Interview mit Kerstin Eiternick von Pepsico

Der Lebensmittelkonzern Pepsico hat in Deutschland eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die den Beschäftigen ab sofort dauerhaft ermöglicht, ihre Arbeitszeiten und ihren Arbeitsort flexibel zu wählen. Doch wie lässt sich Remote Work mit den Vorgaben zu Arbeitszeit und Arbeitsschutz vereinbaren? Kerstin Eiternick, Head of HR für die DACH-Region bei Pepsico, gibt Einblicke.

Haufe Online Redaktion: Frau Eiternick, wann haben Sie sich entschieden, eine Mobile-Working-Policy aufzusetzen?

Kerstin Eiternick: Den Ausschlag hat eine Mitarbeiterbefragung im Juni 2020 gegeben. Darin haben unsere Beschäftigen vielfach den Wunsch geäußert, auch über die Pandemie hinaus flexibler arbeiten zu dürfen, das heißt sowohl zeitlich als auch räumlich. Zu dieser Zeit arbeiteten etwa zwei Drittel unserer Belegschaft pandemiebedingt remote.

Haufe Online Redaktion: Welche Rolle spielte Remote Work bei Pepsico vor der Pandemie?

Eiternick: Alle Beschäftigen mit Computerarbeitsplatz hatten bereits die Möglichkeit, an vier Tagen im Monat von zu Hause zu arbeiten. Die technischen Voraussetzungen waren insofern bereits geschaffen. Letztlich hat aber die Pandemie das "Window of Opportunity" geöffnet, um die jetzige Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Haufe Online Redaktion: Wie verlief die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat?

Eiternick: Konstruktiv und lösungsorientiert. In den ersten Monaten, in denen wir flächendeckend im Homeoffice gearbeitet haben, ist die Produktivität sogar gestiegen. Mitarbeitende, Führungskräfte und Betriebsrat haben gesehen, dass das funktioniert. Die Frage nach dem "Ob" hat sich somit nicht gestellt, lediglich das "Wie" mussten wir klären.

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Haufe Online Redaktion: Herausgekommen ist eine Betriebsvereinbarung, die besagt, dass Mitarbeitende mit Computerarbeitsplatz ab sofort und zeitlich unbegrenzt wählen dürfen, von wo sie arbeiten möchten, und ihre Arbeitszeit flexibel einteilen dürfen.

Eiternick: Richtig. Was natürlich nicht heißt, dass Arbeitsstunden pro Tag und Woche oder Ruhezeiten missachtet werden sollen.

Für Meetings gilt eine Nine-to-Five-Regel

Haufe Online Redaktion: Wie stellen Sie sicher, dass Arbeitszeiten nicht überschritten und gesetzliche Ruhezeiten eingehalten werden?

Eiternick: Wir vertrauen im Kern auf die Selbstverantwortung und Selbstbestimmung unserer Beschäftigen. Aber natürlich haben wir auch Rahmenbedingungen geschaffen, die eine Entgrenzung von Arbeit und Privatleben verhindern sollen. Wir haben beispielsweise festgelegt, dass Meetings nur zwischen 9 und 17 Uhr stattfinden dürfen. Der Mittwochvormittag soll für alle Beschäftigen meetingfrei bleiben. Und schließlich haben alle Mitarbeitenden einen einstündigen Meeting-Blocker zur Mittagszeit in ihrem Kalender. Mit dieser "Power Hour" wollen wir signalisieren, dass eine Mittagspause wichtig und notwendig ist.

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Haufe Online Redaktion: Im Büro gilt die Arbeitsstättenverordnung, die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Beschäftigen vor gesundheitlichen Risiken zu schützen. Darunter fällt auch eine entsprechende Ausstattung der Büroarbeitsplätze. Remote Work ist davon ausgenommen. Wie kommen Sie dennoch Ihrer Fürsorgepflicht nach, den Mitarbeitern gesundes Arbeiten zu ermöglichen?

