Interview: Messung des Mitarbeiter-Engagements bei Randstad

Engagement ist das was zählt - nicht Mitarbeiterzufriedenheit. Engagement gilt es zu messen und gezielt zu entwickeln, meint Andreas Bolder, HR-Director bei Randstad Deutschland. Im Interview spricht er über Kommunikation und den Einsatz von Puls-Befragungen.

Haufe Online Redaktion: Randstad misst die Mitarbeiterzufriedenheit seiner Beschäftigten mit einer Software. Betrifft das nur die internen Mitarbeiter bei Randstad oder sprechen wir generell von allen Mitarbeitern, also auch von den mehreren tausend Zeitarbeitnehmern, die Randstad beschäftigt?

Andreas Bolder: Das Tool, das wir einsetzen, misst das Engagement unserer internen Mitarbeiter. Für die Mitarbeiter im Kundeneinsatz testen wir momentan andere Dinge aus. Dort ist die Verweildauer im Unternehmen im Durchschnitt kürzer und die Mitarbeiterzufriedenheit hängt dort natürlich auch stark davon ab, wie die jeweiligen Kundenunternehmen agieren, bei denen die Mitarbeiter eingesetzt sind.

Engagement ist einfacher zu messen und hat eine höhere Aussagekraft

Haufe Online Redaktion: Sie sprechen von Mitarbeiter-Engagement, nicht von Mitarbeiter-Zufriedenheit. Wie differenzieren Sie das?

Bolder: Der Unterschied ist vielleicht auf den ersten Blick nicht ganz klar. Aber eigentlich ist Engagement das, was der Arbeitgeber braucht. Sie können eine oberflächliche Zufriedenheit im Unternehmen haben, die nicht hilfreich ist, wenn das Betriebsklima insgesamt wenig herausfordernd ist. Dann hat oberflächliche Zufriedenheit wenig Aussagekraft. Engagement ist letztlich einfacher zu messen als Zufriedenheit. Beim Engagement gibt es einen klaren wissenschaftlichen Rahmen, mit dem man arbeiten kann. Bei Zufriedenheit hat man es hingegen mit sehr vielen subjektiven Faktoren zu tun, die nicht für alle Mitarbeiter denselben Stellenwert haben. Was den einen zufrieden macht, macht den anderen vielleicht unzufrieden.

Haufe Online Redaktion: Wie gehen Sie vor? Was messen Sie?

Bolder: Wir messen viele Einzelkriterien. Es reicht in einer sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr aus, einmal im Jahr die Mitarbeiterbefragung auszupacken. Zyklen, die ein Jahr und länger dauern, sind nicht mehr tauglich in der heutigen VUCA-Welt. Wir wollen am Puls der Mitarbeiter sein. Wie geht es den Kolleginnen und Kollegen heute?

Haufe Online Redaktion: Wie bewerkstelligen Sie dieses Pulsmessen?

Bolder: Wir haben eine technologieunterstützte Lösung eingeführt. Eine Plattformlösung, bei der jede Führungskraft sich anschauen kann, wie es den Beschäftigten gerade geht. Wichtig war uns, dass es ein weltweites Instrument ist. Wir befragen monatlich nicht nur 2.500 Mitarbeiter in Deutschland, sondern über 30.000 Beschäftigte, die weltweit für Randstad arbeiten.

"Wir befragen monatlich über 30.000 Beschäftigte, die weltweit für Randstad arbeiten." - Andreas Bolder, Director Group Human Resources bei Randstad Deutschland


Auswertung nach Ländern, Berufsgruppen oder Betriebszugehörigkeit

Haufe Online Redaktion: Sie können also das Mitarbeiter-Engagement in den USA mit dem in Deutschland vergleichen?

Bolder: Ja. Aber dabei werden Sie herausfinden, dass in den USA eine andere Arbeitskultur herrscht. Das von uns eingesetzte Tool heißt Peakon und stammt von der gleichnamigen Firma. Wir haben international mindestens 40 verschiedene Lösungen verglichen, bevor wir uns dafür entschieden haben. Es verschafft uns mit neuester Technologie und dem Einsatz künstlicher Intelligenz einen guten Blick auf den aktuellen Ist-Zustand des weltweiten Mitarbeiter-Engagements.

