Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabeanspruch bei Annahme von Schmiergeldzahlungen. Schadensersatz wegen Entgegennahme von Schmiergeld. Schadensschätzung nach freier Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO. Keine Begrenzung auf den Mindestschaden bei Schadensschätzung im Falle böswilligen Bestreitens des Täters

 

Leitsatz (amtlich)

Steht nach Beweisaufnahme fest, dass der bis zuletzt bestreitende Arbeitnehmer Schmiergeld entgegengenommen hat und muss sodann der eingetretene Schaden geschätzt werden, so ist der zu schätzende Betrag nicht auf einen Mindestschaden begrenzt. Es gibt keinen Grund einen Schädiger auf diese Weise zu privilegieren, insbesondere den pflichtwidrig schweigenden Täter, der entgegen der Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO seine Täterschaft bestreitet.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben eine Geschäftsanmaßung begeht, indem er Schmiergeldzahlungen annimmt, dann steht der Arbeitgeberin grundsätzlich ein Herausgabeanspruch in Höhe der Schmiergeldzahlungen zu. Vereinbarungen über die Zahlung eines Schmiergelds für die künftige Bevorzugung bei der Vergabe von Aufträgen, die Beschäftigte einer Partei heimlich mit dem anderen Vertragsteil treffen, verstoßen gegen die guten Sitten, sind im Sinne des § 687 BGB "unerlaubt" und gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

2. Ist unter den Parteien streitig, wie hoch sich der dem Grunde nach festgestellte Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, so entscheidet hierüber gemäß § 287 ZPO das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Bei der Bemessung der Schadenshöhe kann das Gericht zu einer Schätzung greifen.

 

Normenkette

BGB §§ 826, 823, 667; ZPO §§ 138, 187; BGB § 681 S. 2, § 687 Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 286-287

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 05.01.2022; Aktenzeichen 4 Ca 2501/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.01.2022 - 4 Ca 2501/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Der Beklagte zu 1 wird auf den Antrag zu 1) verurteilt, an die Klägerin 1.579.844,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2014.
    2. Der Beklagte zu 1 wird auf den Antrag zu 4 (urspr. Klageantrag zu 6) verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass er seine im Schriftsatz vom 09.03.2021 erteilten Auskünfte nach bestem Wissen so vollständig abgegeben hat, wie er dazu im Stande ist.
    3. Die weitere Klage gegen den Beklagten zu 1 mit dem Antrag zu 1 (soweit sie den Betrag in Höhe von 1.579.844,00 EUR nebst Zinsen übersteigt), mit dem Antrag zu 2 und mit dem Antrag zu 3 wird abgewiesen.
    4. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 mit den Anträgen zu 1 bis 4 wird abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

  • III.

    Die Berufung des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.

  • IV.

    Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Arbeitsgerichts vorbehalten auch über die Kosten der Berufungsinstanz.

  • V.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Auskunfts-, Herausgabe- und Schadensersatzansprüche. Dabei steht der Vorwurf der Klägerin gegenüber den beiden Beklagten im Raum, sie hätten in der Zeit von Beginn des Jahres 2010 bis zum Jahre 2014 Schmiergeld entgegengenommen.

Wegen des hier streitigen Sachverhalts ist der Beklagte zu 1 wegen Bestechlichkeit zu 1,5 Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Aufgrund der von Seiten der Staatsanwaltschaft und von Seiten des Beklagten zu 1 eingelegten Revision ist die Entscheidung noch nicht rechtskräftig. Rechtskräftig ist demgegenüber das Urteil bezüglich des Beklagten zu 2. Er wurde freigesprochen. Auf den Inhalt des Urteils des Landgerichts Bonn vom 28.12.2022 - 27 KLs-430 Js 1285/16-9/21 - (Bl. 1784 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin ist eine Wohnungsgenossenschaft. Sie verwaltet knapp 1.200 Wohnungen und knapp 300 Garagen. Die Genossenschaft hat gut 1.600 Mitglieder.

Der Beklagte zu 1 ist seit dem Jahre 1993 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst wurde er als Hausmeister eingestellt. Seit dem Jahre 2002 und bis zuletzt war er als Leiter des Bereichs Technik tätig. Zu seinen Aufgaben gehörte u.a. die Schadensmeldung, die Modernisierung/Neubau, die Badmodernisierung sowie die laufende Instandhaltung. Dem Kläger standen aus diesem Arbeitsverhältnis und aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis seiner Ehefrau insgesamt monatliche Bezüge in Höhe von 2.900,00 EUR zur Verfügung. Die im streitgegenständlichen Zeitraum erfolgten erheblichen Bareinzahlungen auf das Konto des Beklagten zu 1 und auf das Konto seiner Ehegattin lassen sich mit diesen monatlichen Bezügen nicht erklären. Nach dem Wortlaut einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung endete das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 20.02.2020 zum 15.05.2020. Die Zahlung einer Abfindung wurde nicht vereinbart. Nach den Feststellungen der 7. Großen Strafkammer im besagten Urteil vom 28.12.2022 hat der Beklagte zu 1 v...

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