Wie eine neue Regierung die bAV-Welt verändern wird
Zeitenwende in Deutschland. Nach 16-jähriger Regierungszeit von Angela Merkel wird es nicht nur eine Neubesetzung im Kanzleramt geben - erstmals seit der Adenauer-Ära könnte eine Drei-Parteien-Koalition die Bundesregierung stellen. "Rot-Grün-Rote"-Schreckensszenarien fegte das Wahlergebnis schnell von der Agenda, nicht hingegen eine "GroKo" unter Scholz'scher Führung. Dieses "Zweck-Bündnis" hat zwar angesichts vieler politischer Baustellen ausgedient. Aber es wäre die einzige Alternative zu Neuwahlen, wenn sich FDP und Bündnis 90 / Die Grünen nicht einigen könnten. Da die ehemaligen Volksparteien CDU/CSU und SPD jeweils nur rund ein Viertel der Wählerschaft auf sich vereinigen konnten, wird es eine zukunftsweisende Regierungsbildung nur geben können, wenn Liberale und Grüne am Verhandlungstisch sitzen bleiben und sich am Ende auf eine Jamaika- oder Ampelkoalition verständigen.
Folgerichtig loten FDP und Bündnis 90 / Die Grünen jetzt aus, was möglich ist. Natürlich stehen da zunächst die großen Themen auf der Agenda wie die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft sowie der Ausbau digitaler Infrastrukturen auf allen Ebenen. Aber spätestens in Koalitionsverhandlungen wird es auch darum gehen, die Altersrenten angesichts einer zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft zukunftsfest zu gestalten.
Parteien sind sich einig: bAV soll weiter gestärkt werden
Damit die betriebliche Altersversorung (bAV) ihrer Rolle als "Zweite Rentensäule" gerecht werden kann, soll sie weiter gestärkt werden. Darin sind sich die Parteien einig. Nur zum Teil Einigkeit herrscht aber hinsichtlich der Frage, wie dies geschehen soll. Das Personalmagazin stellt im Sonderheft "Betriebliche Altersversorgung" im Dezember 2021 die bAV-Pläne aller Parteien vor, die auch im nächsten Bundestag vertreten sein werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen lassen sich hieraus erste Tendenzen für mögliche Veränderungen in der bAV erkennen.
Grüne und FDP gegen Kapitalgarantien in der bAV
Auffallend ist, dass sich die bAV-Pläne der FDP und von Bündnis 90 / Die Grünen jeweils um ein zentrales Thema drehen – und es dabei eine Schnittmenge gibt. Bei den Grünen ist es der "Bürgerinnenfonds". Als "kostengünstiges, transparentes und renditestarkes" Vorsorgeprodukt soll er in der bAV und wohl auch in der privaten Altersvorsorge etabliert werden. Der Fonds soll breit gestreut, langfristig ausgerichtet und nach Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) gemanagt werden. Garantien sollen so ausdrücklich nicht mehr nötig sein.
Der Verzicht auf Kapitalgarantien ist auch der Kerngedanke der reinen Beitragszusage, die die Freien Demokraten in der bAV stark verbreitern wollen. Angesichts des demografischen Wandels und des Niedrigzinsumfelds können nur so Anlagefreiräume geschaffen werden, um die Renditechancen durch erhöhte Aktienquoten zu erhöhen. Auf diese Weise will die FDP die hierzulande unterentwickelte Aktienkultur fördern und die europaweite Altersvorsorge (PEPP) für die staatliche Förderung in Deutschland öffnen.
Abwickeln oder reformieren?
Bemerkenswert ist dabei, dass die Grünen offenbar den systemimmanenten Wettbewerb innerhalb der bAV scheuen. So sollen wohl das "wirkungslose" Sozialpartnermodell, die "völlig fehlgeschlagene" Riester-Rente und die mit "gravierenden Schwächen" behaftete Rürup-Rente eher abgewickelt statt reformiert werden. Die FDP will die bAV zwar auch entbürokratisieren, begrüßt aber ausdrücklich die Vielfalt und will nur traditionelle und wenig rentable Anlagestrategien reformieren, ohne diese konkret zu benennen. Vergleichbare Absagen wie jene von Bündnis 90 / Die Grünen trifft die FDP nicht. Selbst bei der Riester-Rente lautet die Botschaft eindeutig: reformieren.
Wenig Konkretes zur bAV bei CDU/CSU und SPD
Wie stellen sich Sozial- und Christdemokraten zu diesen Kernforderungen? In Anbetracht des zurückliegenden Regierungsalltags scheint die CDU/CSU die Zukunft der bAV weitgehend ihrem früheren Regierungspartner überlassen zu haben. Konkrete Vorstellungen gibt es derzeit offenbar kaum. Klar ist nur, dass die Komplexität verringert und die Portabilität verbessert werden soll. Gerade mit Blick auf die Geringverdiener will die Union ein "bAV-Konzept für alle" entwickeln, was immer das heißen soll. Lediglich bei der Riester-Rente gibt es ein klares Plädoyer für einen Neustart mit einem Standardprodukt, das für alle Beschäftigten mit einem Opt-out-Modell verpflichtend sein soll. Das Vorsorgeprodukt soll ohne Abschluss- und mit niedrigen Verwaltungskosten auskommen, mit einer unbürokratischen staatlichen Förderung ausgestattet und auch ohne Leistungsgarantie angeboten werden.
Ebenso wollen sich die Sozialdemokraten von der nach ihrem früheren Arbeitsminister benannten Förderrente verabschieden. Stattdessen setzt man auch hier auf ein neues Standardprodukt, das "kostengünstig, digital und grenzüberschreitend nach schwedischem Vorbild von einer öffentlichen Institution angeboten" werden soll. Die staatliche Förderung in Form von Zuschüssen soll allerdings auf untere und mittlere Einkommensgruppen beschränkt werden. Ansonsten verweist die SPD auf das vor rund vier Jahren eingeführte Betriebsrentenstärkungsgesetz. Dessen Wirkungen müssten erst noch beobachtet werden, bevor man im Einzelnen den Daumen heben oder senken könnte.
Abschied von der Riester-Rente
Insofern ist zu erwarten, dass es bei einer "Jamaika-Koalition" umfassendere Veränderungen innerhalb der bAV geben dürfte. Das beginnt bei der stärkeren Verbreitung reiner Beitragszusagen und geht über die Einführung eines Opt-out-Modells bis hin zum Einstellen des Sozialpartnermodells. Schließlich stammen weder das unbeliebte Konzept noch die anderen bAV-Maßnahmen der zurückliegenden Jahre aus dem Hause der drei Parteien.
Keine Zukunft dürfte die Riester-Rente haben, ganz gleich, welche Koalition den Machtkampf gewinnt. Das gilt selbst für eine Große Koalition, verwundert aber nicht. Schließlich waren es die Sozial- und Christdemokraten, die das Förderprodukt sehenden Auges gegen die Wand laufen ließen. Dabei hätten wirkliche Reformen die Chance eröffnet, dass es tatsächlich gelingt, mit der Riester-Rente das damalige Absenken des gesetzlichen Rentenniveaus aufzufangen. Schließlich wurde sie vor fast 20 Jahren dafür geschaffen. Aber das scheint heute fast niemanden mehr zu interessieren.
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