Die Beschäftigten bekommen jeden Monat circa zwölf bis fünfzehn Fragen aus einem Pool von 50 verschiedenen Fragen gestellt. Dass der Mitarbeiter auf diese Weise immer mit einer anderen Konstellation von Fragen konfrontiert wird, wirkt – wichtig angesichts des Monatsrhythmus – aufkommender Befragungsmüdigkeit entgegen. Übers Jahr ist damit die Rückmeldungsquote der Mitarbeiter im Schnitt höher als bei einer einmal jährlich zu einem fixen Zeitpunkt stattfindenden Befragung.

Haufe Online Redaktion: Welche Auswertungsmöglichkeiten haben Sie?

Bolder: Man kann die Antworten herunterbrechen auf demografische Faktoren, auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, auf Berufsgruppen, auf Hierarchieebenen oder andere Merkmale.

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Haufe Online Redaktion: Welche Maßnahmen leiten Sie aus den gewonnenen Erkenntnissen ab? Wie versuchen Sie, das Mitarbeiterengagement zu erhöhen? Gibt es dabei nationale Unterschiede?

Bolder: Ja, die gibt es. Es geht aber weniger darum, Maßnahmen zu entwickeln, die weltweite Relevanz haben. Es ist vielmehr darauf ausgerichtet, Maßnahmen auf nationaler und vor allem auf lokaler Ebene zu treffen. Es ist oft nicht nötig, riesige Projekte aufzusetzen, um Veränderungen herbeizuführen. Manchmal sind es die einfachen Dinge, die man im täglichen Betriebsalltag verändern muss, um große Effekte zu erzielen.

Haufe Online Redaktion: Können Sie ein Beispiel geben?

Bolder: Ein immer wiederkehrendes Beispiel ist das Thema Kommunikation im Unternehmen selbst. Randstad ist ein dezentrales Unternehmen mit rund 450 Standorten in Deutschland. Da ist Kommunikation zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitern ein Dauerbrenner-Thema. Bei einer Informationskaskade über vier, fünf Ebenen geht schon mal einiges verloren oder wird nicht gut genug erklärt. Da lassen sich unmittelbar Maßnahmen ergreifen, auf der lokalen Ebene, aber auch auf Unternehmensebene. Wir sind zum Beispiel dazu übergegangen, regelmäßige Management Online-Meetings zu veranstalten, wo sich die Mitarbeiter einwählen können. Das ist, wenn Sie so wollen, ein moderiertes Randstad Live TV, wo zum Beispiel der Geschäftsführer oder der Finanzchef die neuen Zahlen erklären oder unser CEO hier in Deutschland, Richard Jager, die neue Strategie erläutert und auf Fragen der Mitarbeiter eingeht.

Befinden analysieren und Verbesserungspotential entdecken

Haufe Online Redaktion: Sie entwickeln also passende Lösungen zu den Problemen, die Ihre Mitarbeiter gerade beschäftigen?

Bolder: Es gibt Dinge, welche die Mitarbeiter störend finden, die eher struktureller oder vielleicht auch kultureller Natur sind. Da kann man nicht mit kurzfristigen Einzelmaßnahmen hingehen und sagen, das machen wir ab sofort anders. Da muss man dahinter liegende Muster herausarbeiten und die Stellschrauben identifizieren, an denen man drehen muss, um langfristig eine Veränderung herbeizuführen.

Haufe Online Redaktion: Was wären Beispiele für langfristige Veränderungsprozesse?

Bolder: Wenn Sie in einem Unternehmen keine gute Anerkennungskultur haben, würde es beispielsweise keinen Sinn machen, ein spontanes Projekt "Anerkennung" aufzusetzen. Da muss man genauer und langfristig analysieren, wie es das Unternehmen bewerkstelligen kann, die gewünschte Veränderung so in die Führungswerte und in die Unternehmenskultur zu implementieren, dass sich ein nachhaltiger Effekt ergibt.

