In Art. 45 Abs. 2 AEUV findet sich das Verbot der Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (umgekehrt: ein Gebot zur Inländergleichbehandlung). Daher darf ein EU-Bürger, der in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit sucht oder eine Beschäftigung gefunden hat, nicht schlechter behandelt werden als Inländer in vergleichbarer Position. Dieser Grundsatz konkretisiert das in Art. 18 AEUV enthaltene allgemeine Verbot der Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, das insoweit verdrängt wird.[1] Auch hier finden sich trotz der unmittelbaren Geltung des Art. 45 Abs. 2 AEUV weitere Präzisierungen im Sekundärrecht, insbesondere in der Verordnung (EU) 492/2011.

Durch Art. 45 Abs. 2 AEUV sind unmittelbar wie mittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlungen[2] verboten. Mittelbare Diskriminierungen liegen oft vor, wenn eine nationale Regelung eine Benachteiligung wegen eines ausländischen Wohnsitzes vorsieht.[3] Ebenso mittelbar diskriminierend können steuerliche Nachteile – auch im Zusammenhang mit der Berechnung der Höhe des Krankengelds[4] – oder der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten für die Einordnung in höhere Entlohnungsstufen[5] Wanderarbeitnehmer betreffen.[6] Eine mittelbare Diskriminierung ist aber auch gegenüber Inländern möglich, wenn ihnen aus einem Sachverhalt mit Auslandsbezug Nachteile erwachsen.[7] Eine mittelbare Diskriminierung kommt insbesondere in Betracht bei Nichtanerkennung ausländischer Befähigungszeugnisse.[8] Die Richtlinie 2005/36/EWG[9] regelt die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen. Nach dieser Richtlinie und der Rechtsprechung des EuGH müssen in einem sachlichen Verfahren die attestierten Fähigkeiten mit dem nationalen Abschluss verglichen werden. Ergibt diese Prüfung eine objektive Gleichwertigkeit, darf die Anerkennung nicht versagt werden.[10] In diesem Fall darf auch nicht die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren verlangt werden, dem sich ein Inländer nicht unterziehen muss.[11]

Zulässige mittelbare Diskriminierungen sind hingegen Bedingungen, die besondere Sprachkenntnisse für bestimmte Stellen betreffen.[12] Allerdings stellt es eine unzulässige mittelbare Diskriminierung dar, wenn der Nachweis nur in einer Region zu erlangen ist.[13] Mittelbare Diskriminierungen können aber nach den allgemeinen Regeln gerechtfertigt werden.[14] Das Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV gilt nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch für kollektive[15] oder einzelvertragliche[16] Regelungen im Arbeitsbereich, d. h. für Private. Wegen Art. 3 Abs. 1 bzw. Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EU) 492/2011 ist die diskriminierende Regelung unwirksam, es kommt zur "Anpassung nach oben".[17] Seit dem 1.4.2012 ist überdies das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Anerkennungsgesetz) in Kraft, das auch auf Personen aus Drittstaaten bzw. auf in Drittstaaten erworbene Qualifikationen anwendbar ist.[18]

[1] EuGH, Urteil v. 13.4.2000, C-176/97 – Lehtonen.
[2] Zur Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung vgl. Abschnitt 3.1.
[4] EuGH, Urteil v. 18.1.2007, C-332/05 – Celozzi, IStR 2007 S. 146.
[5] EuGH, Urteil v. 5.12.2013, C-514/12 – Zentralbetriebsrat; vgl. auch EuGH, Urteil v. 13.3.2019, C-437/17 – Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort.
[9] ABl. Nr. L 255 v. 30.9.2005, S. 22 hat die Richtlinie 49/48/EWG zur Anerkennung von Hochschuldiplomen und die Richtlinie 92/51/EWG zur Anerkennung von Befähigungsnachweisen unterhalb des Hochschulabschlusses ersetzt.
[10] EuGH, Urteil v. 7.5.1991, C-340/89 – Vlassopoulou.
[12] Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 1612/68/EWG, abgelöst durch (EU) 492/2011 zum 16.6.2011.
[13] EuGH, Urteil v. 6.6.2000, C-281/98 – Angonese; EuGH, Urteil v. 5.2.2015, C 317/14 – Kommission ./. Belgien.
[15] Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EU) 492/2011 im Anschluss an EuGH, Urteil v. 12.12.1974, C-36/74 – Walrave; EuGH, Urteil v. 16.3.2010, C-325/08 – Olympique Lyonnais.
[17] Vgl. nur EuGH, Urteil v. 26.1.1999, C-18/95 – Terhoeve.
[18] Vgl. zur Begründung den Gesetzentwurf, BT-Drs. 17/6260 S. 1 und 2.

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