Job-Ghosting: Wenn der neue Kollege nicht kommt

Mit der Unterschrift ist das Recruiting längst nicht abgeschlossen. Mehr als zehn Prozent der Jobsuchenden haben einen Arbeitsvertrag unterschrieben, aber die Stelle nicht angetreten. Hinzu kommen diejenigen, die bald wieder kündigen. Deren Anteil hat sich fast verdoppelt, zeigt die Studie "Candidate Experience 2023".

Sechs Prozent der Stellensuchenden haben ihren unterschriebenen Arbeitsvertrag vor Antritt der neuen Stelle schon einmal gekündigt. Hinzu kommen mehr als vier Prozent, die einen Arbeitsvertrag unterschrieben und dann die Stelle einfach nicht antraten, ohne formal zu kündigen. Das fand die Studie "Candidate Experience 2023" heraus, für die Softgarden 3.811 Stellensuchende befragt hat.

Job-Ghosting, wenn ein besseres Angebot kommt

Der Trend zum Job-Ghosting – dem Kontaktabbruch während des Bewerbungs- oder Onboardingprozesses – hat vor allem mit der aktuellen Arbeitsmarktsituation zu tun. "Ein besseres Jobangebot" ist der wichtigste Grund, der von 41 Prozent derjenigen genannt wird, die ihren Job schon einmal trotz Vertragsunterschrift nicht angetreten haben.

Auch nach dem Arbeitsantritt werden die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend zu Wackelkandidaten. "Hast du schon einmal während der ersten 100 Tage den Job gekündigt?" Diese Frage stellte Softgarden zum ersten Mal 2018. Damals antworteten knapp zwölf Prozent mit "Ja". Im Jahr 2023 sagten bereits 21 Prozent, dass sie schon einmal in den ersten Tagen gekündigt haben.

Über ein Drittel der neu Eingestellten sind Wackelkandidaten

Zu den insgesamt 21 Prozent der Beschäftigten, die ihre neue Arbeitsstelle schon in den ersten Wochen oder Monaten verlassen haben, kommen weitere knapp 16 Prozent, die schon einmal kurz davor standen. Der Anteil der Risikokandidaten in der Onboarding-Phase beträgt also zusammengenommen über ein Drittel.

Bei Menschen mit einfachem Schulabschluss (Haupt- oder Realschule) ist der Anteil derjenigen, die während der ersten 100 Tage kündigten, mit 31 Prozent übrigens wesentlich höher als bei Akademikerinnen und Akademikern (17 Prozent).

Gründe für die Kündigung in den ersten Wochen

Als Gründe für die Kündigung in der Onboarding-Phase werden von einer Mehrheit der Befragten drei Faktoren genannt: ein zu großer Unterschied zwischen den im Bewerbungsprozess gemachten Versprechungen und der Jobrealität (71 Prozent), unfähige oder unsympathische Führungskräfte (67 Prozent) sowie ein fehlender Plan bei der Einarbeitung (57 Prozent).

Bei Männern und Frauen gibt es unterschiedliche Kündigungsgründe. Besonders auffällig sind die Unterschiede bei fehlenden Einarbeitungsprogrammen: Mehr Frauen (60 Prozent) als Männer (54 Prozent) gaben dieses als Kündigungsursache an. Ebenso nennen mehr Frauen (71 Prozent) als Männer (63 Prozent) die Führungskraft als Kündigungsgrund.

Fünf Tipps: Das Onboarding gezielt verbessern

Was können Unternehmen besser machen? Ein Blick in die Freitext-Antworten macht deutlich, dass es im Bewerbungs- und Onboarding-Prozess noch einiges an Verbesserungspotenzial gibt, insbesondere bei der Kommunikation mit den Bewerbenden beziehungsweise neu Eingestellten. Denn viele Antworten lauten: "Rückmeldungen aus den Unternehmen dauern teilweise viel zu lang und dies verunsichert", "Teilweise erfolgten gar keine Rückmeldungen", "Kein Feedback auf Bewerbung – ist leider mittlerweile in Deutschland keine Ausnahme…".

Die Studienautoren haben aus ihren Ergebnissen fünf Tipps für ein besseres Onboarding formuliert:

  1. Begreifen Sie Onboarding als Teil des Recruitings und verbessern Sie es gezielt – insbesondere auch mit Blick auf die Zeit zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsantritt.
  2. Bieten Sie schon in der Bewerbungsphase einen realistischen Ausblick auf den Job und ihr Unternehmen. Authentizität im Bewerbungsprozess ist der zentrale Ausgangspunkt für ein gelingendes Onboarding.
  3. Sogen Sie für strukturierte Onboarding-Programme. Arbeitgeber müssen Standards, Rollen und Maßnahmen definieren sowie verlässlich in der Organisation umsetzen. Am besten gelingt das mit der Unterstützung durch ein Tool.
  4. Definieren und implementieren Sie Onboarding als Führungsaufgabe. Sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte für diese wichtige Rolle und befähigen Sie diese dazu, ihre Aufgabe proaktiv anzugehen.
  5. Informieren Sie in der gesamten Onboarding-Phase und machen Sie Angebote. Dazu können eine eigene Landingpage für neue Mitarbeitende gehören, regelmäßige Info-Maßnahmen oder die Möglichkeit, früh an Treffen (virtuell oder persönlich) teilzunehmen.


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Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Fachkräftemangel, Onboarding