Pläne der Regierung zur Stärkung der Betriebsrente

Regierungspolitiker, Experten, Interessensvertreter und Wissenschaftler stecken derzeit in Berlin die Köpfe zusammen. Das Ziel: die Altersvorsorge soll gestärkt werden, auch im Betrieb. Die wichtigsten Stellschrauben sind ausgemacht – fragt sich nur, ob die "Ampel" daran drehen wird.

Rund ein Jahr nachdem die Lichter angingen, war es soweit: Die Ampelregierung nimmt sich die Altersvorsorge vor. Dafür wurden gleich zwei Prozesse angestoßen, allerdings mit unterschiedlicher Stoßrichtung.

Altersvorsorge: Zwei Stoßrichtungen der Bundesregierung

Am 24. Januar 2023 traf sich erstmals die "Fokusgruppe private Altersvorsorge" auf Einladung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Teilnehmer sind die Bundesministerien für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Vertreter der Versicherungs- und Fondsbranche, des Verbraucherschutzes, der Sozialpartner, der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und der Wissenschaft. Nach Angaben des BMF stehen drei Prüfaufträge auf der Agenda:

  1. ein öffentlich verantworteter Pensionsfonds samt kostengünstigem und effektivem Angebot mit Abwahloption
  2. verbesserte Förderanreize für untere Einkommensgruppen
  3. eine renditeträchtigere Produktalternative zur arg gebeutelten Riester-Rente, die bekanntermaßen auch über den Betrieb vereinbart werden kann.

Die ministerielle Zielvorgabe: "Bis zum Sommer dieses Jahres soll die Fokusgruppe einen Abschlussbericht mit den Prüfungsergebnissen vorlegen."

Bereits Ende September 2022 startete der "Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrente". BMF und BMAS hatten einen weitgehend identischen Teilnehmerkreis zu diesem "ergebnisoffenen Dialogprozess auf Arbeitsebene" eingeladen, informierte das BMAS und weiter: "Nachdem die Beteiligten sich zunächst schriftlich geäußert haben, finden aktuell fachspezifische Gesprächsrunden statt. Der Fachdialog soll im Frühjahr 2023 abgeschlossen werden."

"Die Ergebnisse sollen dann in einem Referentenentwurf münden, weil das BMAS hier zügig voranschreiten und Perspektiven aufzeigen will, damit die bAV keinen Schaden nimmt“, ergänzt Klaus Stiefermann. Dies wäre aus Sicht des Geschäftsführers der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) der Fall, wenn der bAV eine ungenügende Kapitaldeckung bescheinigt würde und sich dadurch die Reformbemühungen auf die private Altersvorsorge konzentrieren würden. Wie ist also der Status Quo?

Laut aba hat sich die Lage, was die bundesweite Verbreitung der bAV betrifft, in den letzten Jahren kaum verändert. Zwar hätten mehr Menschen Ansprüche auf eine Betriebsrente erworben. Da aber gleichzeitig die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen sei, verharre der bAV-Anteil bei Mitarbeitenden bei etwa 56 Prozent. Dabei gelte weiterhin, dass eine bAV mit zunehmender Unternehmensgröße verstärkt angeboten werde. Im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft treffe dies etwa auf jeden zweiten Betrieb zu. Zudem seien betriebliche Vorsorgelösungen in manchen Branchen wie der Bauwirtschaft, der Chemie oder auch im öffentlichen Dienst obligatorisch, in vielen Dienstleistungsbereichen jedoch kaum anzutreffen. An welchen großen Stellschrauben muss also gedreht werden, um das formulierte Ziel zu erreichen?

Stellschraube eins: Sozialpartnermodell öffnen

Die erste setzt bei den Sozialpartnermodellen (SPM) an. Immerhin hat es über vier Jahre gedauert, bis die ersten beiden Modelle mit reinen Beitragszusagen auf den Weg gebracht worden sind. Laut aba und dem Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersvorsorge e. V. (IVS) wäre es für eine stärkere Verbreitung zentral, dass nicht nur Betriebe in das SPM eintreten können, für die der Tarifvertrag einschlägig ist. Vielmehr sollten auch branchenfremde Nichttarifgebundene Zugangsmöglichkeiten erhalten. Aber gibt es auf deren Seite überhaupt Bedarf? Aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann bejaht dies und verweist beispielsweise auf Millionen angestellte Mitarbeitende bei freien Berufen, wie Ärzte und Steuerberater.

