Kolumne HR Tech: Kauft HR-Software "Made in Germany"

Wenn HR-Tech-Innovationen gesucht werden, blicken viele erstmal in die USA oder vielleicht noch auf die großen Player wie SAP. Dabei haben HR-Startups "Made in Germany" oder aus Europa einiges zu bieten. Kolumnist Thomas Otter appelliert deshalb, bei Softwareanschaffungen stets auch lokale Anbieter auf dem Radar zu haben.

Die Geschichte von "Made in Germany" ist bekannt: Auf dem Höhepunkt ihrer viktorianischen Macht verabschiedeten die Briten 1887 den Merchandise Marks Act. Dieses Gesetz war Resultat eines Handelsstreits und verlangte, deutsche Einfuhren eindeutig als "Made in Germany" zu kennzeichnen. Ziel war es, deutlich zu machen, dass die deutschen Importe von minderer Qualität waren. Doch der Plan schlug bekanntlich fehl und die Bezeichnung entwickelte sich zum Synonym für höchste Qualität. Ein klarer Fall unbeabsichtigter Folgen.

Innovationen jenseits des Silicon Valley

Viele Medien- und Analyseberichte zu HR Tech implizieren, dass fast die gesamte HR-Tech-Innovation in den USA entsteht. Dennoch habe ich selbst einen guten Teil der letzten zwei Jahre mit deutschen und europäischen Startups und Scale-ups verbracht. Die hiesige Szene bringt sehr viele innovative Lösungen für nationale und globale HR-Herausforderungen hervor, die lokal und global konkurrieren können. Mit Ausnahme von Deutschlands größtem Softwareunternehmen scheint jedoch ein Großteil der deutschen HR-Tech-Innovationen weltweit unsichtbar und auch in Deutschland häufig ignoriert zu werden. Deutsche Softwarehersteller werden wohl eher mit Attributen wie "solide" oder "effizient" versehen und genießen nicht gerade den Ruf, "innovativ" zu sein – obwohl sie es häufig sind. Selbst die wenigen HR-Startups, die es geschafft haben mit innovativen Ideen für etwas Aufmerksamkeit zu sorgen, bleiben im Vergleich zu US-amerikanischen Playern häufig unter dem Radar.

Es ist an der Zeit, dies zu ändern! Beginnen muss der Wandel hier, zu Hause. Sicher: Dafür müssen deutsche Startups international und lokal besser kommunizieren, aber auch deutsche Unternehmen sollten die Startup-Community stärker fördern und häufiger mit ihr in Kontakt treten. HR-Führungskräfte und Entscheidungsträger sollten sich deshalb einen Überblick verschaffen, was vor Ort vor sich geht. Wird eine neue Lösung fürs Mitarbeiter-Engagement oder für die Schichtplanung gesucht, für interne Mobilität, OKRs oder für Chat-basiertes Recruiting, Virtual-Reality-basierte Schulungen, Kompetenzmanagement, Rekrutierungsanalysen oder für was auch immer, dann könnte man zum Beispiel darauf achten, dass mindestens ein lokaler Anbieter in die nähere Auswahl aufgenommen wird.

Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis hat "Made in Germany" groß gemacht

Ich würde mir auch wünschen, dass führende deutsche Unternehmen bei HR-Tech-Startups sowohl formal als auch informell enger mit Universitäten und Fachhochschulen zusammenarbeiten. Denn gerade diese enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie hat die Marke "Made in Germany" überhaupt erst so stark gemacht. Dafür gibt es viele Möglichkeiten: Sponsern Sie einen Hackday, engagieren Sie sich in einem Startup-Hub oder fördern Sie HR-Tech-fokussierte Abschlussarbeiten. Bitten Sie lokale Anbieter, Sie über ihre Produkte zu informieren oder treten Sie einem Startup-Gründungsbeirat bei.

Die gute Nachricht ist, dass das Investoreninteresse an der deutschen HR-Tech-Branche weiter wächst und damit zum internationalen Erfolg beiträgt. Risikokapitalgeber sind deshalb immer eine gute Anlaufstelle, um neue HR-Tech-Lösungen und Anbieter zu finden. Natürlich berichten auch viele Fachmedien regelmäßig über neue Lösungen, zum Beispiel hat das Personalmagazin im Frühjahr 2020 eine Liste mit verschiedenen HR-Startups aus dem deutschsprachigen Raum veröffentlicht. Auch Plattformen wie HR Wins (larocqueinc.com), Pitchbook oder Crunchbase bieten viele Einblicke, ebenso wie die Startup- und Innovationsforen auf den großen Messen Unleash und Zukunft Personal. Wer auf diesem Weg nach Lösungen sucht, kann sicherstellen, dass die lokalen Anbieter auch Lösungen für lokale Anforderungen bieten, etwa für die Kurzarbeit, den Betriebsrat, die Probezeit oder die DSGVO.

Apropos DSGVO: Informieren Sie sich auch, wie die großen oder kleinen Anbieter auf "Schrems II" reagieren. Mehr über "Schrems II" und das betreffende Urteil des Europäischen Gerichtshofs erfahren Sie in einer der kommenden Kolumnen, denn das Urteil wird einen großen Einfluss auf HR Tech haben.


Thomas Otter ist Gründer von Otter Advisory und berät große und kleine Unternehmen, Investoren und HR-Tech-Anbieter. Zuvor leitete er das Produkt-Management bei SAP Success Factors und war Research Vice President bei Gartner für HR Tech. Das Zusammenspiel von HR und Technologie fasziniert, desillusioniert und inspiriert ihn immer wieder. 


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