Haufe Online Redaktion: Sie arbeiten also mit einem Mix aus kurz- und längerfristigen Maßnahmen zur Steigerung des Mitarbeiterengagements?

Bolder: Ja. Wenn wir bei aufkommender Unzufriedenheit sehr schnell reagieren, dann sind das bisweilen einfache Dinge, die auf der Engagement-Uhr keinen großen Zeigerausschlag bewirken, die aber ein sichtbares Zeichen setzen, dass wir unsere Mitarbeiter ernst nehmen.

Allein die Vergütung entscheidet nicht über das Engagement

Haufe Online Redaktion: Welche Faktoren beeinflussen denn das Mitarbeiterengagement maßgeblich? Gibt es neben der Vergütung zwei, drei Hauptfaktoren?

Bolder: Bei der Vergütung muss man unterscheiden: Die These "viel hilft viel" stimmt nicht. Natürlich müssen die Mitarbeiter insgesamt das Gefühl haben, dass sie leistungsgerecht bezahlt werden. Aber finanzielle Wohltaten schlagen nicht automatisch auf das Engagement durch. Andere Faktoren sind wichtiger: Habe ich die Möglichkeit das zu tun, was ich gerne mache und gut kann? Empfinde ich Sinn in dem, was ich mache? Gibt es eine  werteorientierte Unternehmenskultur? Ist das Betriebsklima von Fairness geprägt,  herrscht ein Umgangston und eine Grundatmosphäre, in der man gerne arbeitet? Natürlich hat man in jedem Job seine Beschwernisse. Aber kulturelle Faktoren spielen eine extrem große Rolle. Ebenso die Themen Kommunikation und Führung.

Haufe Online Redaktion: Die Randstad-Mitarbeiter reagieren also messbar mit höherem oder niedrigerem Engagement, wenn es um diese Faktoren gut oder schlecht bestellt ist?

Bolder: Ja. Der kollegiale Umgang im Unternehmen ist sehr wichtig. Und natürlich auch der Aspekt, die Möglichkeit zu haben, die anfallende Arbeit innerhalb der Arbeitszeit zu schaffen. Ständig im roten Bereich zu laufen ist ein Motivationskiller. Je volatiler ein Umfeld ist, desto schwieriger wird es, zu verhindern, dass bei den Mitarbeitern der Stress zunimmt. Sehen wir das in den Messergebnissen, ist es Aufgabe der Führungskräfte, Druck herauszunehmen.

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Haufe Online Redaktion: Gelingt es Ihnen, durch die Maßnahmen, die Sie aufgrund der erzielten Messergebnisse in die Wege leiten, höheres Engagement zu messen? Da müsste die Engagement-Kurve bei Randstad doch stetig nach oben gehen?

Bolder: So einfach ist es leider nicht. Man muss dabei bedenken, dass sich auch die Rahmenbedingung ständig verändern. Wenn ein Unternehmen wirtschaftlich sehr erfolgreich ist, dann ist das Grundrauschen an Zufriedenheit deutlich höher als in Krisenzeiten. Abgesehen davon, dass dann vielleicht auch höhere Boni fließen, herrscht insgesamt bessere Grundstimmung in der Belegschaft, wenn man das Gefühl des Erfolges im ganzen Unternehmen und im eigenen Team spürt. Das ist etwas, was auf das Engagement einzahlt, ohne dass dazu eine Maßnahme aufgesetzt wurde. Flaut die Konjunktur ab und mit ihr die Erfolgswelle, dann kehrt sich das um. Insofern gibt es keine stetige Engagement-Kurve, die man langsam nach oben entwickeln kann.

Kohortenspezifische Lösungen entwickeln

Haufe Online Redaktion: Welche Unterscheidungen treffen Sie hinsichtlich einzelner Gruppen innerhalb des Unternehmens?

