Change Management: Zehn Thesen für Führungskräfte

Neue Strukturen und neue Prozesse allein sind keine Transformation. Für den Erfolg ist es entscheidend, dass die Menschen mitziehen. Das müssen Führungskräfte einsehen, appelliert Katja Nagel. In zehn Thesen erklärt die Beraterin, wie Change Management gelingen kann.

Die Menschen, die nicht mit anpacken können, weil sie blockiert sind, besorgt sind, nicht verstehen, werden zum kritischen Erfolgsfaktor einer Transformation. Der Bedarf, systematisch und methodisch und zielgerichtet eine Organisation weiterzuentwickeln, Transformationen nicht scheitern zu lassen an den Unfähigkeiten des eigenen Unternehmens, bleibt. Change Management als die Lehre und Umsetzung von den handelnden Personen, die eine Transformation am Ende stemmen müssen, übersieht man im Management gerne, sei es, weil man vor so vielen Themen und Meilensteinen und Aufgabenpaketen wirklich keinen Blick dafür hat, sei es, weil man schlicht nicht gelernt habt, damit umzugehen – in jedem Fall addiert es persönlich empfundene Komplexität. Darum an dieser Stelle zehn Thesen, wie Change Management heute und morgen gelingt.

Vorweg: Change ist ein Tauschgeschäft

Tausche aktuelles Wissen gegen Zukunftsbild. Tausche Sicherheit in Prozessen und Strukturen gegen aufregende Neuerungen und Entdeckungen. Tausche bekannte Silos und Seilschaften gegen neue Verbindungen und Vernetzungen. Wenn Change aber ein Tauschgeschäft ist, dann gilt es darauf zu achten, dass dem Neuen ein Wert beigemessen werden kann, für den sich der Tausch lohnt – oder, so man denn zum Tausch gezwungen wird, sich dieser Tausch dann zumindest bei genauerem Hinsehen als gar nicht so übel herausstellt. Und Organisationen und Individuen, die schon öfters solche Tauschgeschäfte erlebt haben, werden souveräner auch in der Phase der Transition, wo sie einem Sprinter gleich mit dem einen Fuß den Boden nicht mehr berühren, derweil sie mit dem anderen Fuß noch nicht aufgesetzt haben: sie halten diesen Zustand der Schwebe immer routinierter und belastbarer aus.

These 1: Ein präzises Zukunftsbild schaffen

Wachrütteln ist angesagt, oder Dornröschen wecken. Es braucht ein sinnhaftes und präzises Zukunftsbild, wohin die Reise gehen soll, um zu wissen, wofür man die Sicherheit von heute eintauschen soll. Im Grunde ein Tauschgeschäft von Sicherheit zu Aufbruch. Insbesondere in erfolgsverwöhnten Organisationen. Hier schleicht sich eine selbstgefällige Trägheit ein. Oft wird unterschätzt, wie wichtig es ist, dass unsere Vorstellungskraft mitspielt und ein lohnendes Bild der Zukunft in unserem Kopf zeichnet.

These 2: Die Vergangenheit war nicht schlecht

Wie oft wird das Bisherige schlecht gemacht, um sinnhaft das Neue zu argumentieren. Falsch. Menschen können nicht umgehen mit dem Gefühl, jahrelang etwas falsch gemacht zu haben, wenn sie sich gleichzeitig erfolgreich fühlen. Und in diese Seelennot muss auch niemand versetzt werden. Jeder sollte in Frieden mit der Vergangenheit abschließen dürfen, als eine Zeit mit anderen Herausforderungen und anderen Antworten darauf als heute. Insofern braucht es ganz klare Aussagen, dass das Neue nicht etwa Altes ablöst, das schlecht war, sondern eine schlüssige Weiterentwicklung ist.

These 3: "So will ich auch sein/werden"

Wir Menschen nehmen uns gerne ein Beispiel an anderen, im Guten wie im Schlechten. Wir sind Nachahmer in der Evolution der Menschheit. Auch in einer Transformation halten wir Ausschau nach dem, dem wir es gleichtun wollen und können – insbesondere, wenn wir unsicher sind und unsicheres Terrain betreten. Es braucht also Vorbilder im Top Management, die für Inspiration sorgen. Nicht viel Gerede, aber viel Gemache, sehr sichtbare Veränderungsimpulse in die Organisation. Organisationen sind der vielen professionellen Worte von Kommunikationsabteilungen müd. Nie müde aber wird man, wenn direkt vor einem jemand das Richtige tut und wir das Gefühl bekommen "Genau, so muss es sein – ich will auch".

