Führung: Trainings von Schafen für Schafe

​​​​​​​So mancher Mythos geistert durch die Personalabteilungen - gerade wenn es um psychologisches Wissen geht. Professor Uwe P. Kanning klärt in seiner Kolumne über die Fakten auf. Heute: Trainings von Schafen für Schafe. Warum eine Gruppe, die gelernt hat, Schafe zu hüten, auch jedes Projekt im Unternehmen stemmen kann. Vorsicht: Satire!

Haben Sie schon einmal über das Image von Schafen nachgedacht? Nein, gemeint sind nicht Ihre Kollegen, sondern richtige Schafe – also Vertreter der Gattung Ovis aus der Familie der Bovidae, um präzise zu sein. Um das Image von Schafen dürfte es im Allgemeinen nicht zum Besten bestellt sein. Viele Menschen erleben Schafe als träge und dumm. Immer mal wieder wird ihnen das Fell über die Ohren gezogen und wenn man nicht ständig auf sie aufpasst, landen sie auf dem Kühlergrill des nächstbesten SUV oder im Bauch des bösen Wolfs, der hier und dort schon wieder in finsteren Wäldern seine Kreise zieht.

Steckt nicht in jedem Mitarbeiter ein Schaf?

Diese Eigenschaften qualifizieren Schafe natürlich zu erstklassigen Co-Trainern für Führungskräfte-Coachings oder Teambuilding-Seminare – kein Witz, so etwas gibt es tatsächlich! Alles, was Sie hierfür benötigen, ist ein gerüttelt Maß an Einfalt und grenzenloses Vertrauen in die Macht der Metapher, denn steckt nicht eigentlich in jedem Mitarbeiter ein Schaf?

  • Schafe sind Herdentiere. Sie laufen einfach immer nur der Masse hinterher, ohne selbst nachzudenken.
  • Schafe sind träge. Am liebsten wollen sie den lieben langen Tag auf der Wiese stehen, grasen und schlafen.
  • Schafe sind orientierungslos. Sie bedürfen einer starken Führungskraft, die sagt, wo es lang geht.

Teamleiter und Vorarbeiter als "Schäferhunde"

Wenn dieses Menschenbild zur DNA Ihres Unternehmens passt, sollten Sie schnell ein Führungs-Coaching bei einem Schäfer buchen, denn Schäfer wissen, wie man mit Schafen umgeht und sind daher erstklassige Führungskräfte. Ihre Führungskräfte lernen hier aktuelle Führungskonzepte aus dem 19. Jahrhundert. Der Chef sagt, wo es lang geht und wer nicht spurt, kommt in den Topf. Unterstützt wird der Chef bei seinen diffizilen Aufgaben von einem treuen Gefährten, dem Schäferhund – in Ihrem Unternehmen wahrscheinlich eher bekannt unter der Bezeichnung „Teamleiter“, „Meister“ oder „Vorarbeiter“. Der Schäferhund folgt kritiklos seinem Herrn, jagt die Abweichler in die Reihen der Schafe zurück und stutzt sie auf das Mittelmaß zurecht. Mehr noch, der Denker unter den Schäfern erkennt, wer das Leitschaf in der Gruppe ist und vermag, es geschickt für seine Zwecke zu instrumentalisieren.

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Die Teilnehmer eines solchermaßen feinsinnigen Coachings lernen unter freiem Himmel, wie sie erfolgreich eine Herde von Schafen einen Waldweg langführen oder – für Fortgeschrittene – durch einen Parcours leiten, ohne dass jemand verloren geht. Auch erfahren sie, wie man den Kurs der Gruppe verändert und beispielsweise nach kurzem Aufenthalt auf einer Weide sogleich wieder den Rückweg antritt; und zwar zügig und ohne Widerworte. Selbstverständlich lassen sich diese Techniken später eins zu eins auf den Alltag im Büro übertragen. Notfalls setzt man zusätzlich noch eine Trillerpfeife ein. Greifbarere Erfolge lassen sich nur durch Coachings mit Pferden, Lemmingen oder Kakerlaken erzielen.

Sollte Ihnen all das zu aufwendig erscheinen, entlassen Sie kurzerhand alle Führungskräfte und ersetzen Sie sie durch das Original, also erfahrene Schäfer. Achten Sie aber darauf, dass auch jeder seine eigenen Schäferhunde mitbringen darf.

Potenziale für "naive Führungskräfte"

Die Potenziale der Methoden lassen sich nicht nur bei naiven Führungskräften, sondern auch gleich noch zum Teambuilding nutzen. Klar, wer als Team gelernt hat, eine Gruppe von Schafen zu hüten, der kann auch jedes Projekt im Unternehmen stemmen. Man umzingelt ganz einfach das Projekt und achtet darauf, dass irgendwie alles beisammenbleibt oder irgendwie so oder so ähnlich. Hm. – Wenn Sie etwas länger darüber nachdenken, fällt Ihnen bestimmt selbst noch eine passende Metapher ein und die ersetzt dann das Denken. Vielleicht irgendwas mit "Kommunikation", das passt eigentlich immer.

So einfach kann man es sich machen. Am Ende hat natürlich niemand tatsächlich etwas gelernt, aber allen hat es Spaß bereitet. Und darauf kommt es in der Personalarbeit doch letztlich an.

Der Kolumnist  Prof. Dr. phil. habil. Uwe P. Kanning ist seit 2009 Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Seine Schwerpunkte in Forschung und Praxis: Personaldiagnostik, Evaluation, Soziale Kompetenzen und Personalentwicklung.

Schauen Sie auch einmal in den  Youtube-Kanal "15 Minuten Wirtschaftspsychologie" rein. Dort erläutert Uwe P. Kanning zum Beispiel zusammenfassend,  warum Manager scheitern warum die Aussagekraft von graphologischen Gutachten ein Mythos ist oder was Sprachanalyse über die Persönlichkeit aussagen können.