Kolumne Wirtschaftspsychologie

Der große NLP-Bluff Teil I: Wie alles begann


8
NLP-Kritik: Der große NLP-Bluff

So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner Kolumne über die Fakten auf und gibt Tipps für die Praxis. Heute zeigt er seine Kritik am Neurolinguistischen Programmieren (NLP) auf.

Sie sind auf der Suche nach einer Methode, mit der sich die meisten beruflichen Aufgaben im zwischenmenschlichen Bereich geschmeidig lösen lassen? Sie wollen in Windeseile und völlig unbemerkt tief in die Seele Ihrer Bewerber blicken? Kunden sollen zu willenlosen Opfern werden, die drittklassigen Verkäufern wie ein hungriges Reh aus der Hand fressen? Geschäftspartner wollen Sie selbst dann noch über den Tisch ziehen können, wenn Ihre Argumente so stringent sind wie die einer Lebensberaterin im Astro-TV? Schwierigste Mitarbeiter sollen wie Wachs in den warmen Händen ihrer Führungskräfte formbar sein? Und zu allem Überfluss wollen Sie auch noch Ihr eigenes Unterbewusstsein ohne große Anstrengung auf grenzenlosen Erfolg programmieren?

Träumen Sie schön weiter. Eine solche Methode wird es niemals geben.

Das Neurolinguistische Programmieren

Allerdings gibt es die Illusion einer allmächtigen Psychotechnologie, die all dies verspricht. Schon ihr Name ist derart eindruckvoll und nichtssagend, dass er uns geradezu zwangsläufig Erfurcht abverlangt. Die Rede ist vom Neurolinguistischen Programmieren, kurz NLP.

Das klingt fast so wissenschaftlich wie Rasterelektronenmikroskop oder Magnetresonanztomographie. Leider hat NLP mit Wissenschaft soviel zu tun wie Captain Kirk mit Sir Isaak Newton.  

Kritik am NLP-Ansatz

Die Anfänge des NLP liegen in den frühen 70er Jahren des vergangenen Jahrhundertes, als zwei wackere Gesellen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auszogen, die Welt der Psychotherapie zu revolutionieren. Für diese Aufgaben waren sie so qualifiziert wie ein Berliner Bürgermeister für den Flughafenbau. Richard Bandler, seinerzeit Student der Mathematik, Informationswissenschaft und Psychologie sowie John Grinder, Dozent für Anglizistik und Linguistik, begaben sich auf die Suche nach dem Geheimnis erfolgreicher Psychotherapie. Hierzu analysierten sie die Gesprächsprotokolle prominenter Therapeuten. Was bei oberflächlicher Betrachtung durchaus sinnvoll erscheint, erweist sich schon schnell als untauglicher Ansatz:

  • Bei der Auswahl der Therapieschulen gehen die NLP-Gründer extrem selektiv vor. Sie berücksichtigen nur solche Schulen, die sie emotional ansprechen (Gestalttherapie, Familientherapie, Hypnosetherapie), während die größten und einflussreichsten Therapieformen (Psychoanalyse und Verhaltenstherapie) außen vor bleiben.
  • Die Prominenz der untersuchten Therapeuten wird unreflektiert mit ihren Fähigkeiten gleichgesetzt. Ebenso gut könnte man glauben, der bekannteste Geiger des Landes sei auch der Beste.
  • Wer nur (vermeintlich) erfolgreiche Therapeuten analysiert, kann leider niemals herausfinden, warum sie erfolgreich sind. Hierzu bedarf es zumindest einer Kontrollgruppe nicht-erfolgreicher Therapeuten. Durch den Vergleich des Verhaltens beider Gruppen ließen sich dann im günstigsten Fall erfolgsrelevante Faktoren identifizieren. Wer nur auf die Gemeinsamkeiten erfolgreicher Therapeuten schaut, müsste letztlich auch glauben, dass ein Händedruck heilsame Wirkung entfaltet, da wahrscheinlich alle erfolgreichen Therapeuten ihren Patienten zur Begrüßung die Hand schütteln.

