Paradoxe Effekte von zu vielen Benefits

Vor einem inflationären Umgang mit Benefits warnt unser Gastautor. Denn ein Zuviel an Zusatzleistungen schmälert nicht nur das Gefühl der individuellen Wertschätzung, sondern kann auch zu stark in den privaten Bereich der Beschäftigten reichen. Vier Tipps, wie Sie der Benefit-Spirale entkommen.

Um neue Talente für das eigene Unternehmen anzuwerben, aber auch um Mitarbeitende zu binden, setzen viele Arbeitgeber heute auf das Angebot verschiedener Corporate Benefits. Der Trend entwickelt sich teilweise dahin, dass Unternehmen versuchen, sich gegenseitig in Anzahl und Angebotstiefe der Zusatzleistungen zu toppen. Und auch zur Abschwächung der aktuellen Inflationseffekte werden immer noch mehr Benefits ausgegeben, vermeintlich, um den Beschäftigten etwas Gutes zu tun.

Tatsächlich aber stelle ich im Austausch mit HR-Verantwortlichen eine zunehmende Ratlosigkeit auf Seite der Unternehmen fest – denn die permanente Bedürfnisbefriedigung schafft kaum oder nur kurzfristige Zufriedenheit auf Seiten der Mitarbeitenden. Ist die massive Erhöhung von Zusatzleistungen also wirklich eine sinnvolle Strategie?

Zu viele Benefits können Wertschätzung mindern

Es gibt zahlreiche Studien, die die grundsätzliche Wirksamkeit von Corporate Benefits belegen können. Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Aon zeigt, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden Benefits anbieten, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung erreichen. Eine andere Studie des Beratungsunternehmens Mercer hat herausgefunden, dass Beschäftigte, die von ihrem Arbeitgeber Wertschätzung erfahren und ein gutes Arbeitsumfeld haben, eher bereit sind, Überstunden zu leisten.

Doch die Kunst ist, nicht wahllos eine Flut von Benefits über den Mitarbeitenden auszuschütten, sondern Sinn und Zweck der Zusatzleistungen bei deren Gewährung in den Fokus zu nehmen: Benefits sollten immer mit dem Tätigkeitsfeld, dem Unternehmenszweck und den Unternehmenswerten in Zusammenhang stehen.

Schon vor der gegenwärtigen Inflation boten über 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Beschäftigten Zusatzleistungen an. Die Idee des Inflationsausgleiches durch vom Arbeitgeber bezahlte Gutscheine, E-Bikes, Mitgliedschaften in Fitnessstudios oder das tägliche Mittagessen tut nun ihr Übriges, um diesen Anteil weiter ansteigen zu lassen.

Diese steigende Zahl an Corporate Benefits führt jedoch zu einem paradoxen Effekt: Die individuelle Wertschätzung der Leistungen durch die Arbeitnehmer sinkt. Was früher noch als besonderes Extra angesehen wurde, ist mittlerweile selbstverständlich geworden. Getränke und ein Obstkorb sind zur faktischen Grundausstattung der meisten Büros geworden. Mittlerweile gibt es sogar die Erfahrung innerhalb der HR-Szene, dass die Erwähnung von als selbstverständlich vorausgesetzten Leistungen von Bewerbern zunehmend als schlechtes Zeichen gewertet wird – als Zeichen dafür, dass das Unternehmen nichts Weiteres zu bieten hat.

Grenzen zwischen Beruf und Privatleben werden überschritten

Doch nicht nur der Wert jedes einzelnen Corporate Benefits sinkt, auch der Antrieb und die Eigeninitiative der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden unter der Überflutung von Leistungen ohne Gegenleistung. Durch die Loslösung von leistungsorientierten Elementen sinkt die Zufriedenheit. Paradoxerweise schafft der permanente Versuch der Bedürfnisbefriedigung nicht mehr Zufriedenheit.

