Vertragsgestaltung Work from anywhere

Mitarbeitermotivation und der Zugriff auf einen globalen Arbeitsmarkt sind Gründe für viele Unternehmen, das Arbeiten auch aus dem Ausland zu erlauben. Wir zeigen, welchen vertraglichen und rechtlichen Rahmen Unternehmen bei "Work from Anywhere" geben müssen und wie sie schon mit kleinen Zugeständnissen Zufriedenheit schaffen.

"Workation", "Work from anywhere", "Arbeit am Urlaubsort" – die vollkommene Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes wünschen sich immer mehr Beschäftigte. Der Gedanke scheint erstaunlich simpel: Wenn zufriedenstellend aus dem Homeoffice gearbeitet werden kann, warum dann nicht auch aus dem Ausland? So kann Urlaub mit Arbeit verbunden, der Feierabend unter Palmen verbracht oder vom (Zweit-)Wohnsitz im Ausland aus für den Arbeitgeber in Deutschland gearbeitet werden.

Die Hälfte der Unternehmen macht Workations bereits möglich

Von Unternehmensseite wird diesen Wünschen zunehmend entgegengekommen. So zeigt eine Studie von KPMG (Work from anywhere), dass ungefähr die Hälfte aller befragten Unternehmen in Deutschland (51 Prozent) ihren Beschäftigten erlaubt, zumindest zeitweise aus dem Ausland zu arbeiten. Studienautor Dr. Tobias Preising, Partner im Bereich Tax, Global Mobility Services bei KPMG, führt das vor allem darauf zurück, dass die Unternehmen das Thema Flexibilisierung des Arbeitsplatzes als Benefit zur Mitarbeitermotivation erkannt haben. Einen weiteren Grund sieht er auch in der Erweiterung des Talentpools auf internationaler Ebene, also der grenzüberschreitenden Einstellung von Arbeitskräften, die nicht bereit sind, für ihre Arbeit dauerhaft nach Deutschland zu ziehen. Diese langfristigen oder permanenten Arbeitsmodelle begegnen ihm immer häufiger im Berateralltag.

Work from anywhere aus arbeits- und steuerrechtlicher Sicht

Allerdings, das zeigt die KPMG-Befragung auch, scheint hier vieles zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten noch ungeklärt. So verfügen selbst die Unternehmen, die Workation grundsätzlich erlauben, häufig nicht über klare und verbindliche Regelungen dazu. Es gibt beispielsweise nur in knapp jedem vierten aller befragten Unternehmen (28 Prozent), in dem temporäres Arbeiten aus dem Ausland möglich ist, einen standardisierten Antragsprozess für diesen Wunsch. 49 Prozent der Unternehmen entscheiden über den Antrag auf Workation durch Einzelfallprüfung.

"Ein Vorgehen, das uns erstaunt", erklärt Preising. "Sowohl aus Audit- als auch aus Effizienzgründen", so der KPMG-Experte, "ist ein standardisierter Genehmigungsprozess wichtig". Wobei es tatsächlich schwierig sei, diese neuen Bedürfnisse von Arbeitgeber und Beschäftigten mit der aktuell noch geltenden Rechtslage zu vereinbaren. "Eine EU-umspannende Gesetzgebung, die Workation einfach möglich macht, fehlt leider noch", so Preising. "Vor dem Hintergrund der Homeoffice-Option gibt es nun zwar eine Vereinbarung, wonach Beschäftigte aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht bis zu 50 Prozent aus einem anderen EU-Land arbeiten dürfen, aber auf eine arbeits- und steuerrechtliche Lösung müssen wir wohl noch warten." Doch die Sicherstellung einer A1-Bescheinigung für Sozialversicherungszwecke sowie des korrekten Aufenthaltstitels seien unabdingbare Verpflichtungen des Arbeitgebers, die auch nicht ohne weiteres auf Arbeitnehmende übertragen werden könnten. (Näheres zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Workation lesen Sie hier.)

Länge des Aufenthalts ohne Einfluss auf die Mitarbeitermotivation

Häufig mangelt es in den Unternehmen an Informationen zu den Rahmenbedingungen und Genehmigungsprozessen – in der Studie selbst wissen beispielsweise 16 Prozent der Befragten aus Unternehmen, in denen Workation grundsätzlich möglich ist, nicht, wie viele Tage im Jahr sie aus dem Ausland arbeiten dürfen. Preising empfiehlt in diesem Zusammenhang, von vorneherein einen klaren Rahmen festzulegen: "Wir haben in unserer Studie gesehen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden nicht davon abhängt, ob nun zehn, zwanzig oder dreißig Tage Workation erlaubt sind. Die Zufriedenheit ist vielmehr durchgehend hoch, sobald Arbeitgeber eine faire und einfach zu handhabende Regelung getroffen und transparent kommuniziert haben."

