Viel Geld für Wachstumsfantasien im E-Learning-Markt

In den vergangenen Monaten hat sich der E-Learning-Markt sehr dynamisch entwickelt. Getriggert von der Pandemie und Investoren, die ein Geschäft wittern. Davon profitieren in erster Linie junge Anbieter. Unsere Kolumnistin Gudrun Porath bewertet die aktuelle Marktlage im Ed-Tech-Bereich.

Im Februar dieses Jahres veröffentlichte der britische E-Learning-Experte und Top-Speaker Donald H. Taylor die Ergebnisse seiner bereits im achten Jahr durchgeführten Umfrage " Global Sentiment Survey 2021". Taylor, der in Deutschland vor allem durch seine Auftritte auf der Messe "Online Educa" bekannt ist und auch als Gastgeber der englischsprachigen "Learning Technologies" fungiert, stellt in seinem Survey nur eine Frage: "What will be hot in workplace learning?". Jeder, der sich für die Umfrage registriert, kann daran teilnehmen und seine frei gewählte Antwort geben.

Upskilling und Reskilling sind Trend und Pflicht in Unternehmen

Das diesjährige Ergebnis: Reskilling/Upskilling verzeichnete in allen Regionen und Bereichen, aus denen sich Umfrageteilnehmer meldeten, die meisten Nennungen, obwohl es in den Vorjahren noch gar nicht auf der Liste der genannten Trends erschienen war. In seiner Interpretation des Ergebnisses bleibt Donald H. Taylor etwas vage und fragt lediglich, ob das nicht das tägliche Brot von Learning & Development sei.

Tatsächlich ist der Trend neu auf Taylors Liste, kommt aber bei anderen Institutionen, die uns regelmäßig mit ihren Studien beglücken, schon länger vor, etwa beim World Economic Forum. Allerdings wurde das nie so recht auf Europa und die Länder mit einem gut ausgebauten Ausbildungssystem bezogen, sondern eher auf Regionen und Bereiche, in denen es vor allem ungelernte Arbeitskräfte gibt. Jetzt - das ist meine Interpretation des Ergebnisses - ist auch bei uns angekommen, dass wir weit über Compliance und Resilienztrainings hinaus in großem Ausmaß Belegschaften (digital) trainieren, schulen und umschulen müssen. Nur so können wir künftig im internationalen Wettbewerb mithalten.

Investitionen in Ed-Tech-Startups steigen

Das haben auch Investoren erkannt und Wachstumsfantasien entwickelt. Laut Brighteye, ein Venture-Capital-Unternehmen für Ed-Tech, lagen die Investitionen in Lerntechnologien allein in Europa noch im gesamten letzten Jahr bei 711 Millionen Dollar und sind allein in den ersten sechs Monaten 2021 auf 1,04 Milliarden Dollar angestiegen. In den Markt des "Digital Corporate Learning" flossen demnach 414 Millionen Dollar, aufgeteilt auf 48 Unternehmen. Mit Degreed ist in den USA ein auch am europäischen Markt aktives neues Einhorn entstanden, das allein 153 Millionen Dollar eingesammelt hat und jetzt mit insgesamt 1,4 Milliarden Dollar bewertet ist. Auch ein deutsches Startup hat von den Wachstumsfantasien profitiert: Masterplan konnte innerhalb eines Jahres 13 Millionen Euro von Bestandsinvestoren einwerben, um sein - den eigenen Angaben zufolge - im Coronajahr von starkem Umsatzwachstum geprägtes Geschäft weiter auszubauen.

Wie etablierte E-Learning-Anbieter nun agieren

Was ist nun mit den etablierten E-Learning-Anbietern? Müssen sie darauf hoffen, ihr Wachstum allein mit höheren Umsätzen zu generieren? Nicht unbedingt, zeigt das Beispiel der Autorensoftware Articulate. Das in New York ansässige Unternehmen hat 20 Jahre nach seiner Gründung zum ersten Mal Investorengelder bekommen. Just Anfang dieses Monats flossen 1,5 Milliarden Dollar neues Kapital zu, bei einer Bewertung von 3,75 Milliarden Dollar. Bislang hat Articulate demnach 106.000 Kunden in 161 Ländern, jetzt will man sich mit dem frischen Geld über die nächsten Jahre verzehnfachen.

Womöglich braucht man große Ziele und muss die auch klar und selbstbewusst präsentieren, um die Investoren zu stimulieren. Womöglich sind traditionelle E-Learning-Anbieter hierzulande zu sehr auf ihre Technik fixiert und darauf, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Womöglich ist das nicht, was neue Investoren begeistert. Ziemlich sicher aber hat es dazu geführt, dass es hierzulande Anbieter gibt, die bereits seit weit mehr als 20 Jahren am Markt sind, die solide aufgestellt sind, ihren Mitarbeitenden sichere Arbeitsplätze bieten, ihre Kunden verlässlich bedienen und deren Technologie sich durchaus sehen lassen kann.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.

Schlagworte zum Thema:  E-Learning, Software, Personalentwicklung