Senkung des Garantiezinses: Folgen für die bAV

Seit 1. Januar 2022 ist der Garantiezins in der Versicherungsbranche auf 0,25 Prozent abgesenkt. Viele Versicherer senken entsprechend auch die Garantien in der betrieblichen Altersversorgung. Arbeitgeber sollten ihre Versorgungssysteme deshalb schnellstens an die veränderten Realitäten anpassen.

Mit Beginn dieses Jahres hat sich der Zinsrückgang, der bereits in den 1980er Jahren anfing, in vollem Umfang auch in der deutschen Lebensversicherungsbranche manifestiert. Damit endet zugleich die Ära der klassischen deutschen Lebensversicherung. So, wie wir sie bisher kannten, wird es sie nie wieder geben. Doch was bedeutet das für die betriebliche Altersversorgung (bAV) aus personalpolitischer und arbeitsrechtlicher Sicht?

Niedrigzins belastet Altersvorsorgesparen

Betrug der Zinssatz für zehnjährige Bundesanleihen Anfang der 1980er Jahre noch zehn Prozent, so ist er aktuell auf unter -0,3 Prozent abgesunken. Die anhaltenden Niedrigzinsen wirken sich nachhaltig auf alle Sparvorgänge aus. Dies gilt im besonderen Maße für das Altersvorsorgesparen, das sich durch seine langfristige Ausrichtung und dem Wunsch nach Stabilität und Planbarkeit auszeichnet. Im besonderen Maße wird dies in der bAV deutlich. Arbeitgeber, die ihre bAV unternehmensintern finanzieren, spüren die zusätzlichen Belastungen in ihrer Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung.

Lebensversicherer (auf die insbesondere Mittelständler häufig setzen, um eine einfache und sichere bAV für ihre Mitarbeitenden bereitzustellen) sehen ihr Geschäftsmodell infrage gestellt. Nicht zu Unrecht wird die Lebensversicherung als der Deutschen liebstes Kind bezeichnet. Über Jahrzehnte konnten damit auskömmliche Renditen bei gleichzeitig hohen Garantien und Sicherheit erzielt werden.

Spätestens mit der Absenkung des Garantiezinses zum 1. Januar 2022 funktionieren die alten Modelle nicht mehr. Lebensversicherer können ihre Verwaltungskosten in den klassischen Modellen nicht mehr zurückverdienen und werden diese Modelle daher auch für die bAV perspektivisch nicht mehr anbieten. Gleichzeitig tun sie sich schwer, höhere Renditen als in einem Korridor zwischen zwei und drei Prozent zu erwirtschaften. Diese dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen fallen in eine Zeit, in der Altersvorsorgesparen immer wichtiger wird: Angesichts des demografischen Wandels kann die gesetzliche Rente die Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Rentenalter immer weniger gewährleisten. Die bAV wird immer wichtiger, hat aber mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen.

bAV ohne Garantie: Anpassung zu mehr Rendite

Die Lösung liegt auf der Hand: Betriebliche Versorgungssysteme müssen sich an die veränderten Realitäten anpassen. Die Lebensversicherer haben jetzt angefangen, diesen Weg zu gehen. Sie senken ihre Garantien ab, um in Kapitalanlagen investieren zu können, die langfristig deutlich bessere Renditen versprechen. Beispielsweise weiten sie Aktieninvestments sowie Direktanlagen in Unternehmenskredite, Immobilien oder Infrastrukturprojekte aus. Diese Kapitalanlage folgt der altbekannten Erkenntnis, dass auch in der bAV Anlageprodukte mit höherem Risiko und höherer Volatilität langfristig zu höheren Renditen für die Sparer führen.

