Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zum Widerruf einer Teleheimarbeitsbefugnis

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Mitbestimmung des Betriebsrats bei dem Widerruf alternierender Telearbeit.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Widerruf der alternierenden Telearbeit einer Arbeitnehmerin stellt eine Versetzung i.S. von §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG dar, da sich mit der Verlagerung des Arbeitsplatzes vom Homeoffice zurück in den Betrieb der individuelle Arbeitsort der Arbeitnehmerin in erheblicher Weise ändert.

2. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei dem Widerruf der Telearbeitsvereinbarung besteht auch dann, wenn der Tarifvertrag Telearbeit eine Beteiligung des Betriebsrats ausdrücklich nur für die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes und nicht auch für den Widerruf von Telearbeit vorsieht.

3. Können nach der tariflichen Regelung beide Seiten die Vereinbarung alternierender Telearbeit ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende widerrufen, so folgt hieraus, dass der Arbeitgeber bei der individuellen Ausübung des Widerrufsrechts keine Ermessens- und Billigkeitserwägungen anstellen muss.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 12.02.2020; Aktenzeichen 4 BV 45/19)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 20.10.2021; Aktenzeichen 7 ABR 34/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.02.2020 - 4 BV 45/19 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zum Widerruf einer Teleheimarbeitsbefugnis.

Die Arbeitgeberin erbringt Dienstleistungen für die D T AG und deren Beteiligungen in den Bereichen Einkauf, Rechnungswesen, Reporting und Personalwesen. Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt der Telearbeits-Tarifvertrag für Mitglieder des AGV: Comunity (TV Telearbeit), auf dessen Grundlage Telearbeit in Form von alternierender Telearbeit, in Form von mobiler Telearbeit und in Form des mobile working möglich ist.

Am 24.04.2007 vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit der Arbeitnehmerin K R , die sich bis zum 06.06.2007 in Elternzeit befand, die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes sowie die Beschäftigung in alternierender Telearbeit ab dem 07.06.2007.

Sowohl im TV Telearbeit als auch in der Vereinbarung mit Frau R , die unter § 1 bestimmt, dass die Bestimmungen des TV Telearbeit gelten und dass der Tarifvertrag Telearbeit in seiner jeweils gültigen Fassung Bestandteil der Vereinbarung ist, findet sich eine ausdrückliche Regelung, wonach die Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann.

In der Folgezeit arbeitete Frau R nicht mehr an ihrer betrieblichen Regelarbeitsstätte in B , sondern ganz überwiegend an ihrem häuslichen Arbeitsplatz in C .

Im Zuge einer bundesweiten Betriebsänderung versetzte die Arbeitgeberin Frau R im Jahr 2016 mit Zustimmung des Betriebsrats an ihren Standort in K .

Die Arbeitgeberin beabsichtigt nunmehr den Widerruf der Vereinbarung über die Einrichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes für Frau R . Am 05.04.2019 leitete sie dem Betriebsrat zur Betriebsratssitzung am 24./25.04.2019 einen Antrag auf Zustimmung zu dieser Maßnahme zu. Zur Begründung führte sie an, dass der damalige Grund für die Einrichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes, die Betreuung eines Kindes unter zwölf Jahren, weggefallen sei und dass eine veränderte Aufgabenstellung sowie die entstandene Mehrarbeit engere und kurzfristige Abstimmungen im Team und eine Anwesenheit vor Ort erforderten.

Tatsächlich behandelte der Betriebsrat die Angelegenheit bereits in seiner Sitzung vom 10./11.04.2019. Am 15.04.2019 teilte er der Arbeitgeberin mit, dass er dem Widerruf nicht zustimme, weil die Arbeitgeberin ihre betrieblichen Interessen bei der geplanten Maßnahme entgegen einer tariflichen Regelung in § 6 des Manteltarifvertrages DeTe Accounting (im Folgenden: MTV) und entgegen§ 106 GewO nicht mit den Interessen der Frau R abgewogen habe. Zudem werde Frau R durch den Widerruf im Hinblick auf die entstehenden Wegezeiten und Fahrtkosten benachteiligt.

Mit ihrer am 25.07.2019 beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zum Widerruf der Teleheimarbeitsbefugnis.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Betriebsrat bei dem Widerruf einer Telearbeitsvereinbarung kein Beteiligungsrecht zustehe, da der TV Telearbeit eine Beteiligung des Betriebsrats nur für die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes vorsehe. Eine Interessenabwägung hätte sie nicht durchführen müssen, da es sich beim Widerruf des Telearbeitsplatzes nicht um die Ausübung eines Direktionsrechts handele. Jedoch sei der Widerruf interessengerecht, da sie alle Telearbeitsplätze auf deren Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit überprüft habe. Es gelte nunmehr das Leitbild, wo...

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