Bolder: Am Anfang steht eine genaue Analyse. Wichtig ist, sich den Employee Lifecycle anzugucken. Das Tool erlaubt es, darauf zu schauen, wie sich Mitarbeiter fühlen, die seit sechs Monaten im Unternehmen sind, wie wenn sie drei, vier Jahre hier sind und wie es ihnen geht, wenn sie zehn oder fünfzehn Jahre im Unternehmen sind. Man kann also diesen Zyklus besser unterfüttern und auf Wünsche, die bestimmten demografischen Gruppen oder Mitarbeitern mit besonderer Betriebszugehörigkeit wichtig sind, individuell reagieren, indem man zum Beispiel flexible Benefits gestaltet, die für bestimmte Gruppen attraktiver sind als für andere.

Haufe Online Redaktion: Wie kann das aussehen?

Bolder: Wenn jemand frisch von der Hochschule kommt, wird man ihn kaum für eine tolle Altersversorgung begeistern können, sondern vielleicht mit Entwicklungschancen.  Wir haben solche gruppenindividuellen Maßnahmen bereits in der Projektphase. Ziel ist am Ende, flexibler zu werden und das Engagement der Mitarbeiter individueller zu fördern.

Mitarbeiterengagement ist kein reines HR-Thema

Haufe Online Redaktion: Was ist mit den Klassikern, an denen seit jeher die Mitarbeitermotivation abgelesen wird? Krankenstand, Fluktuation, Fehltage. Das haben Sie ja sicher auch noch im Blick. Bestätigen diese Zahlen Ihre Messergebnisse?

Bolder: Da gibt es immer wieder Überraschungen. Die Fluktuation zum Beispiel hat nicht unbedingt etwas mit der Zufriedenheit oder dem Engagement zu tun. Beim Vergleich von Engagement und Fluktuation darf man nicht den Fehler machen, eine Eins-zu-Eins-Korrelation zu vermuten. Die Mitarbeiter treffen langfristige Karriereentscheidungen. Da kann es sein, dass sie hochzufrieden sind und auch engagiert arbeiten und sich trotzdem für ein neues Angebot entscheiden, das für sie in dem Moment die richtige Herausforderung bietet. Das ist dann schade für uns, aber da haben wir vielleicht nichts falsch gemacht. Das zeigt übrigens auch die Tatsache, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Mitarbeiter, die Randstad verlassen, nach ein paar Jahren wieder anklopft. Die Krankentage sind bei uns gering und ändern sich auch kaum über die Zeit hinweg, so dass das eine schlechte Messmethode wäre, um daran das Mitarbeiterengagement abzulesen.

Haufe Online Redaktion: Also ein deutliches Plädoyer für moderne Methoden bei HR?

Bolder: Nicht nur bei HR. Es wird oft so getan als sei Mitarbeiterengagement und -Zufriedenheit ein reines HR-Thema. "HR, bitte mach mal etwas, unsere Engagement-Werte sind gesunken". Das ist von vornherein der falsche Ansatz. Viele Parteien in Unternehmen missverstehen das leider nach wie vor. Wir bei Randstad haben die Messung des Mitarbeiterengagements so positioniert, dass wir es als ein Managementtool für sämtliche Führungskräfte nutzen.

"Es geht darum, die Verantwortung für Engagement auf die Schultern zu verteilen, die sie am Ende des Tages auch wirklich beeinflussen können." - Andreas Bolder


Haufe Online Redaktion: Wenn die Messergebnisse in den einzelnen Einheiten unterschiedlich sein können, dann können die Führungskräfte dezentral mit den Ergebnissen umgehen?

Bolder: Genau. Es geht darum, die Verantwortung für Engagement auf die Schultern zu verteilen, die sie am Ende des Tages auch wirklich beeinflussen können. Ich sehe heute bei Randstad, dass viele Menschen in Führungsverantwortung, aus allen möglichen Ebenen, aktiv mitarbeiten, dieses Tool nutzen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen den Dialog mit den Mitarbeitern suchen. Es sind die einzelnen Führungskräfte, die Verantwortung dafür übernehmen. Und unsere Führungskräfte haben diese Rolle auch proaktiv angenommen.