Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Versicherungspflicht der Mitglieder eines Rundfunkorchesters. Voraussetzungen für das Bestehen eines mittelbaren Beschäftigungsverhältnisses.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1949-06-17; AVG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17; RVO § 1226 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17; AVAVG § 69

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. Januar 1955 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Am 1. Juli 1951 schloß das Amt des U.S.-Hochkommissars für Deutschland mit dem Kläger einen Vertrag über Spezialdienstleistungen ("expert services") unter Verwendung eines Formulars, das nur in einzelnen Punkten einer individuellen Vertragsgestaltung Raum ließ. In dem Vertrage - im folgenden mit "Rias-Vertrag" bezeichnet - heißt es in deutscher Übersetzung:

"Amt des U.S.-Hochkommissars für Deutschland

Vertrags-Nr. S 636 FA 1973

RIAS-Serien-Nr. 494

Vertrag über Spezialdienstleistungen

Kontrahent und Anschrift: Unterhaltungsorchester

A... W...

B...

B...

P...

Vertrag über: Dienstleistungen von Musikern für Unterhaltungsmusik

Bezahlung: Ist vom Disbursing Officer, H I C O G, in B..., Deutschland, vorzunehmen.

Vertrag über Spezialdienstleistungen

Dieser Vertrag, den am 1. Juli 1951 die Vereinigten Staaten von Amerika (weiterhin hier als Regierung bezeichnet), vertreten durch den Contracting Officer (Vertragsschließenden Beamten), der diesen Vertrag vornimmt, und

das Unterhaltungsorchester A... W... eine Person der Stadt B..., Deutschland, die hier weiterhin als Kontrahent bezeichnet wird, eingegangen sind, beurkundet,

daß die Erbringung der Arbeit und Dienstleistungen, die in diesem Vertrag in der hierin beabsichtigten Art später beschrieben werden, durch Gesetz genehmigt ist, und

daß der Kontrahent, der persönlich tätig wird, besonders dazu qualifiziert ist, die betreffenden Arbeiten und Dienstleistungen auszuführen.

Somit kommen die Parteien hiernach wie folgt gegenseitig überein:

Artikel 1. Art. und Umfang der Dienstleistungen.

Der Kontrahent erbringt die folgenden Dienstleistungen:

Das Unterhaltungsorchester A... W... das aus bis zu zehn Musikern besteht, ist verpflichtet, Konzertmusik darzubieten, entweder vermittels Aufnahmen oder im Original, je nachdem, wie es gefordert werden kann. Jede Originalsendung kann bis zu einer Stunde dauern, jede Aufnahme bis zu 4 oder 5 Stunden, wobei ein bis zwei Titel aufgenommen werden können.

Der Inhalt der Programme und die Zeiten für Proben und Aufnahmen werden von der Musikabteilung des RIAS zusammen mit dem Unterhaltungsorchester A... W... bestimmt.

Artikel 2. Änderungen.-

Der Vertragsschließende Beamte kann jeder Zeit vermittels einer schriftlichen Anordnung irgendwelche Änderungen dieses Vertrages vornehmen, die entweder die hiernach zu leistende Arbeit erhöhen oder vermindern können. Wenn derartige Änderungen eine Erhöhung oder Verminderung der Arbeiten und Dienstleistungen, die gemäß diesem Vertrag gefordert werden, oder eine Erhöhung oder Verminderung der Zeit, die zu spielen gefordert wird, hervorrufen, ist eine gerechte Berichtigung vorzunehmen, und der Vertrag ist entsprechend schriftlich zu ändern ... .

Artikel 3. Dauer der Dienstleistungen.-

Von Monat zu Monat, jedoch in keinem Fall über den 30. Juni 1952 hinaus, mit dem Vorrecht der Erneuerung für ein Jahr.

Artikel 4. Vergütung des Kontrahenten.-

Die Vergütung für jede Aufnahme oder Originalsendung beträgt..... DM, einschließlich aller Dienstleistungen im Zusammenhang mit Proben, Leihgebühr und Transport der Instrumente. Die Gesamthöhe der Zahlungen, die dem Orchester gemäß der vorliegenden Abmachung zu entrichten sind, werden in keinem Monat..... DM überschreiten.