Hush-Trips: Wenn beim Video-Call Palmen auftauchen

Auf ein weiteres Problem in der Praxis weist Preising ebenfalls hin: Viele Beschäftigte arbeiten ohne weitere Absprache mit dem Arbeitgeber kurzfristig aus dem Ausland. "Hush Trips" ist der neue Begriff für die heimliche und nicht genehmigte Verlegung des heimischen Arbeitsplatzes ins Urlaubsland – Remotemöglichkeiten und fehlende Präsenzpflicht machen es möglich. Häufig ist den Beschäftigten selbst nicht bekannt, dass eine solche Verlagerungen des Homeoffice ins Ausland einer Genehmigung durch den Arbeitgeber bedarf. Preising: "Fast jedes Unternehmen, mit dem ich gesprochen habe, kennt die Fälle, in denen beim Videocall plötzlich eine Palme im Hintergrund auftaucht." Und mit Blick auf die Praxis, erklärt er, würden Unternehmen die Fälle, in denen Beschäftigte ohne Absprache länger am Urlaubsort bleiben und von dort aus arbeiten, nie hundertprozentig unterbinden können. Das entbinde die Unternehmen aber nicht von der Pflicht, einen rechtlich fundierten und dokumentierten Rahmen für Workations zu schaffen – insbesondere auch, weil das Thema große Aufmerksamkeit bei den Finanzbehörden habe.

Praktische Gestaltungstipps für "Work from Anywhere"

Unternehmen, die eine zumindest temporäre Beschäftigung aus dem Ausland erlauben wollen, geben die Studienautoren die folgenden Gestaltungstipps:

  • Überprüfen Sie Ihre Work-from-anywhere-Strategie: Definieren Sie, welche Rolle Work from Anywhere kurz-, mittel- und langfristig in Ihrem Unternehmen spielen soll. Wie viel Flexibilität brauchen Sie, um Ihre Business- und Talentziele zu erreichen? Beziehen Sie alle relevanten Stakeholder mit ein und treffen Sie eine Entscheidung, die sich an Ihren Zielen orientiert.
      
  • Start small, grow later: Work from anywhere ist ein sehr junges Thema. Nicht alle Rechtsfragen lassen sich eindeutig beantworten, die Gesetzeslage ändert sich und wird dies auch in den nächsten Jahren weiter tun. Auch zu den langfristigen Auswirkungen auf Mitarbeiterzufriedenheit und Business Impact gibt es keine empirischen Erkenntnisse. Beginnen Sie daher mit kleinen Schritten und überprüfen Sie regelmäßig den Erfolg Ihrer Maßnahmen. Weiten Sie Ihr Work-from-anywhere-Programm nach und nach aus, wenn es für Ihr Unternehmen Sinn ergibt.
      
  • Finden Sie die richtige Balance: Work from anywhere ist eine Abwägung von Flexibilität, Compliance und administrativem Aufwand. Maximale Flexibilität geht häufig zu Lasten von Compliance, zu viel Regulierung führt zu hohem administrativem Aufwand. Entscheiden Sie, wie viel Aufwand und gegebenenfalls welche Kosten Ihr Unternehmen bereit ist, in Kauf zu nehmen, und wie viel rechtliche Absicherung Sie benötigen. Rechtliche und administrative Anforderungen ändern sich, je mehr Work from anywhere sich als Arbeitsmodell etabliert. Überprüfen Sie Ihre Parameter daher regelmäßig.
      
  • Machen Sie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst: Work from anywhere betrifft unterschiedliche Compliance-Gebiete und ist je nach der konkreten Ausgestaltung von kurzfristiger Workation bis zu Hire from anywhere mit unterschiedlichen rechtlichen Risiken verbunden. Diese sollten Sie kennen und daran orientiert rechtlich fundierte Entscheidungen treffen. Beziehen Sie die Compliance-Funktionen Ihres Unternehmens (zum Beispiel Tax, Legal) mit ein und stellen Sie sicher, dass Ihre Work-from-anywhere-Policy, aber auch Ihr Genehmigungsprozess diese Risiken angemessen abbildet und managt.
      
  • "Communication is key": Kommunizieren Sie Ihre Work-from-anywhere-Regelungen an Ihre Mitarbeitenden und stellen Sie Hilfen wie Tutorials, FAQs, Dos and Don‘ts zur Verfügung. Unsere Umfrage zeigt: Je besser und klarer Work from anywhere kommuniziert und promotet wird, desto zufriedener sind Mitarbeitende und desto positiver ist der Effekt am Markt.


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