Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Betriebsrentners eines öffentlichen Nahverkehrsunternehmens auf weitere Gewährung von Freifahrt-Tickets

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die einem Betriebsrentner gewährte Leistung der freien Fahrt mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln (hier: für seine Ehefrau) für die Zeit des Bezugs von Betriebsrente stellt eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung dar.

2. Nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit ist der Arbeitnehmer grundsätzlich gehindert, diese Leistung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung einzustellen.

3. Etwas anderes gilt für die Gewährung von Freifahrscheinen während des aktiven Beschäftigungsverhältnisses.

 

Normenkette

BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 29.09.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1537/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.06.2019; Aktenzeichen 3 AZR 433/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 29.09.2016 - AZ: 5 Ca 1537/16 - teilweise abgeändert und zum Zwecke der Klarstellung in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, der Ehefrau des Klägers, Frau C. X., ab dem 01.12.2018, jedoch frühestens ab Rechtskraft dieses Urteils ein Ticket 1000 der Preisstufe D des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) lebenslang zu gewähren, solange die Eheleute verheiratet sind und im selben Haushalt leben.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die weitergehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zu 50%.

  • IV.

    Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über einen Anspruch des Klägers auf Überlassung eines kostenlosen Tickets zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs für seine Ehefrau.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches für die Stadt F. den öffentlichen Nahverkehr betreibt. Der am 19.11.1953 geborene Kläger wurde zum 01.04.1977 als Omnibusfahrer eingestellt. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. folgende Regelung:

"§ 2

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) vom 22. Mai 1953 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge - insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) - in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge, betrieblichen Vereinbarungen und die Dienst- bzw. Arbeitsordnung Anwendung."

Die Beklagte stellte in der Vergangenheit ihren Beschäftigten und deren Ehepartnern auf Antrag ein unentgeltliches Ticket zur Nutzung der Verkehrsmittel im öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung. Zeitweise warb sie auf Fahrzeugen für Mitarbeiter mit einer Aufschrift, die sinngemäß lautete: "Als Mitarbeiter der F. haben Sie und Ihre Frauen immer freie Fahrt."

Grundlage der Gewährung in der Vergangenheit waren zunächst "Bestimmungen über die Gewährung von Dienstausweisen, Frei-Fahrkarten, Familien-Fahrkarten, Lehrlings- und Schülerkarten" vom 25.10.1958, die u.a. folgendes beinhalteten:

"I. Dienstausweise

...

b)Die Verkehrsaufseher ... erhalten einen Dienstausweis mit rotem Band, der gleichzeitig für Freifahrt auf unserem Straßenbahn- und Omnibusstreckennetz (außer Fernlinien) Gültigkeit hat.

c)Sämtliche im Fahrdienst beschäftigten Belegschaftsmitglieder ... erhalten einen Dienstausweis. Freifahrtberechtigung wie b).

II. Frei-Fahrkarten

....

III. Familien-Fahrkarten

1. Verheiratete männliche Belegschaftsmitglieder erhalten eine Familien-Fahrkarte, gültig für die Ehefrau des Belegschaftsmitgliedes, ...

Getrennt lebende und geschiedene Ehefrauen unserer Belegschaftsmitglieder erhalten keine Frei-Fahrkarte, ...

V. Frei-Fahrkarten für Pensionäre und deren Familienangehörige

Pensionäre erhalten für sich eine Streckenkarte, gültig von ihrer Wohnung bis zu einem von ihnen selbst zu bestimmenden Ziel, wenn sie nach einer mindestens 10-jährigen Beschäftigungszeit bei der F. invalidisiert wurden bzw. in den Ruhestand traten. Die Ehefrauen bzw. die Witwen dieser Pensionäre erhalten eine Streckenkarte, gültig von ihrer Wohnung bis zu einem von ihnen selbst zu bestimmenden Ziel, wenn ihr Ehemann mindestens 15 Jahre bei der F. beschäftigt war und sie kein eigenes Arbeitseinkommen von mehr als mtl. DM 150,-- haben. ..."

Der vorgenannte Betrag von DM 150,- wurde handschriftlich auf DM 200,- geändert.

Mit einer Verfügung vom 08.08.1973, die den Betreff "Freifahrkarten für Pensionäre bzw. für Angehörige von Pensionären" hatte, wurde geregelt, dass für die Feststellung der Beschäftigungsdauer angebrochene Monate als volle Monate zu rechnen seien.

Mit einer Verfügung vom 03.10.1985 wurden die o.g. Bestimmungen hinsichtlich Ziffer V. geändert und um eine Regelung bezüglich "Frei-Fahrkarten für Hinterbliebene von aktiven Belegschaftsangehör...

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