Kolumne Personalentwicklung: Flatrate-Coaching

Eine einfache Werbemail hat unseren Kolumnisten Oliver Maassen im Urlaub aufhorchen lassen: "Flatrate-Coaching" lautete das Angebot. Das Konzept hat er auf seine Praxistauglichkeit für Personalentwickler hin abgeklopft. Das Ergebnis wird den Versender aber nicht glücklich machen.

Es ist Spätsommer – und für viele noch Urlaubszeit. Doch während die Wills und Lanzens der Medienwelt für Monate ihre Formate einstellen und sich eine kreative Pause gönnen, sind wir Kolumnisten gezwungen, auch im Sommer einen Beitrag für unsere Leser abzuliefern.

Und während ich mit Blick in die Schweizer Berge auf meinem Hotelbalkon sitze und nachdenke, wie ich an ein sonniges Thema komme, findet sich in meinem Postfach eine Werbemail für ein sogenanntes "Flatrate-Coaching". Ja, Sie haben richtig gelesen, ein Coach bietet dort seine Dienste per Flatrate an.

Flatrate: durch "Koma-Saufen" in Verruf geraten

Nun kennen wir Flatrates aus dem Bereich der Telekommunikation, wo ich beliebig viele Anrufe tätigen kann und doch nur eine monatliche Pauschale zahlen muss. Banken bieten Flatrate Depots, bei denen der Kunde so viele Transaktionen tätigen kann, wie er will, und dafür ebenfalls nur einmal zahlen muss.

In Verruf geraten ist die Flatrate durch das sogenannte "Koma-Saufen" von Jugendlichen, die auf Partys eine Pauschale entrichten und dafür Alkohol bis zum Umfallen bekommen – Flatrate-Trinken eben.

Und nun ist also die flache Rate auch in der Personalentwicklung angekommen, und meine Spürnase für Innovationen fragt sich natürlich sofort, ob hier ein neues Geschäftsmodell, gar ein neuer Trend geboren wurde.

Recherche zeigt: Flatrate-Coaching ist kein Koma-Coaching

Was ist ein Flatrate-Coaching? Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um ein Geschäftsmodell handelt, bei dem der Coachee einmal zahlt und dafür beliebig viele Coaching-Sitzungen in Anspruch nehmen kann. Schlecht für den Coach, gut für den Coachee, sollte man meinen. Wenn der Coach so gut ist, dass er alle anzusprechenden Themen erfolgreich in einer beschränkten Anzahl von Sitzungen abhandeln kann, könnte das Modell sogar ertragreich sein.

Meine Recherche im Internet hat ergeben, dass es einige Institute und Einzelkämpfer gibt, die bereits Coaching zu Flatrates anbieten. Die Modelle sind zwar unterschiedlich, aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass der Coachee sich für sechs bis zwölf Monate an den Coach bindet, zu einer monatlichen festen Rate, und dann individuell entscheiden kann, wie viele Sitzungen er tatsächlich in Anspruch nimmt. Alle Angebote enthalten aber einen Cap, also eine maximale Stundenanzahl. Es ist eben doch kein Koma-Coaching.

Themen auf den Tisch, die sonst keine Relevanz haben

Nun könnte man natürlich auch die Theorie vertreten, dass Flatrate-Coaching eine Form der erfolgsabhängigen Bezahlung ist. So, wie ich beim Flatrate-Trinken erst dann aufhöre, wenn das Ziel völliger Bewusstlosigkeit erreicht ist, so würde ich analog erst dann aufhören, mich coachen zu lassen, wenn mein Thema völlig geklärt ist.

Und weil bekanntlich beim Flatrate-Trinken ja auch nicht nur der Alkohol getrunken wird, der normalerweise Priorität hat, sondern alles, was dem Flatrate-Trinker unter die Finger kommt, so werden auch beim Flatrate-Coaching Themen auf den Tisch kommen, die im normalen Zahlungsmodell niemals Relevanz hätten, getreu dem Motto: "Ich habe das ja schließlich alles bezahlt."

