Zwölf Tipps für bessere Entscheidungen

Führungskräfte und HR-Manager müssen immer wieder schwierige Entscheidungen treffen. Beraterin und Buchautorin Johanna Dahm zeigt, wie Sie in zwölf Schritten zur Entscheidungsfindung gelangen.

Schockstarre und Zukunftsangst sind die Gefühle der Krise. Wenn Entscheider ängstlich sind, treffen sie oft keine schwerwiegenden Entscheidungen oder sie zögern und treffen diese zu spät. Fehler-Angst, Schwierigkeiten sich zu entschließen und Verantwortung für Negativ-Entwicklungen, das beunruhigt Wirtschaft, Unternehmen und Politik besonders in Zeiten von Pandemie und Krieg. Niemand weiß, wohin Entscheidungen führen, wie sie die Gesellschaft (oder das Unternehmen) verändern und wie die Zukunft aussieht.

Ohne Entscheidungen keine Veränderung

Fakt ist: Entscheidungen sind keine konstante Größe. Dennoch: Sobald der Mensch eine Entscheidung getroffen hat, entsteht Agilität, Veränderungsfähigkeit und Bewegung. Aber dürfen Entscheidungen ständig wechseln? Hat man ein Ziel erreicht, wenn man eine Entscheidung getroffen hat? Was kann man tun, wenn man die falsche Entscheidung getroffen hat? Gibt es überhaupt falsche Entscheidungen? Und sollte man zügig oder langsam zu einem Entschluss kommen?

In 12 Schritten zu besseren Entscheidungen

Die Organisationsentwicklerin, Beraterin und Buchautorin Johanna Dahm hat in ihrem neuen Buch "Atlas der Entscheider", das im Juni erscheint, ein 12-Punkte-Programm zur Entscheidungsfindung entwickelt, das wir hier in Auszügen vorstellen.

1. Klare Ziele festlegen und Probleme erkennen

Welche Ist-Situation besteht in der Gegenwart? Welche Ist-Situation soll in der Zukunft erreicht werden? Hier geht es um die genaue Definition von dem, was erreicht werden soll: Per Ausschlussprinzip von allem Ungewollten trennen und ehrlich mit sich selbst sein. Wo beides noch zu wenig klar ist, möglichst präzise und ohne Konditionen formulieren. Oft sind im persönlichen ebenso wie im unternehmerischen Kontext Ziele zu generisch und werden hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit zerredet. Deshalb klare Ziele stellen!

2. Mutig Visionen entwickeln

Von dem, was gewollt ist, sollte eine Vision entstehen. Eine Vision beschreibt, was im Unternehmen oder in Politik und Gesellschaft in der Zukunft erreicht werden soll. Die Vision sollte auf einen längeren Zeitpunkt ausgelegt sein. Hierbei sollen die Strategien, die Werte und die Kultur einer Organisation ausführlich beschrieben sein. Wichtig: Mut haben, groß zu denken und sich nicht in Details verlieren.

3. Szenariotechnik: Worst-Case-Szenario kreieren

Was kann im schlimmsten Fall durch die getroffene Entscheidung passieren? In diesem Schritt sollten verschiedene Ereignisse, die in der Zukunft eintreten könnten, gedanklich und spielerisch inszeniert werden. Der ”Worst-Case“ ist dabei das für das Unternehmen und die politische Entscheidung ungünstigste Ergebnis. Das sollte thematisiert werden. Wer viel will, muss viel tun. Ziele werden oft durch Bequemlichkeit nicht erreicht, da scheitert es schon an der Entscheidung, die Komfortzone zu verlassen.

Aber bitte mal die Frage stellen: Was kann bei Verzögerungen, bei Nichterreichen von Zielen, beim Fortbestehen unternehmerischer oder politischer Engpässe passieren? Und welche Folgen hat dies schlimmstenfalls für die Öffentlichkeit, Kunden, Mitarbeitende und die Stellung des Wettbewerbers? Wenn auch unpopulär, so lohnt es sich doch, gemeinsam mit Entscheidern und Führungskräften Notfallpläne, Krisenpläne und Backups zu entwickeln, um fokussiert die Zielerreichung anzustreben, Einwände von Kunden und Investoren auszuhebeln und sich vor Augen zu führen, dass Nicht-Handeln keine Option ist.

