Agile Coaches als Change- und Transformationsbegleiter

Agile Coachs sind inzwischen sehr gefragt, wenn Unternehmen Change- und Transformationsprojekte umsetzen, bei denen außer dem Weg zum Ziel auch das Ziel selbst unter Vorbehalt steht. Sie sollen eine Rolle als Unterstützer und Begleiter im Projekt übernehmen. Doch was zeichnet einen agilen Coach aus? Und wie können Unternehmen diese am besten einsetzen, auswählen und weiterbilden?

In Unternehmen laufen viele Change- und Transformationsprojekte, bei denen die Projektverantwortlichen heute bereits wissen: Das Projektziel muss im Projektverlauf vermutlich noch häufig den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden, weshalb auch das aktuelle Projektdesign geändert werden muss. Um Projekte wie diese zum Erfolg zu führen, genügt es nicht, in der Organisation agile Projektmanagement-Methoden einzuführen und die Strukturen zu verändern. Vielmehr ist bereichs- und funktionsübergreifend ein agiles Mindset nötig.

Ein solches Mindset lässt sich jedoch nicht per Dekret verordnen, sondern entwickelt sich erst allmählich in einem Changeprozess. Hier können Agile Coaches aktiv Unterstützung leisten - für Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen. Doch was genau ist die Rolle oder Funktion eines Agile Coachs und welches Kompetenz- und Persönlichkeitsprofil sollte er oder sie haben?

Agile Coaches mit System auswählen

Nicht selten werden im Betriebsalltag Projektmanager, Scrum Master oder Organisationsentwickler ohne eine spezielle Vorbereitung zu Agile Coaches ernannt. Die Praxis zeigt jedoch: Eine hohe persönliche Affinität zu diesem Thema und eine mehr oder minder solide Methodenkenntnis allein genügen in der Regel nicht, um diese Funktion adäquat wahrzunehmen. Deshalb haben inzwischen viele Unternehmen für ihre angehenden Agile Coaches Fortbildungen organisiert, die ihnen das erforderliche Know-how und Können vermitteln.

Bei deren Konzeption sollte bedacht werden: Eine Agile-Coach-Ausbildung muss den Teilnehmenden auch das Mindset vermitteln, das Agile Coaches für ihre Arbeit brauchen. Denn dieses entscheidet letztlich darüber, was die Agile Coaches den Mitarbeitenden vermitteln und ob die Methoden adäquat eingesetzt werden. Agile Coaches sind letztlich:

  • Ermutiger, neue Wege zu beschreiten oder auszuprobieren,
  • Motivatoren, um auch bei Widerständen und Rückschlägen am Ball zu bleiben, und
  • Multiplikatoren von Ideen, Wissen und Erfahrung.

Also lautet eine zentrale Frage: Was multiplizieren Agile Coaches? Nur Methoden-Know-how oder auch die für ein agiles Arbeiten nötige Einstellung und Haltung? Die Antwort hängt vom Konzept der Ausbildung und von der Auswahl der künftigen Agile Coaches ab.

Anforderungsprofil für Agile Coaches

Die Praxis zeigt, dass für die Arbeit als Agile Coach unter anderem folgende Kompetenzen bzw. Fähigkeiten wichtig sind:

  • beziehungsgestaltende Kompetenzen: z. B. ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten inklusive der Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu gestalten. Außerdem Team- und Kooperationsfähigkeit und ein Agile Leadership-Verständnis.
  • kognitive und (selbst-/emotions-)regulatorische Fähigkeiten: u.a. geistige Wendigkeit, Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz.
  • Fähigkeit zur Selbststeuerung: z. B. das eigene Verhalten beobachten, differenziert bewerten und nachjustieren können.

Diese Fähigkeiten bzw. Kompetenzen erleichtern es unter anderem, Ambiguitäten - also Mehrdeutigkeiten - souverän zu begegnen, Veränderungen offen anzugehen und sich schnell in einen volatilen Rahmen einzufinden, der durch wechselnde Rollen statt durch starre Strukturen und Hierarchien geprägt ist.

Agile Coach: Mehrstufiges Auswahlverfahren

Grundsätzlich können sich alle Mitarbeitenden und Führungskräfte auf die "agile Reise" begeben. Wichtig ist es aber, den Ausgangspunkt der Teilnehmenden zu kennen, um eine individuelle Förderung und Entwicklung zu ermöglichen. Deshalb empfiehlt sich in der Praxis folgendes mehrstufige Vorgehen.

