Lernvideos in der Weiterbildung: mit Gamification lernen

Eine Studie zeigt, dass man besser lernt, wenn man den Lernstoff bei einem Videospiel erlebt und anschließend kognitiv vertieft. Die Studienautoren fordern deshalb, das Erleben auch bei formalem Lernen wichtiger zu nehmen. Doch noch wird das Spielerlebnis vernachlässigt.

Aliens erschießen, Spaß haben und gleichzeitig lernen? Was sich im ersten Moment eher nach einer Freizeitbeschäftigung für Nerds anhört, könnte ein Erfolgsrezept für die Zukunft von Lernspielen sein. Das legen zumindest die Ergebnisse einer Studie der Universität Stanford nahe. Die US-Wissenschaftler modifizierten für ein Experiment das beliebte Videospiel "Space Invaders", in dem der Spieler sich mit Waffengewalt gegen Angreifer aus dem All verteidigen muss, indem sie Übungen zur Wahrscheinlichkeitsverteilung in das Spiel integrierten – ohne, dass dies im Spiel explizit erklärt wurde.

Studenten daddeln für die Wissenschaft

Anschließend baten sie eine Gruppe von College-Studenten, das Spiel zu spielen. In einem zweiten Schritt sollten die Probanden eine kurze Erklärung zum Thema "Statistik" durchlesen und abschließend einen Test zum Thema bestehen. Die Studenten wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe spielte das Spiel, eine las den Text und eine dritte Gruppe machte beides. Die Stanforder Forscher stellten fest, dass die Studenten, die sowohl in den Genuss des Spiels als auch der Erklärung kamen, ihre Statistik-Ergebnisse mehr verbesserten als jene Studenten, die nur das eine oder das andere taten.

Spiele bilden die Erlebnisgrundlage für kognitives Lernen

Die beiden Autoren der Studie, Daniel Schwartz und Dylan Arena, erklären sich den Erfolg der kombinierten Methode von Spiel und Text damit, dass das Spiel die Erlebnisgrundlage dafür bilde, dass die Studenten im Anschluss die kognitive Erklärung besser verstehen konnten. Der Text wiederum habe den Lernern geholfen, das zu verankern, was sie im Spiel erlebt hatten. Die beiden Wissenschaftler sehen darin einen Nutzen für die didaktische Praxis: Ihre Studie zeige, dass Spiele Lerner darauf vorbereiten könnten, in formelleren Umgebungen zu lernen, zum Beispiel in der Schule.

Hersteller von Lernspielen vernachlässigen das Spielerlebnis

Pädagogen sowie Spiele-Designer würden jedoch das Videospiel oft als eigenständige Lernerfahrung ansehen, kritisiert Schwartz, der bereits seit Jahrzehnten zum Thema "exploratives Lernen" forscht.  Oft würden sie das Lehren von Fakten und Methoden einfach gamifizieren. "Dabei vernachlässigen sie das, wodurch sich gute Spiele auszeichnen, nämlich, dass sie die Grundlage für ein fesselndes Erlebnis bilden", sagt Schwartz. "Oft wird vergessen, dass die Erfahrung ein guter Lehrer ist, auch für schulische Lehrinhalte."

Welche Fragen Spieleentwickler nachts schlaflos halten

Diese Kritik müssen sich die Hersteller von Lernspielen gefallen lassen, setzen sie doch häufig immer noch wenig auf das Spielerlebnis, weil die didaktischen Inhalte im Vordergrund ihres Konzepts stehen. Lars-Peter Linke, ehemaliger Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und Leiter der Zeit-Akademie in Hamburg, fordert deshalb in Ausgabe 06/2014 der Wirtschaft + Weiterbildung, dass sich Hersteller didaktischer Spiele die gleichen Fragen stellen sollten, die Spieleentwickler nachts schlaflos hielten, nämlich: "Was kann ich tun, um meine Spieler möglichst lange im Spiel zu halten? Wie kann ich dafür sorgen, dass er oder sie die Lust nicht verliert und weiterspielen, besser werden und die nächste Ebene – das nächste Level – erreichen will?", so Linke. "Hand aufs Herz: Welche Seminarverantwortlichen definieren für sich als Hauptaufgabe, die Teilnehmer dazu zu bringen, immer mehr und immer öfter trainieren zu dürfen?" Eine Orientierung an guten Games helfe, genau dieses Ziel in den Mittelpunkt zu stellen – und zu erreichen.

Videospiele sind schon lange keine Einzelveranstaltung mehr

Gute Spiele sind jedoch nicht nur unterhaltsam und didaktisch wertvoll. Sie können mehr: "Spielen macht klug" – so titelte der Spiegel Anfang des Jahres. Denn wenn das Spiel gut laufe, schütte der Körper das Glückshormon Dopamin aus. Das Hirn wüchse und neue neuronale Verbindungen entstünden. Manche Computerspiele würden zudem das Abstraktionsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit erhöhen.

Darüber hinaus fördere das Spielen auch das Sozialverhalten, denn Videospiele sind schon lang keine Einzelveranstaltung mehr. Heute, so der Spiegel, gebe es so gut wie kein Spiel mehr ohne Internetanbindung oder Chat-Funktion. Diese Vernetzung wird bereits in elektronischen Lernformaten genutzt: Oft bieten diese die Möglichkeit zum Austausch mit einer virtuellen Community, in der Fragen zum Lernstoff diskutiert werden können.

Hinweis: Wenn Sie mehr über das Thema "Gamification" wissen möchten: In Ausgabe 06/2014 der Wirtschaft + Weiterbildung lesen sie einen Beitrag von Lars-Peter Linke zum Thema "Was Trainer von den Spieleentwicklern lernen können".

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