4. Balance aus Kontrolle und Vertrauen

Jede politische und unternehmerische Entscheidung soll optimal abgesichert sein. Das Recherchevolumen im Vorfeld einer Entscheidung kann aus Angst vor dem Verpassen der besseren Option (Fear of better option, FOBO) schon mal antiproportional ansteigen. Am größten ist die Angst, etwas falsch zu machen. Zwar wird seitens vieler Unternehmen eine positive Fehlerkultur proklamiert. Im Alltag aber das Gegenteil gelebt. Die Folge: Bei möglichen Worst-Case-Szenarien werden Optionen nicht mehr erwogen, Prioritäten falsch gesetzt, Deadlines verpasst. Das kostet Zeit, Geld und Nerven.

Ein Wort zur Situation in Unternehmen: Bereits die Delegation von Verantwortung fällt den meisten Chefs schwer. Sie trauen ihren Mitarbeitenden nur sehr bedingt eigenständige Entscheidungen zu, nach dem Motto "Vertrauen ist gut, Kontrolle besser".  Es löst fast Entsetzen aus, Informationen auf dem Weg zur Entscheidung zu verpassen (Fear of missing out, FOMO). Es fehlt das Vertrauen in die eigene Mannschaft, was die E-Mail-Fülle in CC, BCC und die Tausende Stunden von Abstimmungsmeetings erklärt: im Mittel 7.000 Stunden pro Jahr und Kopf. Viele Chefs geben zwar vor, ihren Mitarbeitenden freie Hand zu lassen, in Wahrheit wollen sie aber doch alle Entscheidungen selbst treffen.

Die allseits beklagte Komplexität und der angewachsene Handlungsdruck sind also vielfach hausgemacht, weswegen akute Krisensituationen dann umso schlechter bewältigt werden können.

5. Recherche- und Entscheidungszeit verkürzen

Ein ambitioniertes Timing, maximal 30 bis 40 Prozent der üblichen Recherche und Entscheidungsfindung sollte vorgegeben sein, das vereinfacht den Entscheidungsprozess und erlaubt im Anschluss mehr Zeit für die Umsetzung. Verkürzte Klausurtagungen, Meetings, Ausschlussverfahren und Thinktanks sowie das Vertrauen auf "gut ist gut genug" unterstützen Entscheidungsprozesse.

Ein Tipp: Meetings oder Klausurtagungen im Stehen abhalten und auch remote die Rollen für Moderation, Protokolle etc. rotieren.

6. Optionen aussortieren und Abstimmen

Entscheidungen können beschleunigt werden, indem allzu ähnliche Optionen aussortiert und nur klare Zuordnungen wie "gut oder schlecht" bzw. "ja oder nein" zugelassen werden. Einmal aussortierte Alternativen werden auch im Nachgang nicht mehr zugelassen. Hier helfen die Einführung und Wahrung strikter Spielregeln. Führungskräfte können Vor-Entscheidungen sehr gut delegieren und auch in Meetings ihren Teams die besten Optionen präsentieren lassen. Im Nachgang wird dann nur noch abgestimmt.

7. Intuition und Bauchgefühl nicht ignorieren

Bei einer intuitiven Entscheidung können Entscheider nie begründen, warum man für oder gegen etwas ist. Bauchgefühl kann richtig sein, muss aber nicht. Wenn die Fakten mit der Intuition übereinstimmen (Kopf und Bauch), stehen die Chancen für die Umsetzung einer Entscheidung am besten. Ein schlechtes Bauchgefühl sollte nicht ignoriert werden.

Optimal ist es, auch den inneren Kompass zu hinterfragen, da dadurch frühere Ereignisse und subjektives Empfinden ebenso wie negative Erfahrungen in bestimmten Situationen fehlgeleitet werden können. Gerade in Gruppen-Entscheidungen sollten "innere" Stimmen ruhig kommuniziert, aber nicht für allzu bare Münze genommen werden, da sie ursächlich meist eine private Historie haben.