"Die Erwartungshaltung, wonach sich die Arbeitgeber und Arbeitnehmer quasi automatisch anschließen würden, dürfte eher unrealistisch sein", so die Einschätzung des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Zudem sei es aus Sicht des Verbandes "bei realistischer Einschätzung der Interessenlage der Tarifpartner der jeweiligen Branchen fraglich, ob diese überhaupt in Betracht ziehen werden, auch branchenfremde Arbeitgeber und Arbeitnehmer in das jeweilige SPM aufzunehmen". Stiefermann und der IVS-Vorstandsvorsitzende Dr. Friedemann Lucius können diese Zweifel nachvollziehen. Als Vorstandssprecher der Heubeck AG sieht Lucius das Thema auch aus der Warte der betroffenen Unternehmen und betont daher: "Ich erwarte, dass wir hier weiter vorankommen und die Schwelle zur Teilnahme gerade für den im Fokus liegenden Mittelstand abgesenkt wird." Beide sprechen sich zudem dafür aus, dass auch außertariflichen und leitenden Mitarbeitenden der Zugang zu einem SPM, an dem ihr Arbeitgeber beteiligt ist, ermöglicht werden sollte. Laut IVS kann dies durch eine gesetzliche Klarstellung erreicht werden.

Sachwert-Investments als zweite Stellschraube

"Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass sachwertorientierte Investitionen getätigt werden können. Das macht die bAV gerade in Zeiten erhöhter Inflation zukunftsfähig", betont Lucius. Das gilt nicht nur für die reine Beitragszusage beim SPM und die anderen beiden Zusageformen, sondern auch mit Blick auf die Pensionskassen. Das IVS begründet das so: Der jüngste Anstieg der über Jahre niedrigen Kapitalmarktzinsen hat vielfach zu einem umfassenden Abbau von Bewertungsreserven geführt, sodass viele der Einrichtungen derzeit über keine stillen Reserven mehr verfügen.

Hinzu kommt, dass im Fall dauerhafter Wertminderungen Abschreibungen auf die Buchwerte der Kapitalanlagen vorgenommen werden müssen, was die Eigenmittelausstattung der Versorgungseinrichtungen zusätzlich belastet. Die Fähigkeit, Verlustrisiken in der Kapitalanlage auszuhalten, wird dadurch, nach Einschätzung des Instituts, herabgesetzt. Infolgedessen können sich die Pensionskassen veranlasst sehen, verlustreiche Umschichtungen in der Kapitalanlage vorzunehmen, von ertragsstarken, aber schwankungsanfälligen Sachwerten in ertragsschwache, aber schwankungsarme Anleihen.

"Erfahrungsgemäß gleichen sich Kapitalmarktschwankungen über die Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder aus. In der bAV mit ihren lebenslangen Renten, wo sich Verpflichtungen über Jahrzehnte abwickeln, haben wir eines ganz sicher, nämlich Zeit", ergänzt Lucius. "Deshalb plädieren wir dafür, dass die Pensionskassen auch die Zeit als Risikopuffer nutzen können und der Begriff der dauerhaften Wertminderung entsprechend weit ausgelegt wird." Das würde die Ertragskraft vieler Pensionskassen stärken und ihnen eine realistische Chance eröffnen, beispielsweise krisenbedingte Wertverluste an den Aktienmärkten in der Zukunft wieder auszugleichen.

Eine wesentliche Zielsetzung des SPM war und ist es ebenso, über die reine Beitragszusage die Mitwirkung der Arbeitgeberseite durch eine Enthaftung zu erhöhen. Gleichzeitig hat das jahrelang anhaltende Niedrigzinsniveau bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) dazu geführt, dass die hundertprozentige Beitragsgarantie nach Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung nicht mehr darstellbar ist – und laut IVS von externen Versorgungsträgern versicherungsförmig faktisch nicht mehr angeboten wird. Damit die Beiträge zur Sicherstellung der Beitragsgarantie nicht nur in niedrig verzinsten Anlagen, sondern in nennenswertem Umfang auch in sachwertorientierte Fondsanlagen investiert werden können, sind Versicherer in der bAV-Praxis dazu übergegangen, ein teils bis zu 60 Prozent abgesenktes Garantieniveau anzubieten, dies allerdings im Rahmen der beitragsorientierten Leistungszusage (BoLZ).

