Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für Fahrten zu Betriebsratssitzungen während der Elternteilzeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebsratsmitglied, das sich in Elternzeit ohne Arbeitsleistung befindet, ist nicht zeitweilig an der Ausübung des Betriebsratsamts gehindert (§ 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG), sondern kann sich dafür entscheiden, weiter Betriebsratstätigkeiten zu verrichten und an Betriebsratssitzungen teilzunehmen.

2. Einem solchen Betriebsratsmitglied sind die Kosten für Fahrten zu Betriebsratssitzungen zu erstatten.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 25 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Beschluss vom 18.11.2003; Aktenzeichen 8 BV 8/03 N)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.05.2005; Aktenzeichen 7 ABR 45/04)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 18.11.03 – 8 BV 8/03 N – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert:

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 173,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.10.2003 zu bezahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde für die Arbeitgeberin wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin der Antragstellerin, die Betriebsratsmitglied ist, Fahrtkosten zu Betriebsratssitzungen zu erstatten hat.

Die Antragstellerin ist seit Oktober 2002 Mitglied des im Betrieb in. errichteten- Betriebsrats. Während ihrer Elternzeit zog sie von nach- und nahm zwischen dem 09.01. und 28.07.2003 an sieben Betriebsratssitzungen teil.

Sie ist der Auffassung, die Arbeitgeberin habe die durch die Teilnahme an den Betriebsratssitzungen entstandenen Fahrtkosten in Höhe von jeweils 55,80 Euro für eine Hin- und Rückfahrt zu erstatten. Dagegen ist die Arbeitgeberin der Auffassung, die Fahrtkosten seien nicht durch die Betriebsratstätigkeit entstanden. Ohne die EIternzeit hätte die Antragstellerin die Kosten selbst tragen müssen.

Mit Beschluss vom 18.11.2003 hat das Arbeitsgericht Augsburg den Antrag auf Verpflichtung der Arbeitgeberin, an die Antragstellerin 390,60 Euro zzgl. Zinsen zu bezahlen, zurückgewiesen. Nicht alle persönlichen Aufwendungen eines Betriebsratsmitglieds, die irgendwie im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat entstanden sind, seien zu erstatten, insbesondere nicht Aufwendungen der persönlichen Lebensführung. Grundsätzlich sei es Sache des Arbeitnehmers, sich auf seine Kosten in der Betriebsstätte zur Arbeitsleistung einzufinden. Die Entscheidungen der Antragstellerin, Elternzeit ohne Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen und das Betriebsratsamt weiter auszuüben, seien persönliche Entscheidungen der Antragstellerin. Die hierdurch entstandenen Kosten habe die Arbeitgeberin nicht zu tragen. Es verstieße auch gegen das Begünstigungsverbot, wenn der Arbeitgeber im ruhenden Beschäftigungsverhältnis Fahrtkosten erstatten müsste, die Mitarbeiter/innen ohne Inanspruchnahme der Elternzeit selbst tragen müssten.

Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 23.12.2003 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 22.01.2004, die am 19.03.2004 begründet wurde, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis 23.03.2004 verlängert worden war.

Die Antragstellerin meint, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die streitgegenständlichen Fahrtkosten nicht ihrer Privatsphäre zuzurechnen. Nur Kosten, die das Betriebsratsmitglied auch ohne die Erledigung von Betriebsratstätigkeiten hätte aufwenden müssen, seien nicht zu erstatten. Die von ihr geltend gemachten Fahrtkosten wären jedoch ohne Betriebsratstätigkeit nicht angefallen, da während der Elternzeit keine Verpflichtung bestehe, sich im Betrieb zur Arbeit einzufinden.

Die Auffassung des Arbeitsgerichts führe faktisch zu einer Behinderung der Betriebsratstätigkeit, denn dann müsste sie ihre Aufwendungen selbst tragen, ohne einen Vergütungsanspruch zu haben.

Die Antragstellerin stellt folgende Anträge:

  1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg, Kammer Neu-Ulm, vom 18.11.2003 wird aufgehoben.
  2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 390,60 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit AntragsteIlung zu bezahlen.

Die Arbeitgeberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Ohne das Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen der Elternzeit hätte die Antragstellerin die geltend gemachten Kosten unstreitig selbst tragen müssen. Die von ihr geforderte Kostenübernahme würde sie gegenüber einem vergleichbaren Betriebsratsmitglied in Voll- oder Teilzeitarbeit bevorzugen, denn diese Betriebsratsmitglieder müssten den Weg zur Arbeit selbst zahlen. Vorsorglich bestreitet sie die Höhe der geltend gemachten Kosten und trägt vor, die Fahrtkosten für die Strecke – Hin- und Rückfahrt hätten in der zweiten Klasse je 24,80 Euro betragen.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags im Beschwerdeverfahren wird auf die Schri...

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