Artikel 5. Art und Weise der Bezahlung.-

Die Bezahlung ist mindestens einmal in jedem Monat auf Grund eines vom Kontrahenten bescheinigten Belegs in dreifacher Ausfertigung für die Gesamtdienstleistungen vorzunehmen, die während des Monats erbracht worden sind.

Die folgende Bescheinigung ist auf jeder der drei Ausfertigungen des Belegs zu geben:

Ich bescheinige, daß die oben erwähnte Rechnung richtig ist und daß dafür noch keine Bezahlung in Empfang genommen worden ist.

Artikel 6. Besondere Regelungen.-

Die Regierung hat ausschließliche Rechte an allen Tonbandaufnahme, die durch den Kontrahenten hergestellt worden sind, zur Benutzung nach ihrem Ermessen für Rundfunkzwecke durch ihre öffentliche Radiostation RIAS, während der Kontrahent keinerlei Rechte besitzt, von der Regierung Bezahlungen für Wiederholungssendungen zu beanspruchen.

Jede Honoraranweisung wird vom Rias auf den Namen des Kontrahenten ausgestellt. Kein einzelner Musiker des Unterhaltungsorchesters Adolf W... kann irgendeinen Anspruch gegenüber dem RIAS stellen. Die Bezahlung wird im Bruttobetrag vorgenommen. Der Kontrahent ist für die Erfüllung der in Westberlin in Kraft befindlichen Währungs- und Steuerbestimmungen verantwortlich.

Artikel 7. Entscheidungen des Vertragsschließenden Beamten.

Der Umfang und die Art der Arbeiten und Dienstleistungen, die von dem Kontrahenten zu erbringen sind, unterliegen der allgemeinen Aufsicht, Anweisung, Kontrolle und Genehmigung des Vertragsschließenden Beamten, dem der Kontrahent Bericht zu erstatten hat und verantwortlich ist. Im Falle irgendwelcher Streitfragen im Hinblick auf den Umfang und die Art der zu leistenden Arbeit greifen die Entscheidungen des Vertragsschließenden Beamten Platz, aber der Kontrahent hat das Recht des Einspruchs, wie in Artikel 8 vorgesehen.

Artikel 8. Streitfälle ......

Artikel 9. Kündigung.-

a) Die Regierung kann diesen Vertrag jederzeit und aus jedem Grunde vermittels einer schriftlichen Mitteilung des Vertragsschließenden Beamten an den Kontrahenten beenden. Nach Erhalt einer derartigen Mitteilung hat der Kontrahent, wenn es die Mitteilung nicht anders bestimmt, unmittelbar seine Arbeit und Dienstleistung einzustellen.

b) Wenn der Vertrag zur Zufriedenheit der Regierung beendet wird, erhält der Kontrahent unverzüglich für den Teil der gemäß dem Vertrag zu erbringenden Arbeit und Dienstleistung, den die tatsächlich ausgeführten Arbeiten und Dienstleistungen im Verhältnis zu den gemäß dem Vertrag erforderlichen Gesamtarbeiten und -Dienstleistungen darstellen, Bezahlung, abzüglich irgendwelcher vorher vorgenommenen Zahlungen.

.............

Zur Beurkundung dieses Vertrages haben die davon betroffenen Parteien diesen Vertrag an dem Tage und in dem Jahr, die anfangs genannt sind, unterschrieben.

Die Vereinigten Staaten von Amerika

I.A. gez.: W... H. Sh..., Jr.

 W... H. Sh..., Jr.

gez.: H.F. R...

(Contracting Officer)

gez.: A... W...

 (Kontrahent)

Auf Grund dieses Vertrages sah die ehemalige Versicherungsanstalt B..., spätere Krankenversicherungsanstalt B..., jetzige Allgemeine Ortskrankenkasse B...- AOK. - den Kläger als Arbeitgeber der in seinem Orchester tätigen Musiker an und forderte ihn mit Schreiben vom 14. November 1951 auf, den Beginn oder die Beendigung der Beschäftigung eines Musikers jeweils innerhalb von drei Tagen zu melden, jeweils bis zum 7. eines Monats die Beiträge für den Vormonat zu entrichten und die Beitragsnachweisung zu erstatten sowie die bereits aufgelaufenen Beiträge für die Monate Juli, August und September 1951 in Höhe von zusammen 3.057 DM abzuführen. Der Kläger legte gegen seine "Erfassung zur Beitragspflicht" am 23. November 1951 Beschwerde beim Beschwerdeausschuß der Versicherungsanstalt Berlin ein mit der Begründung, er sei nicht Arbeitgeber der Musiker.