Damit die BZML nicht zum Auslaufmodell wird, müsste der Gesetzgeber derart handeln, dass die Höhe der Mindestleistung nach unten angepasst und gesetzlich definiert wird. Laut Lucius wäre das auch deshalb wünschenswert, weil nur die BZML einen risikoärmeren zweistufigen Prozess vorsieht: So muss nicht bei Vertragsabschluss, sondern erst bei Rentenbeginn festgelegt werden, zu welchen Konditionen die erworbenen Ansprüche verrentet werden. Die BoLZ beinhalte hingegen einen einstufigen Prozess, bei dem eine feste (Mindest-)Leistung bereits bei Vertragsabschluss vorgesehen ist. "Anders als bei der BZML braucht der Gesetzgeber daher hier keine Mindestleistung mehr vorgeben", sagt Lucius, bestätigt aber zugleich, dass deren Höhe kontrovers diskutiert wird. Der GDV teilt diese Einschätzung. Gleichwohl gibt es hier insbesondere mit Blick auf Entgeltumwandlungen entgegengesetzte Auffassungen. Der IVS-Vorstandsvorsitzende geht allerdings davon aus, dass die derzeitigen Rechtsunsicherheiten erst einmal weiter bestehen bleiben, sodass möglicherweise irgendwann die Gerichte für Klarheit sorgen werden.

Stellschraube drei: Geringverdiener stärker fördern

Die dritte Stellschraube liegt bei den Geringverdienern. Laut aba verfügen zwar zehn Prozent der Mitarbeitenden über Ansprüche auf eine Betriebsrente von monatlich über 1.500 Euro, 47 Prozent aber lediglich über welche von unter 200 Euro. Während der Durchschnitt der Netto-Betriebsrenten bei Männern monatlich 600 Euro beträgt, liegt er bei Frauen nur bei 240 Euro. Die aba-Analyse offenbart also einen erkennbar hohen Vorsorgebedarf. Gleichzeitig haben Untersuchungen gezeigt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen zugunsten ihrer Altersversorgung nicht auf Konsum verzichten können oder wollen. Und das gelte selbst in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Einstieg mit attraktiven Zuschüssen fördert. 

"Ich gehe davon aus, dass die Riester-Rente angepackt wird. Ein öffentlich verantworteter Fonds wird aber nicht umgesetzt werden, weil letztlich auch kein breites Interesse für diesen Weg zu erkennen ist." – Klaus Stiefermann, Geschäftsführer Arbeits­gemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V.


"Genau hier hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz mit der Geringverdienerförderung wirksam angesetzt, indem nicht der Beschäftigte, sondern der Arbeitgeber einen Anreiz erhält, eine bAV anzubieten", sagt Stiefermann. Dies geschieht, nach Angaben des aba-Geschäftsführers, über ein einfaches Lohnsteuerverfahren, bei dem der Arbeitgeber 30 Prozent seiner bAV-Leistung an Geringverdiener zurückerhält. "Diese Förderquote sollte deutlich, bspw. auf 50 Prozent für Niedrigstverdiener, erhöht werden", schlägt Stiefermann vor und verweist auf Daten des Statistischen Bundesamts: In den ersten drei Jahren seit Einführung der neuen Förderung haben mehr als 82.000 Unternehmen die Förderung für über eine Million Beschäftigte genutzt. Die Unternehmen wandten im Schnitt 570 Euro pro Mitarbeitende mit Einkommen unter 2.575 Euro im Monat für deren Betriebsrenten auf. Dafür erhielten sie durchschnittlich eine Förderung von 171 Euro pro Kopf.

Laut BMAS helfen die Gespräche "im Hinblick auf das Ziel, Hemmnisse für den weiteren Auf- und Ausbau der Betriebsrente näher zu spezifizieren und umsetzbare Lösungen zu erarbeiten." Neben Fortschritten beim SPM zeigen sich die beiden Teilnehmer des Fachdialogs ebenfalls zuversichtlich, dass es bei der Geringverdienerförderung zu einer verbesserten Regelung kommen wird. "Ich gehe davon aus, dass die Riester-Rente angepackt, ein öffentlich verantworteter Fonds aber nicht umgesetzt wird, weil letztlich auch kein breites Interesse für diesen Weg zu erkennen ist", sagt der aba-Geschäftsführer und veranschaulicht die Lage in der bAV so: "Wenn ein Hausbesitzer feststellt, dass sein Wohnzimmer ziemlich verwohnt ist, was macht er dann? Er fängt an, es zu renovieren", sagt Stiefermann und fügt hinzu: "Aber er schließt doch nicht die Zimmertür zu und baut einen Wintergarten an."


Dieser Beitrag ist zuvor erschienen in Personalmagazin Ausgabe 4/2023. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.