Vor dem Start der Agile-Coach-Ausbildung führt das Unternehmen mit den potenziellen Teilnehmern und Teilnehmerinnen einen "Agile Awareness Workshop" durch – also einen Workshop, der ein Grundverständnis dafür schafft, was

  • agile Transformation überhaupt bedeutet,
  • welche Dimensionen dieser (Change-)Prozess berührt und
  • was die Aufgaben und Rollen eines Agile Coaches im Unternehmensalltag sind.

So vorbereitet und informiert erhalten die Interessenten und Interessentinnen gegen Ende des Workshops eine "Hausaufgabe", die der nochmaligen Reflektion ihrer Motivation für die Ausbildung dient. Zudem werden sie gebeten, einen Persönlichkeitstest auszufüllen, der der Ermittlung ihrer Stärken und Lernfelder beim Wahrnehmen der Aufgaben eines Agile Coaches dient.

Danach werden die Kandidatinnen und Kandidaten zu einem "Agile Attitude Development Day" eingeladen. Dort reflektieren sie im Kollegenkreis nochmals, was sie dazu motiviert, eventuell ein Agile Coach zu werden, und mit welcher Haltung sie sich den Themen Transformation sowie Change und Agilität nähern. Dabei werden sie spielerisch auch mit den agilen Prinzipien vertraut gemacht und setzen sich in verschiedenen Settings mit ihren künftigen Aufgaben und sich selbst auseinander.

Gegen Ende des Workshops erhalten alle Teilnehmenden ein individuelles Feedback und die Auswertung des Persönlichkeitstests, um fundiert entscheiden zu können: "Ja, ich will ein Agile Coach werden" oder "Ich kann in einer anderen Funktion mehr zur Transformation unserer Organisation beitragen".

Auch agile Coaches reifen nur allmählich

Der Vorteil eines solchen mehrstufigen Auswahlvorfahrens ist: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen sich schon vor Beginn der Agile-Coach-Ausbildung intensiv mit dem für die Themen Agilität und Transformation nötigen Mindset auseinander. Zudem wird von Anfang an deutlich, wie wichtig eine hohe Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe sind, damit Menschen ihre Einstellungen und ihr gewohntes Agieren reflektieren und zu einer Änderung ihrer Haltung und ihres Verhaltens bereit sind. Denn dies zu erreichen, ist eine der Kernaufgaben eines Agile Coaches.

Die Ausbildung zum Agile Coach selbst sollte modular aufgebaut, damit die für die Arbeit nötige Einstellung und Haltung mit der Zeit reifen können. Deshalb sollten in der Ausbildung neben der Methodenvermittlung auch die Themen Selbstreflexion und Reflexion der gemachten Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Denn nur so entwickeln sich die angehenden Coaches weiter und es entsteht bei ihnen allmählich die Haltung und Verhaltenssicherheit, die sie für ihre Arbeit in einem von Veränderung geprägten Umfeld brauchen.

Agile Coaches benötigen Digitalkompetenz

Seit dem Ausbruch der Coronapandemie 2020 werden in vielen Agile-Coach-Ausbildungen, die ursprünglich reine Präsenzveranstaltungen waren, zumindest einige Module online durchgeführt. Dies hat oft Vorteile. So signalisieren zum Beispiel die Teilnehmenden an Online-Ausbildungen, die bereits herausfordernde Jobs in ihren Unternehmen haben, sie könnten das Online-Lernen besser in ihren Arbeitsalltag integrieren. Außerdem betonen sie nahezu übereinstimmend: Das Online-Lernen und -Trainieren sowie dessen Reflexion in der Ausbildungsgruppe erhöht zugleich die Digitalkompetenz.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen spielt bei den meisten Change- und Transformationsprojekten in den Unternehmen auch das Thema Digitalisierung eine zentrale Rolle – und dies wird sich in den kommenden Jahren vermutlich noch verstärken, wenn das Thema "Künstliche Intelligenz" zu einem wichtigen Change-Treiber wird. Deshalb müssen Agile Coaches in Regel auch eine gewisse Digitalkompetenz und -reife haben.

Hinzu kommt, speziell bei bereichs-, standort- oder gar unternehmensübergreifenden Projekten: In ihnen erfolgen die Koordination der Zusammenarbeit und zumindest die Alltagskommunikation meist digital. Deshalb ist es ein Plus, wenn die künftigen Agile Coaches in ihrer Agile-Coach-Ausbildung den professionellen Umgang mit den dabei genutzten Kollaboration- und Kommunikationstools bereits einüben. Verfügen die Agile Coaches in diesem Bereich bereits über eine fundierte Erfahrung, hilft dies viele Irritationen zu vermeiden, die bei der Online-Kommunikation und digitalen Zusammenarbeit schnell entstehen.


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