Studie: Psychopathen missachten Compliance-Regeln

Psychopathen können unter bestimmten Umständen gute Mitarbeiter und Führungskräfte sein, wie Studien gezeigt haben. Uneingeschränkt können Recruiter psychopathische Bewerber, Mitarbeiter und Führungkräfte jedoch nicht zur Einstellung oder Beförderung empfehlen. Warum, legt eine neue Studie dar.

Menschen mit psychopathischen Zügen haben keinen guten Ruf – weder im Privaten noch in Unternehmen. Umso überraschender kamen in den vergangenen Jahren Veröffentlichungen von Forschern daher, die auf die positiven Seiten psychopathischer Mitarbeitern und Führungskräfte hinwiesen. Zunächst stellte der britische Psychologe und Buchautor die steile These auf, dass in Unternehmen alle einfach hin und wieder etwas psychopathischer sein sollen. Denn Psychopathen, so Duttons Argumentation, hätten durchaus auch ihre guten Seiten: Sie seien selbstsicher, sie würden nichts aufschieben, sich aufs Positive fokussieren, würden Dinge nicht persönlich nehmen und sich keine Vorwürfe machen, wenn etwas nicht geklappt hat.

In einer in diesem Jahr im Fachjournal "Personality and Individual Differences" erschienenen Studie stärkten Psychologen der Universität Bonn Duttons Argumentation: Ihre Untersuchung kam nämlich zum Ergebnis, dass eine bestimmte gutartige Form der Psychopathie – die sogenannte "furchtlose Dominanz" – zu beruflicher Spitzenleistung führen kann, ohne dass die Psychopathen das Unternehmen schädigen.

Psychopathen missachten häufiger Compliance-Richtlinien

Alles gut also mit Psychopathen – solange Recruiter ausschließen können, dass im Bewerbungsgespräch kein bösartiger Psychopath vor ihnen sitzt? So einfach ist es leider nicht, denn gewisse Risiken sind mit der Einstellung von Psychopathen dennoch verbunden, wie nun eine der Studie der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern belegt.

Die Studie, die in Fachzeitschrift "Journal of Business Economics" erschienen ist, weist auf eine wesentliche Schwachstellen von Psychopathen in Unternehmen hin: Sie stimmen demnach verstärkt wirtschaftskriminellen Handlungen zu, verstoßen also häufiger gegen die Compliance-Richtlinien als ihre nicht-psychopathischen Kollegen .

"Nadelstreifenpsychopathen" können erfolgreiche Führungskräfte sein

Die Forscher konzentrierten sich bei ihrer Studie auf die sogenannten "Psychopathen in Nadelstreifen", deren Vorzüge ja auch Dutton lobt. Unter einem "Nadelstreifenpsychopathen" verstehen die Wissenschaftler Menschen, die durchaus individuell erfolgreich und vielfach in leitenden Positionen in Unternehmen arbeiten – allerdings auch "dunkle" Charakterzüge aufweisen: Sie sind hochgradig egoistisch, skrupellos, manipulativ und agieren empathielos.

Um herauszufinden, wie hoch die Bereitschaft dieser Psychopathen ist, Bilanzen zu manipulieren und Insiderhandel zu betreiben – also wirtschaftskriminell zu werden –, haben die Forscher mit zwei Online-Umfragen untersucht, an denen 469 Personen teilgenommen haben. Dabei haben die Forscher zunächst die psychopathischen Tendenzen der Teilnehmer untersucht. Im Anschluss haben sie überprüft, wie die Einstellung der Teilnehmer gegenüber dem Verhalten anderer Personen ist, die Bilanzen manipulieren und Insiderhandel betreiben.

Kaltherzigkeit und Egoismus besonders stark ausgeprägt

Die Auswertung der Umfragen ergab, dass diejenigen Faktoren, welche die "dunklen" Charaktereigenschaften der Unternehmenspsychopathen widerspiegeln, eine signifikant höhere Zustimmung zu den zwei Formen der Wirtschaftskriminalität voraussagen. "Besonders aussagekräftig waren hierbei die beiden Faktoren Kaltherzigkeit und der sogenannte Machiavellistische Egoismus, der sich durch besondere Rücksichtslosigkeit und manipulative Fähigkeiten auszeichnet", sagt Studien-Co-Autor Professor Volker Lingnau. Beide Persönlichkeitsfaktoren könnten somit als absolute Risikofaktoren gesehen werden und sollten zum Beispiel bei Einstellungstests berücksichtigt werden.

Prof. Volker Lingnau, TU Kaiserslautern
Die Studienautoren haben aus ihrer Studie auch Tipps abgeleitet, wie es Personalverantwortlichen gelingen kann, den Aufstieg eines solchen Psychopathen zu verhindern: Neben sozialen Arbeitsbedingungen, bei denen sie aufgrund ihrer sozialen Inkompetenz früher oder später auffallen würden, könnte es auch helfen, die Kollegen des Psychopathen zu schulen. Darüber hinaus diskutieren die Forscher, wie neue Anreizsysteme helfen können, den Aufstieg für Psychopathen zu erschweren oder ein solches Unternehmen für diese Personen unattraktiver erscheinen zu lassen.

Unternehmenspsychopathen nicht mit Filmpsychopathen verwechseln

Die Forscher betonen in Hinblick auf ihre Studie, dass es wichtig sei, die Ausprägung der Psychopathie bei "Nadelstreifenpsychopathen" vom Alltagsverständnis über Psychopathen zu differenzieren. Als Beispiel für den Psychopathen im herkömmlichen Sprachgebrauch nennen die Pfälzer Wissenschaftler die Figur Patrick Batemann aus dem US-Thriller "American Psycho", der durch brutale körperliche Gewalt auffällt und mit dem Gesetz in Konflikt gerät – allerdings nicht wegen wirtschaftskriminellen Verfehlungen.

Dagegen könnten Unternehmenspsychopathen – auch "erfolgreiche" oder in Anlehnung an den kanadischen Kriminalpsychologen Robert D. Hare "Faktor-eins-Psychopathen" genannt – ihre "dunklen" Charakterzüge mittels hoher Intelligenz meist gut verbergen, erläutern die Forscher. "Unternehmensskandale, wie beispielsweise beim 2001 durch massiven Bilanzbetrug insolvent gegangenen amerikanischen Energieriesen Enron, zeigen, dass Unternehmenspsychopathen durch ihre Fähigkeit, ohne Gewissensbisse zu lügen und zu manipulieren, für Wirtschaft und Gesellschaft eine existenzielle Gefahr darstellen können", so Professor Lingnau.

Die komplette Studie "The Influence of Psychopathic Traits on the Acceptance of White-Collar Crime: Do Corporate Psychopaths Cook the Books and Misuse the News?" finden Sie hier.

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