Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweis des ersten Anscheins für Zugang einer Kündigung durch Einwurf-Einschreiben mit Ein- und Auslieferungsbeleg

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Absender streitet beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbelegs zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten bzw. das Postfach zugegangen ist, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde. Das wurde vom Bundesgerichtshof für § 21 Absatz 1 Satz 2 GmbHG so entschieden (BGH 27. September 2016 - II ZR 299/15 - NJW 2017, 68 Randnummer 33; ebenso LAG Hamm 26. März 2014 - 5 Sa 1556/13 - Randnummer 37). Diese Rechtsprechung ist auf den streitigen Zugang einer Arbeitgeberkündigung beim Arbeitnehmer übertragbar.

2. Einzelfallbezogene Ausführungen zu der Frage, ob die Feststellung erlaubt ist, dass sich in dem per Einwurf-Einschreiben versandten Brief auch die streitige Kündigung befunden hat.

 

Normenkette

KSchG § 7; BGB § 130; GmbHG § 21 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 28.06.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1606/17)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Frage, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht, was wesentlich davon abhängt, ob dem klagenden Arbeitnehmer, die unter dem Datum des 28. August 2017 erstellte Kündigung der Beklagten tatsächlich zugegangen ist. Außerdem streiten die Parteien noch um die Frage, ob die Beklagte dem Kläger vorvertraglich aufgewendete Fortbildungskosten in Höhe von rund 290 Euro zu ersetzen hat.

Die Beklagte mit Stammsitz im hiesigen Gerichtsbezirk betreibt ein Architektur- und Ingenieurbüro mit Niederlassungen in mehreren deutschen Großstädten. Einer der Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit sind Bauvorhaben am und im Schienennetz der Deutschen Bahn AG.

Der 1959 geborene Kläger war bei der Beklagten ab November 2016 zu einem Bruttomonatsentgelt von rund 4.700 Euro angestellt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 2016 war der Kläger im Wesentlichen dem Büro B. zugeordnet und hatte deutschlandweit wechselnde Projekte zu betreuen. Dabei war der Kläger als Bauüberwacher Bahn (BÜB) und als Fachbauüberwacher (FBÜ) jeweils für die Fachbereiche Leitungs- und Sicherheitstechnik (LST), Oberleitungsanlagen (OLA) und 50 Hz (Energieanlagen) auf den Baustellen im Schienennetz der Deutschen Bahn AG tätig.

Bereits vor dem Beginn der beiderseitigen Zusammenarbeit hatte der Kläger am 21. Oktober 2016 zwei Seminare beim Verband Deutscher Eisenbahnfachschulen e.V. mit den Bezeichnungen FIT 2016 - Bauüberwacher - Elektrotechnik und FIT 2016 - Anlagenbeauftragter für Arbeiten an Oberleitungsanlagen besucht. Der Seminaranbieter hat ihm hierfür insgesamt 287,50 Euro in Rechnung gestellt (Teil der Anlage K 9, hier Blatt 39 f). Mit Mail vom 25. Oktober 2016 hatte der Kläger die Beklagte gebeten, diesen Betrag direkt an den Schulungsträger zu überweisen. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen war, hat der Kläger die Rechnung über die Seminarteilnahme selbst bezahlt.

Im Arbeitsverhältnis der Parteien entstanden schon im ersten Jahr der Zusammenarbeit Spannungen, die sich - nach Darstellung des Klägers - insbesondere aus einer unterschiedlichen Interpretation der Vorgaben der Deutschen Bahn AG für die Bauvorhaben und Baustellen in ihrem Schienennetzwerk ergaben. Die vom Kläger gesehenen Regelverstöße waren für ihn nach seinen Angaben so belastend, dass er sich schon im Sommer 2017 entschlossen hatte, das Arbeitsverhältnis zur Beklagten aufzugeben und einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Der Kläger hat im Juli und August 2017 Bewerbungsgespräche bei anderen Arbeitgebern geführt und ist seit dem 1. November 2017 bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt.

Die Beklagte berühmt sich des Ausspruchs einer schriftlichen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger unter dem Datum des 28. August 2017 zum 30. September 2017, die durch die Deutsche Post am Wohnsitz des Klägers durch Einwurf-Einschreiben zugestellt worden sein soll. Der Kläger bestreitet den Zugang dieser Kündigung.

In den Rechtsstreit hat die Beklagte die Kopie einer schriftlichen Kündigungsurkunde eingeführt (Anlage B1, hier Blatt 152), nach der die Beklagte dem Kläger unter dem 28. August 2017 eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung zum 30. September 2017 ausgesprochen hat. Außerdem ist in den Rechtsstreit eingeführt die Kopie eines Einlieferungsbelegs der Deutschen Post, nach dem diese oder eine ihrer beauftragten Agenturen am 29. August 2017 eine Sendung in Empfang genommen hat mit dem Auftrag, diese beim Kläger in der Form eines Einwurf-Einschreibens zuzustellen (ebenfalls Blatt 152). Schließlich ist als Anlage B 3 (hier Blatt 185) ein als Formular aufgebauter Beleg in Kopie zur Akte gelangt, in der ein oder eine Bedienstete der Deutschen Post durch ihre Unterschrift und mit dem Datum des 30.08.2...

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