Mit dieser kapitalmarktorientierten Investitionspolitik geht die Abkehr von einer engen Fixierung auf Nominalgarantien einher. Es werden bewusst mehr Garantien angeboten, die weniger als die Summe der eingezahlten Beiträge garantieren. Häufig sehen die Modelle eine anfängliche Garantie von 80 oder 90 Prozent der eingezahlten Beiträge vor.

bAV trotz Niedrigzins: für Mitarbeitende gestalten und Mitarbeitende "mitnehmen"

Diese Gemengelage ist personalpolitisch herausfordernd. Auf der einen Seite wissen Mitarbeitende, dass sie mehr für ihre Altersversorgung tun müssen. Gleichzeitig fürchten sie sich vor möglichen Verlusten angesichts der abgesenkten Garantien. Den Arbeitgebern kommt hier eine besondere Aufgabe zu: Mitarbeitende vertrauen ihren Arbeitgebern in Fragen der Altersvorsorge eher als kommerziellen Anbietern, wie beispielsweise der "Global Benefits Attitudes Survey" von Willis Towers Watson belegt. Damit haben Arbeitgeber gute Chancen, ihre Mitarbeitenden auf diesem Veränderungsprozess mitzunehmen.

Dazu müssen die betrieblichen Versorgungswerke so gestaltet sein, dass sie sich an den Bedürfnissen der Mitarbeitebdeb orientieren. Hier helfen Wahlmöglichkeiten für die Mitarbeitenden entsprechend ihrer individuellen Risikobereitschaft und ihrer Lebensphase. Gleichzeitig gilt es, für die Kapitalanlage einen professionellen Partner auszuwählen, sofern die Expertise dafür im eigenen Haus nicht vorhanden ist. Mitarbeitende vertrauen darauf, dass ihre Arbeitgeber gute Entscheidungen in ihrem Sinne treffen. Schließlich gehört zur User Experience der Mitarbeitenden auch, dass die bAV gut kommuniziert wird. Portallösungen sind hier das Mittel der Wahl, um die bAV frisch und ansprechend zu kommunizieren und den Mitarbeitenden Wahlmöglichkeiten einräumen zu können.

Senkung der Beitragsgarantien in der bAV ist arbeitsrechtlich zulässig

Die abgesenkten Beitragsgarantien haben erneut eine lebhafte arbeitsrechtliche Diskussion darüber entfacht, ob solche Gestaltungen nach dem Betriebsrentengesetz zulässig sind und wie man dies arbeitsrechtlich begründen kann.

Die Möglichkeit, bAV-Zusagen mit Garantien unterhalb von 100 Prozent Beitragserhalt auszugestalten, wird unter dem Rechtsinstitut der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ) nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) verbreitet als arbeitsrechtlich begründbar und vertretbar qualifiziert. Wesentlicher Hintergrund dieser Rechtsauffassung ist die Tatsache, dass es bei einer beitragsorientierten Leistungszusage nach dem Gesetzeswortlaut keine gesetzlich festgelegte Mindestleistung gibt – anders, als dies bei der Beitragszusage mit Mindestleistung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG der Fall ist. Diese arbeitsrechtliche Beurteilung wird zwar seit längerem stark diskutiert, allerdings hat die mittlerweile mehrheitlich vertretene Auffassung, dass eine BoLZ keine Mindestleistungsvorgabe hätte, durch ein systematisch vergleichbar in diese Richtung argumentierendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Wortlautauslegung einer betriebsrentenrechtlichen Anpassungsvorschrift in § 16 BetrAVG (siehe BAG, Urteil vom 3. Juni 2020, Az: 3 AZR 166/19) deutlich an Kontur und Gewicht gewonnen.

Garantiezinsabsenkung seit 1. Januar 2022: bAV jetzt überprüfen

Was folgt daraus? Unternehmen tun gut daran, gerade jetzt ihre eigene bAV zu überprüfen: Sind die existierenden Modelle noch zukunftsfest? Es gilt genau zu überprüfen, wie passgenaue Lösungen aussehen. So kann es sich anbieten, für die aktuelle Belegschaft bestehende Verträge beizubehalten, um die "guten" Rechnungsgrundlagen aus der Vergangenheit zu sichern. Neue Kolleginnen und Kollegen können dagegen von den neuen, innovativen Ansätzen profitieren. Für Arbeitgeber, die bislang dem Thema bAV zurückhaltend gegenüberstanden, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um einzusteigen: Die neuen Modelle eignen sich besonders gut im Wettstreit um die besten Köpfe. In Zeiten des Fachkräftemangels ist eine bAV oftmals das Element, das den Ausschlag für einen Arbeitgeber gibt.


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