TOP 1 § 13 SGB V - Kostenerstattung, Art. 56 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union;

hier: Inanspruchnahme von Privatkliniken im Ausland auf der Grundlage von § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V

Sachstand:

Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Dabei dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind (Alternative 1) oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (Alternative 2). Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 1 bis 3 und 6 SGB V).

Abweichend davon können gemäß § 13 Abs. 5 SGB V in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der entsprechenden Bestimmungen im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten (vgl. Art. 56 Satz 1 AEUV [Vorgängervorschrift Art. 49 EG-Vertrag - inhaltlich in Bezug auf das Verbot der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs unverändert]). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kam bereits in mehreren Entscheidungen zu dem Ergebnis, dass die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGVertrag auch im Bereich der sozialen Sicherheit mit der Konsequenz gelten, dass sich Versicherte Versicherungsleistungen gegen Kostenerstattung zu Lasten öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger selbst beschaffen können (vgl. z. B. Urteile des EuGH in den Rechtssachen "Kohll" vom 28.04.1998 – C-158/96 -, "Smits und Peerbooms" vom 12.07.2001 – C-157/99 – sowie "Müller- Fauré/van Riet" vom 13.05.2003 – C-385/99 -).

Gemäß Art. 5 Abs. 1a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen können die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit nicht aufgrund der Berufsqualifikationen einschränken, wenn der Dienstleister zur Ausübung desselben Berufs rechtmäßig in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist. Die Richtlinie 2005/36/EG ersetzt die am 20. Oktober 2007 außer Kraft gesetzte Richtlinie 93/16/EWG und beinhaltet unverändert Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung ärztlicher Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise (vgl. Art. 24 bis 30 und Anhang V, Abschnitt V.1. der Richtlinie 2005/36/EG).

Aus der Praxis wurde die Frage aufgeworfen, ob zu den Leistungserbringern gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 SGB V auch Privatkliniken im Ausland zu zählen sind, so dass Versicherte – anders als in Deutschland – diese in Anspruch nehmen und einen Kostenerstattungsanspruch gegen ihre Krankenkasse geltend machen können.

In seinem Urteil vom 19.04.2007 – C-444/05 – ("Stamatelaki") hatte der EuGH die Frage zu entscheiden, ob Art. 49 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 AEUV) einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Erstattung der Behandlungskosten von über 14 Jahre alten Versicherten in einer ausländischen Privatklinik durch einen inländischen Sozialversicherungsträger ausschließt. Konkret begehrte der in Griechenland Versicherte von seiner Versicherungseinrichtung die Erstattung der Kosten seiner stationären Behandlung in einer Privatklinik im Vereinigten Königreich. Die gesetzlichen Regelungen in Griechenland sahen (mit wenigen Ausnahmen) zu diesem Zeitpunkt vor, dass ein Patient, der in Griechenland bei einem Träger der sozialen Sicherheit versichert ist, nichts zu bezahlen hat, wenn er in einem öffentlic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge