arbeitsgericht erhobene Klage ist unzulässig (BAG 09.10.1979 – 6 AZR 776/77 – AP ArbGG 1953 § 111 Nr. 3; BAG 13.04.1989 – 2 AZR 441/88 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 21; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG 6. Aufl., § 111 Rz. 19 ff.). Zwar setzt die Anrufungspflicht nach dem Wortlaut des § 111 Abs. 2 S. 1 ArbGG voraus, dass ein Berufsausbildungsverhältnis besteht. Daraus folgt, dass dann, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Einreichung der Klage bereits beendet ist, der Schlichtungsausschuss nicht...

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