Entscheidungsstichwort (Thema)

Festlegung der Anzahl an Beisitzern in Einigungsstelle gemäß der Komplexität des Regelungsinhalts. Zwei Beisitzer in Einigungsstelle für Betriebsvereinbarung Corona ausreichend

 

Leitsatz (amtlich)

1. Streiten die Betriebsparteien im Zusammenhang mit der Bildung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Betriebsvereinbarung über Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zusammenhang der CORONAVIRUS (SARS-CoV-2) Pandemie", wobei die abzuschließende Betriebsvereinbarung an Stelle einer zum 31.12.2020 augelaufenen Betriebsvereinbarung zum gleichen Gegenstand treten soll, so ist die Einigungsstelle mit zwei Beisitzern je Seite zu besetzen.

2. Anders als eine Einigungsstelle zur umfassenden Gefährdungsbeurteilung (vgl. LAG Baden-Württemberg 10. September 2020 - 4 TaBV 5/20; 1. Oktober 2020 - 3 TaBV 4/20 -) handelt es sich bei dem unter 1. genannten Regelungsgegenstand um keinen mit "hochkomplexen" Fragestellungen verbundenen Gegenstand, der eine weitere Kostenbelastung des Arbeitgebers durch Besetzung mit drei Beisitzern je Seite rechtfertigen würde.

 

Normenkette

ArbGG § 100; GKG § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 19.01.2021; Aktenzeichen 21 BV 2/21)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2021 - 21 BV 2/21 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten allein für die Anzahl der Beisitzer einer Einigungsstelle.

Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) gehört zur P. Unternehmensgruppe, die weltweit im Bereich des Textileinzelhandels tätig ist. Der Beteiligte 2) ist der bei der Beteiligten 1) gebildete Betriebsrat im Betrieb Filiale XXX M. in S..

Zwischen den Beteiligten bestand eine Betriebsvereinbarung "Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zusammenhang der CORONAVIRUS (SARS-CoV-2) - Pandemie" vom 14. Mai 2020. Diese endete am 31. Dezember 2020. Am 09. Dezember 2020 wurde daher der Beteiligte 2) durch die Arbeitgeberin unter Nennung möglicher Verhandlungstermine und unter Vorlage eines Entwurfs zur Verhandlung einer Nachfolgeregelung zur Betriebsvereinbarung über Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zusammenhang der CORONAVIRUS (SARS-CoV-2) - Pandemie aufgefordert.

Nachdem der Beteiligte 2) sich außergerichtlich nicht zu Verhandlungen bereit erklärt hatte, reichte die Arbeitgeberin am 5. Januar 2021 den Antrag, Herr S. F. RiArbG a.D. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Betriebsvereinbarung über Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zusammenhang der CORONAVIRUS (SARS-CoV-2) - Pandemie" zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer auf zwei je Seite festzusetzen, beim Arbeitsgericht ein.

Im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht einigten sich die Beteiligten auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Betriebsvereinbarung über Maßnahmen des Arbeitsschutzes in Zusammenhang der CORONAVIRUS (SARS-CoV-2) Pandemie", nicht aber über die Anzahl bei Beisitzer je Seite.

Die Antragstellerin/Arbeitsgeberin vertrat erstinstanzlich die Ansicht, angemessen und ausreichend erscheine eine Besetzung mit jeweils zwei Beisitzern pro Seite. Es handele sich vorliegend um eine Nachfolgeregelung zu einer Betriebsvereinbarung und somit um eine bereits bekannte Thematik, mit der sich die Betriebsparteien bereits auseinandergesetzt hätten.

Die Arbeitgeberin beantragte erstinstanzlich,

die Anzahl der Beisitzer pro Seite auf zwei festzusetzen.

Der Beteiligte zu 2) beantragte,

die Anzahl der Beisitzer pro Seite auf drei festzusetzen.

Der Beteiligte zu 2) vertrat erstinstanzlich die Ansicht, nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. September 2020 - 4 TaBV 5/20 - seien drei Beisitzer pro Seite angemessen. Dies ergebe sich aus der Bedeutung der Angelegenheit sowie der außergewöhnlich weitreichenden Auswirkungen der Entscheidung der Einigungsstelle sowie der hierdurch erforderlichen Notwendigkeit einer zusätzlichen personellen Verstärkung der Fachkompetenz. Der Beteiligte zu 2) führte insoweit aus, der Regelungsgegenstand könne schwieriger, umfangreicher und komplexer kaum sein. Es gebe kaum dauerhaft gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über einen optimalen Gesundheitsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Einzelhandel angesichts der Corona Epidemie. Seit Anbeginn der Krise hätten sich zahlreiche anfängliche Empfehlungen von Experten weitestgehend überholt (z.B. zur Vermeidung sogenannter Schmier-Infektionen) oder seien durch andere Ratschläge (Verwendung von Mund-Nasen-Schutz zur Eindämmung der Virusverbreitung über sogenannte Aerosole) ersetzt worden. Unter anderem sei es schwierig, für alle unterschiedlichen Bereiche eines solchen größeren Einzelhandelsbetriebs mit annähernd 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angemessene und sinnvolle Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu treffen. Diese könnten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Fläche, auf der Kunden beraten würden, ganz andere sein, als etwa im Kassenbereich oder im Verwaltu...

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