Fragen des Arbeitgebers zu akuten oder chronischen Krankheiten des Bewerbers können unter bestimmten Umständen zulässig sein. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die potenzielle Erkrankung des Bewerbers ein unmittelbares Risiko bei Durchführung der künftigen Tätigkeit darstellt.

Nach den Maßstäben des § 8 Abs. 1 AGG muss das Fehlen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung eine "unverzichtbare Voraussetzung für die fragliche Stelle"[1] darstellen. Ein Bewerber wäre also nicht alleine deshalb ungeeignet, weil er krankheitsbedingt häufig ausfallen wird, solange er die geschuldete Tätigkeit an sich noch erbringen kann. In diesem Sinn hat das BAG[2] entschieden, dass "alleine das Interesse des Arbeitgebers, die Anzahl von krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten möglichst gering zu halten," im Auswahlverfahren keine berufliche Anforderung i. S. d. § 8 AGG darstellt.

Andererseits entscheidet das BAG in einem Fall einer personenbedingten Kündigung wegen häufiger Fehlzeiten aufgrund einer chronischen Erkrankung zugunsten des Arbeitgebers.[3] Der Senat geht zwar davon aus, dass der klagende Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung eine Behinderung gehabt haben könnte. Dessen ungeachtet stört er sich nicht daran, dass ihm wegen seiner Fehlzeiten gekündigt wurde, "weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der Arbeitgeber gegenüber einem anderen Arbeitnehmer ohne Behinderung mit Arbeitsunfähigkeiten in gleichem oder auch nur ähnlichem Umfang keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde." Dies widerspricht der erstgenannten Einstellung des 9. Senats, weil ja die häufigen Fehlzeiten gerade aufgrund einer Schwerbehinderung (der chronischen Erkrankung) entstehen.

Der Arbeitgeber soll also Bewerber bei der Einstellung wegen absehbarer häufiger Erkrankungen nicht ablehnen dürfen, aber später darf er sie personenbedingt kündigen?

Dies wird in der Literatur – zu Recht – zugunsten der Arbeitgeber abgelehnt. Demnach "sollte an der jahrzehntelangen Rechtsprechung des BAG zur krankheitsbedingten Kündigung festgehalten werden. Danach ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn signifikante Fehlzeiten eines Arbeitnehmers erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Interessen des Betriebs tangieren. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung, auf der die Fehlzeiten basieren, als Behinderung i. S. d. § 1 AGG einzustufen ist.[4] Konsequenterweise müssen daher jedenfalls massive Ausfallzeiten auch im Stadium der Vertragsanbahnung berücksichtigt werden können."[5]

[4] ErfK/Preis, 10. Aufl. (2010), § 611 BGB, Rz. 296; Genenger, AuR 2009, S. 285; Iraschko-Luscher/Kiekenbeck, NZA 2009, S. 1239 (1240).
[5] Bayreuther, NZA 2010, S. 679 (681).

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