Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Leistungserbringung durch eine Einrichtung. außerordentliche Kündigung der mit dem Einrichtungsträger bestehenden Vereinbarung iS des § 75 Abs 3 SGB 12 durch den Sozialhilfeträger. Nichteinhaltung eines Tarifvertrages. Anfechtung der der Vereinbarung zugrunde liegenden Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung. culpa in contrahendo. ordentliche Kündigung

 

Orientierungssatz

Zur fristlosen Kündigung einer Vereinbarung iS des § 75 Abs 3 SGB 12 mit der Begründung, der Einrichtungsträger zahle seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern keine Tariflöhne.

 

Normenkette

SGB XII § 75 Abs. 3, § 76 Abs. 3, § 78 Sätze 1-2, § 59 Abs. 1 Sätze 2, 1; SGB X § 61; BGB §§ 124, 311 Abs. 2; SGG § 86b Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2013 geändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, das Vertragsverhältnis auf der Grundlage der Vereinbarung zur Erbringung von Leistungen für individuelle Hilfen zur Eingliederung für Menschen mit Behinderung vom 23. Dezember 1999 sowie der Änderungsvereinbarung vom 17. Juli 2012 bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung, längstens bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache unverändert fortzusetzen.

Im Übrigen wird die Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 500.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung über die Fortsetzung einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 75 Abs. 3 SGB XII.

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, der als Leistungserbringer im Bereich ambulanter Leistungen der Eingliederungshilfe sowie der Hilfe zur Pflege Leistungen nach dem SGB XII erbringt. Der Antragsteller hat u.a. die “Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zur Erbringung von Leistungen nach §§ 39, 40 BSHG in Verbindung mit der Eingliederungshilfeverordnung (VO) nach § 47 BSHG für individuelle Hilfen zur Eingliederung für Menschen mit Behinderung„ vom 23. Dezember 1999 mit der Beklagten geschlossen sowie die “Änderungsvereinbarung zur Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zur Erbringung von Leistungen nach §§ 39, 40 BSHG in Verbindung mit der Eingliederungshilfeverordnung (VO) nach § 47 BSHG für individuelle Hilfen zur Eingliederung für Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 1999„ vom 17. Juli 2012.

Die Vereinbarung vom 23. Dezember 1999 enthält u.a. folgende Regelungen:

“§ 9 Vergütungsregelung

1. Die Vergütungen für die Leistungen nach diesem Vertrag erfolgen auf Stundenbasis. Sie enthalten die Kosten für notwendige Personal- und Sachkosten sowie Kosten für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung.

2. Der Vergütungssatz für Leistungen nach diesem Vertrag beträgt 55,00 DM pro Stunde.

...

§ 11 Vertragsverstöße

1. Handelt ein Vertragspartner gegen die Bestimmungen dieser Vereinbarung, kann vom jeweils anderen Vertragspartner Abhilfe bzw. Unterlassung verlangt werden.

2. Setzt ein Vertragspartner seine Vertragsverstöße trotz einer Aufforderung nach Abs. 1 fort oder handelt er in schwerwiegenden Maße gegen die Bestimmung der Vereinbarung, so kann dieser ihm gegenüber mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt werden....

3. Diese Vereinbarung kann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist des § 12 gekündigt werden, wenn der A. seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger oder dem Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zumutbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn Leistungsempfänger infolge einer groben Pflichtverletzung zu Schaden kommen oder der A. nicht erbrachte Leistungen gegenüber dem Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt abrechnet.

§ 12 Laufzeit

Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2000 in Kraft; sie kann mit einer Frist von 3 Monaten zu einem Quartalsende - erstmals zum 31. Dezember 2000 - gekündigt werden.

...„

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2011 trat der Antragsteller mit dem Ziel an die Antragsgegnerin heran, die Vergütung für die einzelnen Leistungen nach dem SGB XII zu erhöhen. Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 führte der Antragsteller aus, die Vergütungsregelungen zu den Leistungsbereichen “sonstige Hilfen„, Eingliederungshilfe und Schulintegration seien zum 31. Dezember 2011 durch ihn gekündigt worden. Er forderte einen Preis von 32,37 € für den Bereich Schulintegration, 34,74 € für den Bereich Eingliederungshilfe und 35,60 € für den Bereich “Sonstige Hilfen„. Er begründete dies mit einer prospektiven Kalkulation auf der Basis des Tarifvertrags zur Anwendung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD-VKA, BT-B) auf den A. e.V., dessen Abschluss der Antragsteller mit Wirkung zum 1. Juli 2...

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