Kritik an den NLP-Thesen 

Das Forscherduo bestieg den solchermaßen selbst aufgeschütteten Datenberg der Erkenntnis, um schon bald darauf mit einer Handvoll Steinplatten herabzusteigen und die frohe Botschaft der leichten Manipulation aller Menschen in die Niederungen unseres Alltags zu tragen.

Wie sie zu den Steinplatten gelangten, bleibt auf ewig ihr Geheimnis. Die grundlegenden NLP-Thesen hätten sie sich auch ohne große Mühe schlicht ausdenken können. Sie reichen von banalen Wahrheiten wie "Der Mensch nimmt seine Umwelt subjektiv wahr" über Kalendersprüche, beispielsweise "Wenn ein Weg nicht funktioniert, einfach mal einen anderen ausprobieren" bis hin zu komplettem Blödsinn: "Jeder kann alles lernen".

Kritik an der Weiterentwicklung von NLP

Ausgehend von den beiden heiligen Schriften der Gründerväter – "The Structure of Magic I & II" – hat sich in den nachfolgenden Jahrzehnten das System NLP verselbstständigt. Heute gibt es hunderte von Publikationen, wobei jeder Autor selbst nach Herzenslust eigene Ideen beisteuern kann. Da in der Szene Ausdenken und Aufschreiben mit Erkenntnis gleichgesetzt wird, verwundert dies nicht. So schwanken beispielsweise die Darstellungen der sogenannten "Metaprogramme" – eine Art Synonym für Persönlichkeitsmerkmale – je nach Publikation zwischen sechs und mehr als 50. Selbst in der Auflistung der Grundannahmen unterscheiden sich die Quellen hinsichtlich Anzahl und Inhalt.

Es gehört aber auch zum Wesen des NLP, dass man bei anderen Wissenschaften einfach etwas abschreibt, um es anschließend als NLP-Methode zu verkaufen. Nach demselben Prinzip ließe sich auch Aspirin als NLP-Methode vermarkten. Offenkundig ist allerdings das Abschreiben aus der Sekundär- bis Oktärliteratur nicht so leicht wie ein Gang zur Apotheke. Bisweilen sind die Fehler so gewichtig, dass mache Methode zu einer Karikatur verkommt.

Kritik an den Werkzeugen von NLP

Über allem steht dabei das Prinzip der Toolbox. Jeder Autor wirft etwas in den Werkzeugkasten hinein, aus dem sich anschließend alle nach Gutdünken bedienen. Tausende ausgebildeter NLP-Trainer greifen jeden Tag in diese Toolbox. Hinzu kommt ein Vielfaches an Trainern, die NLP-Methoden einsetzen, ohne es zu wissen. Methoden wie die Blickrichtungsdiagnostik, das Ankern oder Matching finden sich heute in vielen Ratgeberbüchlein zu Kommunikation oder Coaching.

Da in der Ratgeberszene fast alle voneinander abschreiben, versucht letztlich ein Blinder, dem anderen das Farbensehen beizubringen. Wenn sie es nur lange genug probiert haben, glauben am Ende beide, dass sie es tatsächlich können und gehen umso beschwingter ans Werk. So mancher Byzantinist findet auf diesem Weg einen Job als Trainer, mit dem sich die täglichen Brötchen weitaus leichter verdienen lassen als mit nächtlichen Taxifahrten. Zumindest für diesen Personenkreis hat NLP einen spürbaren Nutzen.

Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen & Personalentwicklung.

Schlagworte zum Thema:  Personalauswahl , Personalarbeit
8 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
S

Slobodan Mitrovic

Wed Dec 11 15:46:50 CET 2024 Wed Dec 11 15:46:50 CET 2024

Ich gebe Prof. Dr. Kanning recht, was seine kritische Haltung gegenüber NLP betrifft. Wir müssen uns offen kritisieren dürfen. Ich finde dagegen die Kritik an ihm selbst hier bedenklich und zu einseitig. Gerade von NLP-Befürwortern hätte ich erwartet, dass sie ihre Position mit mehr Reflexion und kritischer Distanz vertreten – insbesondere, wenn sie ihre Kompetenz im Umgang mit NLP untermauern wollen.

