Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzungsbegriff, betriebsverfassungsrechtliche. Stellvertretende. Gruppenleitung. Anderer Arbeitsbereich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für einen Verstoß gegen das Ausschreibungsverlangen des Betriebsrats nach § 93 BetrVG ist es nicht ausreichend, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit in mehreren Einzelfällen der Forderung des Betriebsrats, bestimmte gleichartige Positionen innerbetrieblich auszuschreiben, nicht nachgekommen ist.

2. Für die Frage, ob ein anderer Arbeitsbereich im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs (§ 95 Abs.3 BetrVG) vorliegt, kommt es in der Regel nicht auf eine rein quantitative Betrachtungsweise an, so dass im Allgemeinen nicht allein auf den zeitlichen Anteil der Veränderung – z. B. 20 % der Gesamttätigkeit – abzustellen ist.

3. Im Einzelfall kann eine Veränderung des Aufgabenbereichs, die lediglich 15 % der Gesamttätigkeit ausmacht, verbunden mit der Übertragung einer besonderen Verantwortlichkeit, ausreichen.

4. Dies gilt z. B. bei der Übertragung der Funktion eines stellvertretenden Gruppenleiters für den Fall der Abwesenheit des Gruppenleiters, wenn die Vertretungsfälle weder nach ihrer Zahl noch in Bezug auf ihre Dauer oder den Zeitpunkt ihres Eintritts exakt vorhersehbar sind. In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass mit der Übertragung der Funktion des stellvertretenden Gruppenleiters die Zahlung einer „Verantwortungszulage” verbunden ist.

 

Normenkette

BetrVG § 95 Abs. 3, §§ 99, 101, 93, 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 17.03.2005; Aktenzeichen 23 BV 136/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird derBeschluss desArbeitsgerichts München vom17.03.2005 – 23 BV 136/04 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen in Ziffern 2 bis 4 geändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die mit Wirkung ab 01.11.2003 erfolgte Versetzung von Frau L. auf die Position der stellvertretenden Gruppenleiterin aufzuheben.

2. Im Übrigen werden die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die vom Antragsteller – dem für die Hauptverwaltung und die Niederlassung M. der Antragsgegnerin gebildeten Betriebsrat – verlangte Aufhebung einer Versetzung, ferner um die vom Antragsteller begehrte Verhängung von Ordnungs- bzw. Zwangsgeld und schließlich um das Begehren, die Besetzung einer Stelle als stellvertretender Gruppenleiter innerhalb des Betriebs auszuschreiben.

Die Mitarbeiter der Antragsgegnerin Frau L., die als Sachbearbeiterin in der Abteilung „Leistung Sonderfall AZV” tätig ist, unter anderem mit der Bearbeitung von Erstattungsanträgen/Vorgängen im Bereich Anzeigepflichtverletzung einschließlich der erforderlichen Korrespondenz, wurde am 01.11.2003 zur stellvertretenden Gruppenleiterin ernannt. Sie ist in dieser Funktion Abwesenheitsvertreterin der Gruppenleiterin der Gruppe „AZV/EER/BM (Anzeigepflichtverletzung/Ersteinreicher/Beschwerdemanagement). Für diese einheitliche Gruppe gibt es außer Frau L., die für die Bereiche AZV/EER zuständig ist eine weitere stellvertretende Gruppenleiterin. Die Funktion der stellvertretenden Gruppenleiterin wurde Frau L. mit Schreiben vom 06.11.2003 zunächst befristet bis 31.10.2004 übertragen. Diese Übertragung ist zwischenzeitlich verlängert worden. Frau L. obliegen weiterhin – in einem zwischen den Beteiligten streitigen Umfang – ihre bisherigen Aufgaben als Sachbearbeiterin.

Die von der stellvertretenden Gruppenleiterin im Vertretungsfall wahrzunehmenden Aufgaben bestehen – in allgemeiner, zusammenfassender Beschreibung – in der Sicherstellung der Schadensregulierung, der Gewährleistung eines reibungslosen und termingerechten Arbeitsablaufs, der Entscheidung bei außergewöhnlichen Fällen, der Gewährleistung der Einhaltung des Qualitätsstandards bei den Mitarbeitern und der Sicherstellung der Maßnahmen zum Schadenmanagement.

Vor der Ernennung zur stellvertretenden Gruppenleiterin wurde der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG beteiligt. Vielmehr wurde er hierüber nur nachträglich informiert. Mit Schreiben vom 21.11.2003 verlangte er deshalb die Stellenausschreibung des stellvertretenden Gruppenleiters nach § 93 BetrVG, teilte ferner mit, es sei bisher betriebsüblich gewesen, die stellvertretenden Gruppenleiterpositionen auszuschreiben und den Vorgang den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorzulegen, der personellen Maßnahme werde wegen unterbliebener Ausschreibung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG widersprochen. Die Antragsgegnerin entgegnete mit Schreiben vom 26.11.2003, die ständige Beauftragung eines Mitarbeiters mit der Vertretung eines Gruppenleiters sei keine zu besetzende Stelle, eine Ausschreibung nach § 93 BetrVG daher nicht nötig.

Frau L. erhält im Hinblick auf ihre Funktion als stellvertretende Gruppenleiterin eine halbe sog. Verantwortungszulage in Höhe von 105,50 EUR.

In der Zeit vom 01.04.2003 bis einschließlich 31.03.2004 war die Leit...

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