Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Mindestbemessungsentgelt. Stammrecht auf Arbeitslosengeld in den letzten 2 Jahren vor Anspruchsentstehung ausreichend. Beendigung des Leistungsbezuges wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. fehlende Arbeitslosigkeit

 

Orientierungssatz

Allein das Bestehen eines Stammrechtes auf Arbeitslosengeld reicht aus, um von einem Bezug von Arbeitslosengeld iS des § 151 Abs 4 SGB 3 auszugehen. Die Entscheidung des BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R = SozR 4-4300 § 151 Nr 2, der sich der Senat anschließt, ist nicht nur auf den Fall des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruches beschränkt, sondern die Besitzstandswahrung gem § 151 Abs 4 SGB 3 findet auch bei Existenzgründern statt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.05.2022; Aktenzeichen B 11 AL 8/21 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 2019 aufgehoben und die Beklagte unter dementsprechender Abänderung ihres Bescheids vom 28. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juli 2017 und des Änderungsbescheids vom 13. September 2017 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 5. Mai 2017 bis 3. Mai 2018 höheres Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 193,33 Euro zu gewähren.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs der Klägerin in der Zeit vom 5. Mai 2017 bis 3. Mai 2018.

Die 1964 geborene Klägerin war zuletzt bis August 2014 als Personalleiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 29. August 2014 und Änderungsbescheid vom 16. September 2014 wurde ihr auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 193,33 Euro ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 58,67 Euro täglich für die Dauer von 286 Tagen ab dem 18. August 2014 zuerkannt. Nach der Teilnahme an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung erging der Änderungsbescheid vom 10. November 2014, mit dem die Restanspruchsdauer für die Zeit ab 24. Dezember 2014 auf 204 Tage festgelegt wurde. Unter dem 30. Dezember 2014 zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie werde ab 16. Februar 2015 eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit aufnehmen. Daraufhin erging der Aufhebungsbescheid vom 16. Februar 2015, mit dem die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom selben Tag an aufgehoben wurde. In den folgenden 15 Monaten wurde die Klägerin von der Beklagten mit einem Gründungszuschuss gefördert.

Nach Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit meldete sich die Klägerin am 5. Mai 2017 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Daraufhin teilte die Beklagte ihr mit, dass ihr Arbeitslosengeld fiktiv bemessen werden müsse, weil sie in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung seien auf eine Beschäftigung im zuletzt ausgeübten Beruf als Leiterin Personal zu konzentrieren. Für diese Tätigkeit sei eine abgeschlossene Ausbildung erforderlich, so dass sie zur Qualifikationsgruppe 3 zähle. Mit Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 28. Juni 2017 wurde der Klägerin auf dieser Grundlage (Bemessungsentgelt: 79,33 Euro) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 26,21 Euro täglich für die Dauer von 360 Tagen ab dem 5. Mai 2017 zuerkannt. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2017 als unbegründet zurück. Die festgesetzte Höhe des Arbeitslosengelds sei korrekt ermittelt worden. Maßgebend sei die Zeit vom 5. Mai 2015 bis 4. Mai 2017 als Bemessungsrahmen. In diesem Zeitraum habe die Klägerin weder Arbeitslosengeld bezogen noch beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt. Daher sei ein fiktives Bemessungsentgelt zugrundezulegen. Die Klägerin habe weder ein Hochschulstudium abgeschlossen noch eine Fachwirt- oder Meisterprüfung absolviert. Sie könne daher nur in Beschäftigungen vermittelt werden, die lediglich eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern. Dabei handele es sich um die Qualifikationsgruppe 3, für die pauschal ein Arbeitsentgelt in Höhe eines Vierhundertfünfzigstels der Bezugsgröße anzusetzen sei.

Am 7. August 2017 (Eingangsdatum) hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Die Höhe ihres Arbeitslosengelds sei auf der Grundlage des Bemessungsentgelts aus dem Vorbezug zu bestimmen; zumindest sei sie aber bei einer fiktiven Bemessung der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Stammrecht auf Arbeitslosengeld aus dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 29. August 2014 habe in dem maßgebenden Zwei-Jahres-Zeitraum noch bestanden. Dass der Klägerin die Leistung wegen des Aufhebungsbescheids vom 16. Februar 2015 von diesem Tag an tatsächlich nicht mehr ausgeza...

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