Der Beschwerdeausschuß wies durch Entscheidung vom 11. Februar 1952 die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurück. Er sah den Kläger als Arbeitgeber der Orchestermitglieder an. Seine Verpflichtungen aus dem Vertrage könne er nur erfüllen, wenn seine Musiker in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu ihm ständen. Anhaltspunkte für die Annahme einer Orchestergesellschaft des Klägers und der Musiker seien nicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger mit der (weiteren) Beschwerde an den Bezirksberufungsausschuß des Sozialversicherungsamts B.... Dieser wies die Beschwerde durch Entscheidung vom 30. Juli 1952 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Orchestermitglieder seien nicht selbständige Musiker. Um einen gesellschaftsähnlichen Zusammenschluß namhafter Virtuosen handele es sich nicht, wie der Vertrag zeige, der nicht die Namen der einzelnen Musiker, sondern nur ihre Zahl genannt habe. Die Rechtsprechung sehe den Kapellmeister als Arbeitgeber seiner Orchestermitglieder an, wenn es sich um ein ständiges in sich zusammenhängendes Orchester handele, das als Ganzes Konzerte veranstalte und zu diesem Zweck Verträge abschließe, wobei es gleichgültig sei, ob die Initiative zu diesen Verträgen von einem bestehenden Orchester ausgehe oder ob ein Unternehmer einen bekannten Orchesterleiter anrege, für Konzerte ein Orchester zusammenzustellen. Der Kläger habe den Vertrag als Leiter eines selbständigen Orchesters unterschrieben; mit ihm sei auch die Honorarabrechnung getätigt worden und deshalb sei er für die Vertragsdauer als Arbeitgeber der Musiker anzusehen. Schließlich sei sein Vertragspartner die amerikanische Regierung gewesen, die Exterritorialität genieße, so daß der Kläger auch aus diesem Grunde die Pflichten des Arbeitgebers zu erfüllen habe.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die beim Spruchausschuß des Sozialversicherungsamts B... eingelegte (weitere) Beschwerde des Klägers.

Der Spruchausschuß zog vier Musiker aus dem Orchester des Klägers - die jetzigen Beigeladenen - zu dem Verfahren hinzu. Nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ging der Rechtsstreit auf das Landessozialgericht (LSG.) Berlin über. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. legte der Kläger drei eidesstattliche Versicherungen vor, in denen drei Musiker seines Orchesters wörtlich übereinstimmend erklärten: "Ich bin Mitglied der Kapelle A.W. und habe als solches regelmäßig von dem mir ausgezahlten Anteil die Arbeitnehmer- wie die Arbeitgeberbeiträge für Angestellten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung entsprechend der Höhe meines Einkommens abgeführt. Daneben zahle ich noch meine Einkommensteuer selbständig."