Und noch ein zweiter Punkt sollte bedacht werden: Durch die Bandbreite an Leistungen, die sich auch in das Privat- und Familienleben erstrecken, besteht die Gefahr, die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem massiv zu überschreiten. Arbeitgeber wirken in immer mehr Bereiche ihrer Beschäftigten hinein: Mittels Sport- und Freizeitangeboten, Kinderbetreuung, Ernährungstipps, Urlaubsangeboten und entsprechenden Wettbewerben zur Bewegungssteigerung - meist smartphonegestützt und spielerisch.

All diese Maßnahmen und Initiativen sind sicher gut gemeint, nur entsteht aktuell durch diese Innovations- und Organisationswut ein Nanny-Arbeitgeber ganz neuen Typs: abhängig beschäftigte Mitarbeitende werden so auch außerhalb der Arbeit als Freizeitmaßnahmenkonsument vereinnahmt.

Vier Tipps: So entkommen Sie der Benefit-Spirale

Die folgenden Tipps können Arbeitgebern helfen, der Benefit-Spirale zu entkommen und sich dadurch am Arbeitsmarkt abzuheben:

Tipp 1: Wir sind die Mitarbeitende - Basisdemokratische Elemente mit Laufzeit

Zusatzleistungen sollten direkt an den Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgerichtet sein. Eine Auflistung möglicher Benefits und regelmäßige Befragungen der Belegschaft hierzu können dabei helfen, die am meisten geschätzten Zusatzleistungen zu ermitteln, die als fundierte Grundlage für ein Benefit-Paket dienen. Die Maßnahmen sollten an der Zahl begrenzt sein und regelmäßig überprüft werden.

Tipp 2: Nur kommunizierte Benefits sind gute Benefits

Eine gute Kommunikation der angebotenen Zusatzleistungen ist wichtig, um sicherzustellen, dass sie bekannt sind und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genutzt und geschätzt werden. Dies kann durch geeignete Kommunikationsmittel wie Benefit-Sheets, das Intranet oder regelmäßige Mitarbeiter-Newsletter erreicht werden. Idealerweise findet die Kommunikation bei jeder Änderung des Maßnahmenkatalogs statt, um die Belegschaft stets über die angebotenen Zusatzleistungen auf dem Laufenden zu halten.

Tipp 3:Verknüpfung von individuellen Leistungen mit dem Benefit-Programm

Unternehmen können herausragende Leistungen der Mitarbeitenden belohnen, indem sie ihre Zusatzleistungen an individuelle Leistungen koppeln. So können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die besondere Leistungen erbringen, zusätzliche Vorteile erhalten und so entsteht mittels Leistungsorientierung eine größere gegenseitige Wertschätzung. 

Tipp 4: Weniger ist häufig mehr

Um der Benefit-Spirale zu entkommen, sollte ein Corporate-Benefit-Programm nur ergänzt werden, wenn dafür andere Benefits, die sich nicht bewährt haben, gestrichen werden. Auf diese Weise lässt sich eine überbordende Zunahme verhindern und ein unübersichtlicher Wust an Benefits kann vermieden werden. Nicht genutzte und damit deutlich nicht nachgefragte Benefits sollten regelmäßig abgeschafft werden.

Zurück auf den Boden der Tatsachen

Ob mit oder ohne Obstkorb: Erfahrungsgemäß wählt kein Mitarbeitender ein Unternehmen ausschließlich aufgrund von Corporate Benefits aus, und niemand lehnt eine spannende Funktion ab, nur weil kein E-Bike oder ein Rückenkurs zu wenig angeboten werden. Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen gut beraten sind, zum early mover zu werden und die nicht enden wollende Corporate-Benefits-Spirale zu stoppen. Natürlich fordert es Mut, Entscheidungen gegen den Trend zu treffen und aus dem Überbietungswettbewerb auszusteigen, doch die Corporate-Benefits-Spirale wird sich nur ins Unermessliche steigern, wenn wir nicht wieder auf den Boden der Arbeitsplatz-Tatsachen zurückkehren.


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