9. Entscheidung nie ohne Plan B treffen

"Die Kunst beim Entscheiden ist es, einerseits entschlossen, andererseits flexibel zu sein". Oft wird die Frage gestellt, wie man eine 100 Prozent sichere Entscheidung treffen könne. Vor allen Dingen hinsichtlich politischer Belange, Investments oder mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunft. Eine nachvollziehbare Frage. Wichtiger als die Sicherheit ist die Entschlusskraft, also die Einstellung, auch bei sich verändernden Umfeld-Faktoren hinter der eigenen Entscheidung zu stehen und diese auch umzusetzen.

Oft verfügen Entscheider in Wirtschaft und Politik nicht über ausreichende Flexibilität, um auch bei Unwägbarkeit auf dem Weg zum Ziel den angestrebten Zustand tatsächlich zu erreichen. Und Sie geben auf. Statt euphorisch einem Ziel hinterherzuhetzen, sollten im strategischen Plan und im anvisierten Erfolg kalkulierte Misserfolge aufgestellt werden. Auf Planänderungen sollte man vorbereitet sein, sonst lösen sie Stress aus, den man sich hätte ersparen können. Denn ein gut ausgearbeiteter Plan B wirkt Stress entgegen und beruhigt!

10. Perfektionismus ablegen

Perfektionismus: Lieber alles richtig machen und alle Fehler vermeiden (auch um sich um die Meinung anderer keine Gedanken machen zu müssen) und darum lieber alle Möglichkeiten offenhalten und gar nicht entscheiden. Schlicht um die eigene Komfortzone nicht zu verlassen und kein Neuland betreten zu müssen, in dem wir uns weniger sicher fühlen. Ob im Unternehmen oder im Privatleben geht der Veränderungsdruck damit einher, dass wir nach der besten Option streben, und das am besten für die Ewigkeit. Liegt ja auch erst einmal auf der Hand, denn wir wollen Verschlechterungen verhindern und die deutliche Verbesserung erzielen.

In der Folge recherchieren wir dann oft so lange und selektieren zwischen den zur Verfügung stehenden Optionen so intensiv, dass wir darüber die eigentliche Entscheidung hinauszögern, manchmal sogar vergessen. Das Beste oder nichts, sagen Menschen des Entscheidungs-Typen "Fear of better option", also Angst, die beste Option zu verpassen. Und diese haben das Ziel der eindeutig besten Alternative. Und das Ziel an sich steht oft hinten an. Die Tendenz, Entscheidungsprozesse zu verkomplizieren, ist hier eine große Gefahr. Dabei resultieren aus Entscheidungen Erfahrungen und diese sind die Grundlage für Wachstum und persönliche Reife.

11. Von den Besten der Geschichte lernen und im Zweifel externe Unterstützung suchen

Jeden Tag verlangt uns das Leben Entscheidungen in Wirtschaft und Politik ab. Manche haben nur einen kurzfristigen Effekt. Andere begleiten die Gesellschaft ein Leben lang. Entscheidungen fallen immer schwerer und die wirtschaftliche Krisensituation bestärkt das noch. Die Entwicklung der Märkte ist kaum noch zu sehen. Die Angst, mit einer Entscheidung das Unternehmen oder die eigene Karriere in die falsche Richtung zu lenken, wächst. Für viele Fragen bedarf es profunder Ratgeber und Ratgeberinnen, die einen professionellen Hintergrund haben. Der pragmatische Ansatz, von den Besten zu lernen, ist auch bei Entscheidungen eine wichtige Methode. Von dem "Erfolgswissen" hochrangiger Persönlichkeiten können alle profitieren.

12. Prioritäten stets vor Augen haben

Was wirklich wichtig ist, das können sich selbst Entscheider in Krisen nicht mehr richtig beantworten. Dabei kann es einfach sein, Prioritäten zu erkennen. Und vorm Treffen einer Entscheidung sollten wir uns stets die wichtigste Faustformel als Frage stellen: Ist das wichtig in den nächsten zehn Stunden? Wenn nein, dann in den nächsten 10 Monaten? Oder gar Jahren? Und wenn das alles nicht der Fall ist, dann sollte man es ruhig angehen lassen.

Belohnung für "falsche" Entscheidungen

Um Ängste vor Entscheidungen zu nehmen, sollte man die beste Entscheidung, die nicht funktioniert hat, belohnen. Ganz gemäß Google, die einen Preis für die beste missglückte Idee ausschreiben.


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