Neue Bezahlmodelle in der Personalentwicklung gefragt

Lassen Sie uns aber den ernsthaften Teil des Themas beleuchten: die Frage nach neuen Bezahlungsmodellen für Leistungen der Personalentwicklung. Ich erlebe immer häufiger, dass Kunden den Dienstleister mit ins Risiko – und folgerichtig auch den Erfolg – nehmen wollen und habe dafür volles Verständnis.

Die Voraussetzung für eine erfolgsabhängigere Vergütung ist allerdings, dass Messgrößen für den Erfolg ermittelt werden können beziehungsweise zur Verfügung stehen.

Da steht die Personalentwicklung – wie der gesamte HR-Bereich – allerdings noch eher am Anfang. Das liegt einerseits an der Materie selbst – also der Frage, wie Entwicklungsfortschritte zu messen sind –, andererseits an einer konsequenten Verweigerungshaltung vieler Personalentwickler dagegen, ihre Angebote der nötigen Transparenz und Bewertung zu unterziehen.

Trainer und Coachs müssen Erfolge besser messen

In den kommenden Jahren werden sich die Anbieter von Trainings- und Coaching-Leistungen intensiv mit der Frage der Erfolgsmessung beschäftigen müssen. Erste Ansätze sind bereits erfolgreich getestet und umgesetzt: die Eingangs- und Ausgangsmessung von Kompetenzen (wobei hier die Langfristigkeit des Entwicklungshorizonts von Bedeutung ist), die Selbst- und Fremdeinschätzung der Veränderung bei Coaching oder Trainingsmaßnahmen durch eine 360-Grad-Evaluation bis hin zu harten KPIs – beispielsweise einer Umsatzsteigerung nach einem Entwicklungsprogramm für Vertriebsmitarbeiter.

Ich bin relativ sicher, dass in diesem Bereich durch die Zusammenarbeit von HR-Lehrstühlen, Neurowissenschaftlern und Experten quantitativer Ausrichtung ganz neue Messkriterien und -instrumente entstehen werden.

Warnen möchte ich allerdings davor, alles in der Personalentwicklung den Kriterien des Zählens, Messens, Wiegen und Bewertens unterzuordnen. Es muss Raum bleiben für individuelle und damit vielleicht auch subjektivere Erfolgskriterien, wie sie einem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Coach und Coachee angemessen sind.

Wann kommen "Slow Training" und "Cloud Coaching"?

Zurück zum Flatrate-Coaching: Es ist Unsinn, an der Grenze zur Unseriösität und mit dem Coaching-Gedanken eigentlich unvereinbar, aber eine gute Werbeidee, denn Aufmerksamkeit schafft es auf jeden Fall. Besser wir belassen die Flatrates den Telekommunikationsanbietern und Dauertrinkern.

Pfiffige Werber könnten natürlich auch zu anderen aufmerksamkeitswirksamen Übertragungen auf die Personalentwicklung kommen: Aus "Slow Food" könnte "Slow Training" werden, "Social Media" zum "Social Mentoring" avancieren, und die Cloud könnte es auch noch zum "Cloud Coaching" bringen – allerdings nur in Zeiten des Spätsommers. 

Kolumnist Oliver Maassen

Oliver Maassen ist seit 2013 Geschäftsführer der  Pawlik Consultants GmbH. Zuvor war er unter anderem Bereichsvorstand und Personalchef der Unicredit Bank. In seinen früheren Funktionen verantwortete er die Bereiche Personal- und Organisationsentwicklung, Führungstrainings, Personalmarketing und Talent Management. Er ist zudem Gründungsvorstand der Zukunftsallianz Arbeit und Gesellschaft (ZAAG).

Schlagworte zum Thema:  Personalentwicklung, Coaching, Weiterbildung