Rz. 4

Pflegebedürftig i. S. v. § 3 Nr. 36 EStG ist, wer gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten ausweist, sei es im körperlichen, kognitiven oder psychischen Bereich, und deshalb auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, der Hilfe durch andere bedarf (§ 14 Abs. 1 SGB XI).

 

Rz. 5

Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zunächst, dass es sich um körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie um Hilfen bei der Haushaltsführung der pflegebedürftigen Person handelt. Dieses Tatbestandsmerkmal ist ab 2017 an die Stelle des 2016 geltenden Tatbestandsmerkmals "Leistungen zur Grundpflege oder zur hauswirtschaftlichen Versorgung" getreten. Inhaltlich handelt es sich um eine bloße redaktionelle Änderung.[1] Erfasst sind sämtliche Leistungen im Rahmen der sog. häuslichen Pflegehilfe nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI. Solche Leistungen werden regelmäßig im eigenen Haushalt der pflegebedürftigen Person oder im Haushalt der Angehörigen erbracht. Nicht zulässig ist eine häusliche Pflege in stationären Pflegeeinrichtungen oder in Krankenhäusern (§ 36 Abs. 4 S. 1 SGB XI). Zulässig ist jedoch die Pflege in einem eigenen Haushalt der pflegebedürftigen Person, der in einem Seniorenwohnheim oder in einer vergleichbaren Behinderteneinrichtung geführt wird.

 

Rz. 5a

Die Finanzverwaltung wendet die Steuerbefreiung neben den weitergeleiteten Pflegegeldern der Leistungsträger für selbst beschaffte Pflegehilfen gem. § 37 SGB V auch auf die vergleichbaren weitergeleiteten Erstattungen für die nach § 38 Abs. 4 SGB V selbstbeschafften Haushaltshilfen, für die Verhinderungspflege gem. § 39 SGB XI, für die entsprechenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, Unfallfürsorge und Unfallversorgung, der Beihilfe während der Zeit des aktiven Dienstes und der Sozialhilfe nach dem SGB XII sowie für entsprechende Leistungen aus dem Ausland oder von zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen an.[2]

 

Rz. 6

Steuerbegünstigt kann die Pflegeleistung zudem nur durch einen Angehörigen der pflegebedürftigen Person oder durch eine andere Pflegeperson in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erbracht werden. Gegenleistungen der pflegebedürftigen Person an andere Pflegepersonen, die zu der Pflege sittlich nicht verpflichtet sind, sind nicht steuerbefreit. Nicht begünstigt ist also z. B. die bloße Nachbarschaftshilfe.

 

Rz. 7

Angehörige sind gem. § 15 AO Verlobte, Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner (§ 2 Abs. 8 EStG), Verwandte in gerader Linie (also Großeltern, Eltern, Kinder und Enkel), Verschwägerte in gerader Linie (also Ehegatten mit deren Verwandten in gerader Linie), Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Geschwister der Eltern, Pflegeeltern und Pflegekinder. Bei diesem Personenkreis kommt es auf das Bestehen einer konkreten sittlichen Verpflichtung zur Erbringung der Pflegeleistung nicht an.

 

Rz. 8

Bei anderen Personen als Angehörigen der pflegebedürftigen Person ist es hingegen erforderlich, dass die Pflegeperson mit der Pflegeleistung eine sittliche Pflicht i. S. d. § 33 Abs. 2 EStG gegenüber der zu pflegenden Person erfüllt. Dies setzt voraus, dass sich die Pflegeperson aus sittlichen Gründen und damit nach dem mutmaßlichen Urteil eines billig und gerecht denkenden Menschen der Pflegeleistung nicht entziehen kann. Die Pflicht muss also derart unabdingbar auf den Stpfl. einwirken, dass ihre Erfüllung als selbstverständlich erwartet und die Missachtung dieser Erwartung als moralisch-anstößig empfunden wird.[3] Das ist z. B. bei der Pflege des Partners einer langjährigen Lebensgemeinschaft oder der Pflege einer Nachbarin, die ihrerseits langjährig nahe Angehörige des Stpfl. gepflegt hat, anzunehmen. Eine solche sittliche Verpflichtung zur Pflege ist aber – anders als im Rahmen von § 33b Abs. 6 EStG[4] – nicht bereits dann anzuerkennen, wenn zwar eine enge, aber keine familiäre persönliche Beziehung zu der gepflegten Person besteht.[5] Die Finanzverwaltung nimmt eine sittliche Pflicht regelmäßig an, wenn die Pflegeperson nur für eine pflegebedürftige Person (also nicht wiederholt) tätig wird.[6]

 

Rz. 9

Steuerfrei sind die Einnahmen der Pflegeperson nur bis zur Höhe des Pflegegelds, das die gepflegte Person nach § 37 SGB XI erhält, mindestens aber bis zur Höhe des Entlastungsbetrags nach § 45b Abs. 1 S. 1 SGB XI.[7] Wie S. 2 deutlich macht (s. Rz. 12), reicht es auch im Rahmen des § 3 Nr. 36 S. 1 EStG nicht aus, auf einen bestehenden, aber nicht geltend gemachten Anspruch abzustellen. Ohne Mitwirkung der Pflegeversicherung wird der Stpfl. ohnehin nicht in der Lage sein, die Höhe eines fiktiven Anspruchs darzulegen. Ohne Bedeutung für die Steuerbefreiung ist es, ob die empfangene Leistung unmittelbar und in voller Höhe an die Pflegeperson weitergeleitet wird. Sämtliche Einnahmen – dazu gehören im Übrigen auch Sachbezüge i. S. v. § 8 Abs. 2 EStG – sind bei der Pflegeperson im Rahmen des durch die Höhe der weitergeleiteten P...

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