Eiternick: Ganz konkret, indem wir unseren Mitarbeitenden erlauben, ihre gesamte Hardware aus dem Büro mit nach Hause zu nehmen, egal ob Monitor oder Stuhl. Davon haben auch viele Kolleginnen und Kollegen inzwischen Gebrauch gemacht.

Haufe Online Redaktion: Das klingt eher nach Provisorium als nach einer Dauerlösung. Wie wollen Sie das in der Zeit nach der Pandemie handhaben?

Eiternick: Auch dann sollen Mitarbeitende, die überwiegend von zu Hause arbeiten möchten, die Möglichkeit haben, ihre Büroausstattung mitzunehmen. Wir planen derzeit nicht, unsere Bürofläche oder Ausstattung zu reduzieren. Jeder Mitarbeitende wird – entweder zu Hause oder im Büro – eine regelkonforme Ausstattung haben.

Haufe Online Redaktion: Nehmen wir an, Ihre Mitarbeitenden entschließen sich, nach der Pandemie nicht wieder ins Büro zu kommen. Hält das ein Unternehmen dauerhaft aus?

Eiternick: Diese Problematik sehe ich nicht. Einerseits haben uns die vergangenen Monate gezeigt, dass die Zusammenarbeit auch remote funktioniert, anderseits schätzen unsere Mitarbeitenden vor allem die Flexibilität. Für manche Arbeitsformen wird das Büro auch weiterhin der geeignetere Ort sein. Und darüber hinaus dürfen wir auch diejenigen nicht vergessen, die einfach lieber im Büro arbeiten möchten. Selbstbestimmung und Flexibilität gehen für uns über eine Einheitslösung.

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Pandemie-Situation treibt Überzeugungsarbeit bei den Führungskräften voran

Haufe Online Redaktion: Remote Work funktioniert nicht ohne Vertrauen und stellt somit auch neue Anforderungen an Führungskräfte. Wie viel Überzeugungsarbeit müssen Sie für Ihre Betriebsvereinbarung unter den Führungskräften leisten?

Eiternick: Ich denke, dass die Sondersituation der Pandemie, in der die Büros geschlossen blieben und wir keine andere Wahl hatten, als von zu Hause zu arbeiten, einen großen Teil der Überzeugungsarbeit geleistet hat. Wir haben festgestellt: es funktioniert.

Haufe Online Redaktion: Erfahrungsgemäß existieren in Unternehmen verschiedene Führungsstile, darunter auch solche, die auf Präsenz und Kontrolle setzen. Wie verhindern Sie, dass Führungskräfte Ihre Mitarbeitenden perspektivisch wieder ins Büro holen?

Eiternick: Zunächst einmal überlassen wir es den Teams zu entscheiden, welche Meetings oder Arbeiten eine Anwesenheit im Büro erfordern. Natürlich gibt es auch Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden lieber häufiger im Unternehmen sehen würden. Deshalb haben wir eine Minimumklausel in unsere Betriebsvereinbarung eingebaut. Sie besagt, dass Beschäftigte an mindestens drei Tagen in der Woche außerhalb des Büros arbeiten dürfen.

Haufe Online Redaktion: Für Beschäftigte in der Produktion und im Vertrieb gilt die Betriebsvereinbarung nicht. Sind sie die Verlierer der Pandemie?

Eiternick: Nein. Unsere Vertriebsmitarbeitenden hatten bereits vor der Pandemie Homeoffice-Verträge, die keinen festen Büroarbeitsplatz vorsehen. In der Produktion sind die Tätigkeiten bis auf Aufnahmefälle orts- und zeitgebunden. Das lässt sich nun einmal nicht ändern. Dennoch versuchen wir über neue Schichtplanungsmodelle und Kulturprogramme die Beschäftigen an New Work ein stückweit teilhaben zu lassen.


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