Durch Urteil vom 28. Januar 1955 hob das LSG. die Entscheidungen des Bezirksberufungsausschusses des Sozialversicherungsamts Berlin und des Beschwerdeausschusses der Versicherungsanstalt Berlin auf und stelle fest, daß der Kläger nicht Arbeitgeber der in seinem Orchester tätigen Musiker sei. Das "Orchester A.W." sei eine Vereinigung selbständiger Musiker auf gesellschafts- oder genossenschaftsähnlicher Basis unter dem Namen des Orchesterleiters als "Firmenbezeichnung", deren Zweck die Erfüllung der Vertragspflicht des Orchesters und deren Ziel der Gewinn aus dem Vertrag sei. Der Kläger habe nach außen gewissermaßen die Stellung eines Obmannes, einer Mittelsperson, die der eines Akkordanten vergleichbar sei, der den Vertrag als indirekter oder mittelbarer Stellvertreter für seine Musiker und gleichzeitig im eigenen Namen abgeschlossen habe. Jedenfalls habe sich aus den Umständen ergeben, daß er die Musiker seines Orchesters vertrete, auch wenn er dies nicht ausdrücklich erklärt habe. In dieser Stellung könne der Kläger nicht als Arbeitgeber seiner Musiker betrachtet werden; denn Arbeitgeber sei nach der sozialversicherungsrechtlichen Judikatur, wer einen persönlich und wirtschaftlich von ihm abhängigen Arbeitnehmer beschäftige, wer die oberste Befehls- und Verfügungsgewalt über seine Arbeitskraft, seine Einstellung, Verwendung und Entlassung habe, wer zu leitenden Anweisungen bezüglich der Arbeitsausführung berechtigt sei und den Erfolg aus der Arbeitsleistung habe. Wirtschaftlich seien die Musiker nicht vom Kläger, sondern von dem amerikanischen Vertragspartner abhängig gewesen, denn sie hätten - wenn auch durch den Kläger - ihr Honorar von diesem erhalten. Der Kläger besitze auch keine oberste Verfügungsgewalt. Diese werde nach Art. 7 des Vertrages vom "Contracting Officer" ausgeübt, der "die allgemeine Aufsicht, Anweisung, Kontrolle und Genehmigung über den Umfang und die Art der Arbeiten und Dienstleistungen" ausübe, die von dem Orchester zu erbringen seien. Nicht einmal hinsichtlich der Programme und Aufnahmezeiten könne der Kläger eigenmächtig Weisungen erteilen, sondern nach Art. 1 Abs. 3 des Vertrages nur in Fühlungnahme mit der Musikabteilung des RIAS. Der Erfolg der Orchestertätigkeit komme schließlich allein dem amerikanischen Vertragspartner bzw. dem RIAS zugute, der auch das Wagnis des Erfolgs trage. Aus Art. 6 Abs. 2 des Vertrages ergebe sich kein Anhaltspunkt für die Arbeitgeberstellung des Klägers; denn aus dieser Bestimmung ergebe sich keine Verantwortung des Klägers für die Zahlung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dagegen spreche es für die Stellung der Orchestermitglieder als freischaffende Künstler, daß sie keinen Anspruch auf ein festes Monatsgehalt, auf Urlaub oder auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfalle hätten. Nur wenn man das Orchester als "festgefügtes Musikunternehmen" betrachten wolle, ändere sich das Ergebnis; denn dann seien die Musiker mit festem Gehalt oder Gewinnbeteiligung als Angestellte des Musikunternehmers anzusehen.

Mit der - vom LSG. zugelassenen - Revision rügt die Beklagte Verletzung des § 103 SGG. Das LSG. sei zu seiner Schlußfolgerung, das Unterhaltungsorchester A... W... sei eine Vereinigung von selbständigen Musikern auf gesellschafts- oder genossenschaftsähnlicher Basis, gelangt, ohne den Sachverhalt in dieser Richtung aufzuklären. Es habe nicht ermittelt, welche Abmachungen zwischen dem Kläger und den einzelnen Orchestermitgliedern tatsächlich getroffen worden seien.

Die Beklagte beantragt

die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit der Feststellung, daß der Kläger Unternehmer des "Unterhaltungsorchesters A.W." sei und als Arbeitgeber seiner Musiker die Sozialversicherungsbeiträge für diese zu entrichten habe.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das LSG. habe die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und den Orchestermitgliedern zutreffend gewürdigt.

II.

Die Revision ist begründet.