L

Ludger Schabbing

Fri Nov 29 13:08:52 CET 2024 Fri Nov 29 13:08:52 CET 2024

Bin zufällig auf den Artikel gestoßen und rege an, ihn nach 9 Jahren zu löschen. Kritik an Gurus und Scharlatanen, die auf der Basis geringer Kompetenzen viel Geld verdienen wollen, mag berechtigt sein. Sollte dies die Absicht des Autors gewesen sein, gebe ich ihm recht. Dieser Artikel kommt mir allerdings derart undifferenziert und polemisch vor, dass er einer seriösen Seite von Haufe nicht angemessen erscheint. Seriösen ausgebildeten Beratern, die NLP-Elemente erfolgreich einsetzen und Menschen, Teams und Organisationen in ihre Kraft bringen, wird dieser Artikel jedenfalls nicht gerecht.

F

Frank Kuhnecke

Sun Jan 14 20:16:24 CET 2024 Sun Jan 14 20:16:24 CET 2024

Dr Kanning ist ja schon mehrfach aufgefallen, weil er ein persönlichen Hader mit NLP hat und deshalb den wissenschaftlichen Diskurs munter nach unten verlässt. Schade ist, dass sich Haufe auf diese Polemik einlässt und wie focus auf Polarisierung setzt. So ein Text hat zwar seine Berechtigung als Meinung, ist aber inhaltlich so dünn, dass er bei facebook gut aufgehoben ist.
Dr Frank Kuhnecke Diplompsychologe

S

Sven Petersson

Mon Jul 27 10:11:16 CEST 2015 Mon Jul 27 10:11:16 CEST 2015

Sowohl der Artikel als auch die Antwort von Prof. Kanning zeugen nicht von einer sachlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Unabhängig davon finde ich es interessant, dass es auf Seiten der Haufe Akademie Seminare gibt in denen dieser "Humbug" geschult wird und dies teilweise von ausgewiesenen NLP Experten.

D

Dr. Constantin Sander

Fri Jul 24 13:01:39 CEST 2015 Fri Jul 24 13:01:39 CEST 2015

Nur um hier mal ein paar Ungereimtheiten aufzuklären. Bandler war kein munterer Geselle, sondern Psychologe, Grinder war Linguist, der sich mit Chomskys Transformationsgrammatik intensiv auseinandergesetzt hat und bemüht war, diese im therapeutischen Prozess zu utilisieren. Beide haben das NLP bewusst in Abgrenzung zur wissenschaftlichen Psychologie entwickelt. Insofern ist der Ansatz natürlich unwissenschaftlich. Hier geht es um heuristische Verfahren, nicht um wissenschaftlich validierte. Dass die beiden die Psychoanalyse und die tiefenpsychologische Therapie nicht in ihre Betrachtung einbezogen haben, liegt auf der Hand. Denn sie waren ja auf der Suche nach wirksamen kurzzeittherapeutischen Methoden. Und da gehören die genannten nun mal nicht dazu. Und so könnte ich fortfahren. Ja, schade, wirklich nur ein polemischer Handwisch mit offenbar wenig Interesse an einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dem NLP. Ansonsten würde Herr Prof. Kanning ja auch einem Gespräch mit dem Berufsverband, dem DVNLP nicht notorisch aus dem Weg gehen.

P

Personalberatung

Thu Mar 26 19:52:40 CET 2015 Thu Mar 26 19:52:40 CET 2015

Für einen angeblichen Wissenschaftler eine recht platte Polemik, von Kritik kann da keine Rede sein.
Aber schön, dass man hier bei Haufe eine Plattform für unsubstantiierte Behauptungen findet, die auch dann nicht zu Beweisen mutieren, wenn sie von einem Universitätsdozenten kommen.
Herr Kanning hat das, was er "kritisiert", schlichtweg nicht verstanden. Schade.