These 4: Es braucht nicht den einen Super Hero

Viele Manager leben im Paradigma der eigenen Gestaltungsgrenzen zugunsten des einen Superstars, des CEOs, der alles treibt und zentraler Motor der Transformation ist. Diese Mono-Kultur ist überholt, der König ist tot, es lebe das Königreich. Aber selbstverständlich braucht es die Legitimation für die Transformation, die Sicherheit, dass der CEO (und das Top Management-Team) sie mitträgt, dass die Transformation also tatsächlich gewünscht ist. Das gibt Rückhalt und ein wenig von der Sicherheit zurück, die an so vielen Stellen verlorengeht.

These 5: "Ich habe eigene Ideen!"

Es braucht Raum für eigene Entwicklung, eigene Ideen und gemeinsame Aufgaben – neben der klaren Linienorganisation sozusagen Schattennetzwerke, die vorauseilen mit Ideen und Umsetzung. Klassische Einbindung über feste, kontrollierte Entry Gates ist überholt. Der Wunschtraum der vollständigen Kontrolle einer Organisation über komplett kontrollierte Transformationsprozesse ist ausgeträumt. Nur wer mitmacht, kann gewinnen. Beteiligung für alle, die wollen, ist essenziell.

These 6: "Unbekanntes ist spannend!"

Es braucht einen Vorstand, der möglichst mit einer Stimme (warum und wie) spricht und eine kritische Masse im Management-Team, die auf der Ebene unter dem Vorstand einig, motiviert und offen für das Neue ist: Experimentieren ist Trumpf. Keine Angst vor dem Versagen, also eine echte Fehlerkultur. Es braucht sehr viel Power in Emotionen (insbesondere in typisch Deutsch geprägten Headquarters) und neue Wege, die den Weg frei machen aus der Risikoaversion der Mehrheit, hin zu einer Aufbruchstimmung.

These 7: Raus aus der Kuschelecke

Zu vielen Managern fehlt der Mut. Das haben wir jahrelang in vielen Organisationen nicht trainiert und nicht als wünschenswert und lohnend sozialisiert. Wir müssen den Wolf in jedem wecken, wir sind zu viele Schafe. Es braucht eine schlüssige Strategie und eine klare Kommunikation über die Maßnahmen und Ziele und deren Notwendigkeit. Und darüber, wie das Projekt zum zukünftigen Erfolg des Unternehmens beiträgt, aber auch über Fehler und Schwierigkeiten. Viele Führungskräfte scheuen sich, die Dinge unbarmherzig beim Namen zu nennen. Aber wir hören eh so ungern, was wir nicht hören wollen. Wenn dann auch noch gemurmelt wird, hören wir es gleich doppelt nicht. Bitte also keine Hofberichterstattung, die ist unglaubwürdig. Und bitte Klarheit und Transparenz. Lernen aus den Fehlern im Prozess ist angesagt.

These 8: "Wo ist mein Hammer?"

Es braucht Change Tools, Formate und Hilfsmittel für Führungskräfte und Mitarbeitende, um ihren eigenen Weg in ihren Abteilungen zu gehen. Tools nur für Leader sind out, zu hierarchisch gedacht. Zu oft liegt der Fokus im Change Management auf den Führungskräften. Aber Revolutionen entstehen selten aus der Mitte der Gesellschaft.

These 9: Leuchtturmprojekte sind Trumpf

Die deutsche Seele liebt die detailreiche Planung einer (ungewissen) Zukunft – vielleicht, um sich zu beruhigen und der Illusion zu verfallen, durch die Planung die Zukunft beherrschbarer gemacht zu haben. Stattdessen ist es besser, den Fokus darauf zu legen, frühzeitig sehr sichtbare Erfolge zu schaffen. Das verlängert den Atem der Organisation.

These 10: Konsequenz ist nicht nur in der Erziehung eine Tugend

Konsequente Sanktionierung von Brandstiftern und Trennung von den ewig Gestrigen – allein schon, um ein Zeichen zu setzen – und die Organisation nicht unnötig zu belasten.

Perfekte Lösung gesucht? Change of Change Management!

Immer mehr Unternehmen und Führungskräfte sind auf der Suche nach der perfekten Lösung (die es nicht gibt). Manager von morgen sind allesamt Change Manager. Wenn Transformation Wagnis und Aufbruch in das Neue bedeutet, wie könnte sie dann aber für Change Manager Kontinuität verheißen? Auch das Change Management wird sich ein Stück weit neu erfinden müssen. Alte Zöpfe abschneiden ist auch eine Forderung an das Change Management selbst. Und damit entsteht nicht nur Kompetenz, sondern auch Glaubwürdigkeit.


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