Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung von Hilfsmittelversorgungen nach § 33 Abs 1 SGB 5 von solchen nach § 40 SGB 11 im Bereich der häuslichen Pflege

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung, ob ein Hilfsmittel den in § 33 SGB 5 genannten Zielen der Krankenversicherung oder den in § 40 SGB 11 postulierten Zwecken der Pflegeversicherung dient, orientiert sich ausschließlich an den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen. Die Aufnahme eines Hilfsmittels in ein Hilfsmittelverzeichnis, sei es in das der Krankenversicherung oder in das der Pflegeversicherung, bestimmt hingegen nicht die Zugehörigkeit zum jeweiligen Leistungsumfang des Versicherungsträgers. Das gemäß § 128 SGB 5 von den Spitzenverbänden der Krankenkassen errichtete Hilfsmittelverzeichnis stellt eine Meinungsäußerung der Spitzenverbände dar; es regelt die Zuordnung der Hilfsmittel zum jeweiligen Leistungsumfang des Versicherungsträgers rechtlich nicht verbindlich, sondern ist als unverbindliche Auslegungshilfe gedacht.

2. Gleiches gilt vom Hilfsmittelverzeichnis der Pflegeversicherung, das gem § 78 SGB 11 von den Spitzenverbänden der Pflegekassen errichtet wird. Eine normative Wirkung kommt beiden Hilfsmittelverzeichnissen nicht zu. Damit orientiert sich die Zuordnung eines bestimmten Hilfsmittels ausschließlich an den vorgenannten §§ 33 SGB 5 und 40 SGB 11. Voraussetzung für die Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB 5 zu Lasten der Krankenversicherung ist, dass mittels dieses Gegenstandes einer drohenden Behinderung vorgebeugt oder eine Behinderung ausgeglichen bzw der Erfolg der Krankenbehandlung gesichert werden kann (§ 33 Abs 1 S 1 SGB 5). Das Gesetz sichert dem Versicherten einen solchen Versorgungsanspruch zu, wenn die Zuordnung eines entsprechenden Hilfsmittels im Einzelfall erforderlich ist, um die Zielsetzung der Krankenversicherung zu erreichen.

3. Der Gesetzestext des § 40 Abs 1 S 1 SGB 11 legt nahe, dass es Hilfsmittel gibt, die der Erleichterung der Pflege oder der Linderung von Beschwerden dienen und zugleich beispielsweise einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine solche ausgleichen können. Wenn nach dem Wortlaut des § 78 SGB 11 im Verzeichnis der Pflegehilfsmittel nur solche Mittel aufgeführt werden dürfen, die im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung nicht enthalten sind, so begründet dies kein gesetzliches Abgrenzungskriterium zwischen den Zielen der Krankenversicherung und den Zielen der Pflegeversicherung, die allein in § 33 SGB 5 und § 40 SGB 11 definiert sind. In der Literatur wird explizit darauf hingewiesen, dass Mittel, die nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, nicht gleichsam automatisch von der Leistungspflicht der Pflegeversicherung ausgegrenzt sind. Wenn sie im Einzelfall notwendig sind, können sie auch beansprucht werden, obwohl sie im Pflegehilfsmittelverzeichnis nicht enthalten sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.11.2007; Aktenzeichen B 3 A 1/07 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

II. Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Kern darüber, ob die Klägerin als Pflegekasse - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ihren pflegebedürftigen Mitgliedern solche Hilfsmittel nicht zur Verfügung stellen darf, die im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung aufgeführt sind.

Dieser Auffassung hängt der Beklagte an. Er erließ in Ausübung seines Aufsichtsrechts am 14.03.2001 eine Verpflichtungsanordnung im Wesentlichen mit dem Inhalt, die Ausgaben für Pflegehilfsmittel nach § 40 des Elften Sozialgesetzbuchs (SGB XI) bis 31.07.2001 zu korrigieren, die in einer Beanstandung vom 20.08.1996 als Fehlbuchungen bezeichnet worden waren. Als Fehlbuchungen zu Lasten der Pflegeversicherung wurden "die Buchungen" für solche Hilfsmittel bezeichnet, die bereits im Hilfsmittelverzeichnis gem. § 128 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) enthalten bzw. im Pflegehilfsmittelverzeichnis gem. § 78 SGB XI nicht aufgeführt sind. Davon ausgenommen sollten lediglich konkrete Einzelfälle bleiben, für die dann umfassend begründet und dokumentiert werden müsse, dass ein solches Hilfsmittel ausschließlich der Erleichterung der Pflege diene. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG). Im zugleich betriebenen Eilverfahren ordnete das Bayerische Landessozialgericht im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 09.11.2001 die aufschiebende Wirkung der Klage im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes an.

Während des Klageverfahrens ersetzte der Beklagte mit Bescheid vom 14.08.2001 seine frühere Verpflichtungsanordnung vom 14.03.2001. Er ordnete an, dass die Klägerin ab sofort Hilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherung enthalten sind, nicht mehr zu Lasten der Pflegekasse bewilligen dürfe und dass bis 31.01.2002 alle bisherigen Fälle festzustellen seien, in denen nach dem 19.08.1996 solche Hilfsmittel zu Lasten der...

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