Das LSG. hat seine im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung, "daß der Kläger nicht Arbeitgeber der in seinem Orchester tätigen Musiker ist", darauf gestützt, daß es sich bei dem Orchester A... W... um eine Vereinigung von selbständigen Musikern auf gesellschafts- oder genossenschaftlicher Basis handele. Es hat diese Auffassung im wesentlichen aus einer Auslegung des RIAS-Vertrags gewonnen. Mit Recht erblickt die Revision eine Verletzung des § 103 SGG darin, daß das LSG. davon abgesehen hat aufzuklären, welche Abreden zwischen dem Kläger und den Musikern seines Orchesters über die Gestaltung des Rechtsverhältnisses der Orchestergemeinschaft getroffen worden sind. Der RIAS-Vertrag ist zwischen dem Amt des US.-Hochkommissars für Deutschland und dem Kläger abgeschlossen. Nach dem Vertrage sollten nur für den Kläger, nicht auch für die anderen Musiker des Unterhaltungsorchesters Adolf W... Rechte und Pflichten begründet werden, wie sich insbesondere aus Art. 6 des Vertrages ergibt, wonach jede Honoraranweisung vom RIAS (= "Rundfunk im amerikanischen Sektor" als Außenstelle des US.-Hochkommissars) auf den Namen des Kontrahenten ausgestellt wird und kein einzelner Musiker des Unterhaltungsorchesters irgendeinen Anspruch gegenüber RIAS stellen kann. Zwar konnten diese Freizeichnungsklauseln, auch wenn sie für die Ermittlung des erklärten Vertragswillens bedeutsam sind, nicht unter allen Umständen ausschließen, daß entgegen den ausdrücklichen Erklärungen unmittelbare arbeitsrechtliche Beziehungen zwischen RIAS und den einzelnen Orchestermusikern entstanden (vgl. BSG. Bd. 8 S. 278 [283]; vgl. auch die Urteile des BAG. mit ähnlichen Sachverhalten wie hier in BAG. Bd. 4 S. 93 [97] = AP. § 611 BGB "Mittelbares Arbeitsverhältnis" Nr. 2 und in BAG. Bd. 6 S. 232 [237]). Bietet somit der schriftliche RIAS-Vertrag für sich allein keine ausreichende Grundlage, um die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen RIAS und den einzelnen Orchestermusikern abschließend zu würdigen, so gilt das erst recht für die Frage, in welchen arbeits- und versicherungsrechtlichen Beziehungen die Orchestermusiker zum Kläger stehen. Denn der RIAS-Vertrag ließ völlig offen, wie der Kläger zur Durchführung seiner Verpflichtungen aus dem RIAS-Vertrag das Orchester - "bis zu zehn Musikern" umfassend (Art. 1 des Vertrages)- aufbaute. Insoweit standen dem Kläger mehrere Möglichkeiten zu Gebote. Er konnte Arbeitsverträge mit einzelnen Musikern schließen, die dann in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu ihm traten. Denkbar ist aber auch ein Gesellschaftsverhältnis, wie es das LSG. angenommen hat. Die Beiträge von Gesellschaftern können auch in der Leistung von Diensten bestehen (§ 706 Abs. 3 BGB). Indessen bedarf es zur Begründung eines solchen Gesellschaftsverhältnisses eines alle Gesellschafter umfassenden Gesellschaftsvertrags (§ 705 BGB), der insbesondere die Geschäftsführung (§ 710 BGB) und die Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn und Verlust der Gesellschaft (§ 722 BGB) regelt. Im vorliegenden Streitfall würde somit nur dann ein Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und den Musikern des Unterhaltungsorchesters Adolf W... angenommen werden können, wenn sie gemeinsam durch einander entsprechende Willenserklärungen die alle Gesellschafter betreffenden Fragen, insbesondere die Gewinnverteilung, geregelt hätten (vgl. Anleitung des Reichsversicherungsamts über den Kreis der nach der RVO gegen Invalidität und Krankheit versicherten Personen, - bearbeitet von J. Kreil [1933] S. 64, 65). Feststellungen hierüber hat das LSG. nicht getroffen. Das angefochtene Urteil muß deshalb aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 SGG).

Sollte nach dem Ergebnis der Sachaufklärung feststehen, daß die vom Kläger eingestellten Musiker nicht mit diesem zusammen eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bilden, sondern vom Kläger als Arbeitnehmer eingestellt worden sind, so kann die Entscheidung des Rechtsstreits auch von der Art der rechtlichen Beziehungen zwischen RIAS und dem Kläger abhängen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, daß die Umstände des Falles es in besonderem Maße geboten erscheinen lassen, nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks - im RIAS-Vertrag - zu haften, sondern den wirklichen Willen der Vertragsparteien zu erforschen (§ 133 BGB). Der Vertrag ist von einer Dienststelle der Vereinigten Staaten von Amerika entworfen und in englischer Sprache unter Verwendung von Vorstellungen und Begriffen des Rechts der Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen worden, die sich nicht ohne weiteres auf die deutsche Rechtsordnung übertragen lassen. Es wird daher entscheidend für die Auslegung des Vertrags darauf ankommen, wie er von den Vertragsparteien verstanden und praktisch gehandhabt worden ist, ob insbesondere der Kläger die Stellung eines selbständigen Unternehmers gehabt hat, der - je nach dem Inhalt der von ihm mit den einzelnen Musikern abgeschlossenen Verträge und der Ausführung seines RIAS-Vertrages - Risiko und Chance eines Unternehmers getragen hat. Hiernach könnte sich ergeben, daß zwischen dem Kläger und RIAS ein Werkvertrag (vgl. die Auffassung der Landesarbeitsgerichte in den schon zitierten Entscheidungen BAG. Bd. 4 S. 93 [96] und Bd. 6 S. 232 [238]) oder ein Dienstvertrag über Dienstleistungen selbständiger Art, verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. Bd. 1 S. 211; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. 1 S. 730; vgl. auch BAG. Bd. 6 S. 245), oder ein Arbeitsvertrag (vgl. BAG. Bd. 4 S. 96 f.) vorliegt. In den beiden ersten Fällen wäre der Kläger allein Arbeitgeber der in dem Unterhaltungsorchester Adolf W... beschäftigten Musiker. Ein "mittelbares Arbeitsverhältnis", das auch RIAS als mittelbaren Arbeitgeber umfassen würde, könnte nur dann angenommen werden, wenn auch der Kläger als Mittelsperson Arbeitnehmer wäre (vgl. die oben angeführte Anleitung des Reichsversicherungsamts, bearbeitet von J. Kreil (1933), S. 46; Dersch, Arbeitsrecht-Blattei zu D Arbeitsvertrag-Arbeitsverhältnis III, Mittelbares Arbeitsverhältnis I 1; Nikisch a.a.O. S. 209); denn die Arbeitnehmer eines selbständigen Unternehmers brauchen in der Regel keinen zusätzlichen Schutz (BAG. Bd. 4 S. 98). Wäre der Kläger als Arbeitnehmer des RIAS anzusehen, so würde es für die Annahme eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses mit der hierbei zwangsläufigen Teilung der Arbeitgeberfunktionen auch von Bedeutung sein, ob ein Schutzbedürfnis der Orchestermusiker die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten durch RIAS als mittelbaren Arbeitgeber als gerechtfertigt erscheinen läßt. Nur eine solche Schutzbedürftigkeit, wie sie in dem vom Senat am 4. Dezember 1958 entschiedenen Fall (BSG. Bd. 8 S. 278 [283 f.]) vorausgesetzt ist, rechtfertigt die dem Sozialversicherungsrecht sonst fremde Aufspaltung von Arbeitgeberfunktionen (vgl. für das Arbeitsrecht BAG. Bd. 4 S. 99; noch stärker einschränkend Bd. 6 S. 241 ff.).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird das LSG. ferner "die vom Kläger erhobenen Ansprüche" (§ 123 SGG) zu klären haben. In dem angefochtenen und aufgehobenen Urteil ist als Streitgegenstand allein die Feststellung angesehen worden, daß der Kläger nicht Arbeitgeber der in seinem Orchester tätigen Musiker ist. Diese Deutung des Klagebegehrens erscheint in mehrfacher Hinsicht unzulänglich. Ausgangspunkt des Streitverfahrens und ursprünglicher Beschwerdegegenstand ist der Beitragsbescheid der Versicherungsanstalt B... vom 14. November 1951, mit dem die Beitragsschuld des Klägers für die Monate Juli bis September 1951 festgesetzt und der Kläger zur laufenden Beitragsentrichtung für die bei ihm beschäftigten Musiker von Oktober 1951 an aufgefordert wurde. Es könnte sein, daß der Kläger mit der Anfechtung dieses Verwaltungsakts eine - weitergehende - negative Feststellungsklage verbunden hat. Diese Klage könnte nach den hier gegebenen Verhältnissen nur "die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses" im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG betreffen. Eine solche Feststellung dürfte -allein schon wegen der Möglichkeit, daß einzelne Musiker wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze aus der Versicherungspflicht in einzelnen oder allen Versicherungszweigen ausgeschieden sein könnten- nur individuell, d.h. in Bezug auf einzelne bestimmte Musiker, getroffen werden. Eine mit der Anfechtung des Beitragsbescheids verbundene Feststellungsklage des Klägers müßte demnach erkennen lassen, für welche Musiker - gegebenenfalls getrennt nach Beschäftigungszeiten und Versicherungszweigen - er die Feststellung begehrt, daß sie nicht bei ihm versicherungspflichtig beschäftigt sind.

Schließlich wird das LSG. zu prüfen haben, ob die Träger der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung beizuladen sind (§ 75 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324704

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