Nahles ruft zu Innovationen in der betrieblichen Weiterbildung auf
Die Digitalisierung sorgt für Weiterbildungsbedarf. Diesen Umstand betonte jüngst Kerstin Jürgens von der Universität Kassel mit Blick auf die ersten Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung. "Eine große Mehrheit hat erkannt, dass die Digitalisierung uns vor neue Herausforderungen stellt", so die Studienautorin. "Qualifizierung für die Beschäftigten ist der Schlüssel, um sie zu bewältigen und als tatsächlichen Fortschritt zu gestalten." Bislang werde aber in Deutschland viel zu wenig und zu wenig systematisch weitergebildet.
Weiterbildung: Unternehmen ermutigen Neues auszuprobieren
Die Ansicht, dass die Digitalisierung ein Umdenken in der betrieblichen Weiterbildung erfordert, vertritt offenbar auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Sie hat nun ein neues Element ihrer sogenannten "lernenden Arbeitspolitik" angekündigt: eine Initiative zur Einrichtung von betrieblichen Lern- und Experimentierräumen für Arbeitsinnovationen (lesen Sie hier, weshalb eine Experimentierphase zur Öffnung des Arbeitszeitgesetzes nun gescheitert ist).
Damit will das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Unternehmen dazu ermutigen, neue Arbeitsweisen auszuprobieren. Die Digitalisierung biete vor allem Chancen, kommentierte Nahles die Initiative, dabei seien allerdings auch die Betriebe gefragt: "Viele Unternehmen erproben bereits neue Formen der Arbeitsgestaltung. Deshalb möchte ich betriebliche Lern- und Experimentierräume fördern", so Nahles.
Vorstoß: Bildungsteilzeit bei der Telekom
Wie ein Vorstoß in diese Richtung aussehen kann, zeigt ein aktueller Vorschlag, den Telekom-Personalvorstand Christian Illek gemeinsam mit Nahles vorgestellt hat. Die Idee: Ein nationales Bildungsteilzeitkonzept, das sich als Präventionsmodell in erster Linie an Menschen richtet, deren berufliche Tätigkeit durch die Digitalisierung bedroht ist.
Das sogenannte "Deutschland-Modell" soll ähnlich dem Altersteilzeitmodell funktionieren: Der Beschäftigte reduziert seine Arbeitszeit auf durchschnittlich die Hälfte und erhält 80 Prozent seines Jahresbruttogehalts. Finanziert werden soll das durch Zuschüsse der Unternehmen (zehn Prozent) und des Staats (20 Prozent).
Zusätzlich sollen die in sogenannten Lebensarbeitszeitkonten angesparten Zeit- oder Wertguthaben für die Qualifizierung genutzt werden. Die Dauer der Bildungszeit könne voraussichtlich über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren laufen.
Bildungsteilzeit mit Jobgarantie?
Diese Bildungsteilzeit sollen nach Vorstellung der Arbeitsministerin und der Telekom alle Mitarbeiter in Unternehmen beantragen können, die mindestens fünf Jahre lang im Betrieb beschäftigt sind und deren aktuelle Aufgabe durch die Digitalisierung bedroht ist. Mit einer nicht näher definierten "objektiven Prüfung" wollen die Initiatoren feststellen, welche Jobs gefährdet sind und wer damit Anspruch auf die geplante Bildungsteilzeit hat.
Gemeinsam mit dem Arbeitgeber sollen die Mitarbeiter anschließend staatlich zertifizierte Fortbildungsmaßnahmen vereinbaren, um die Beschäftigten zu befähigen, neue Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen. Während der Bildungszeit soll das Arbeitsverhältnis bestehen bleiben. Bei erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung soll der Mitarbeiter sogar eine von den Sozialpartnern zu verhandelnde langfristige Jobgarantie bekommen.
Nicht an Symptomen der Digitalisierung herumdoktern
Das neue Weiterbildungsmodell versteht Telekom-Personalchef Christian Illek als Vorstoß in der Diskussion um tragfähige Weiterbildungsmodelle für die Zukunft. Es komme darauf an, sagte Illek, nicht an Symptomen der Digitalisierung herumzudoktern, sondern vorausschauend zu handeln und so zukunftsfeste und finanzierbare Modelle für das digitale Zeitalter zu entwickeln.
Dem stimmt auch Nahles zu: "Die Digitalisierung erfordert Qualifizierung und Beratung on the job und nicht erst bei Arbeitslosigkeit. Weiterbildung ist daher zentral, um die Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten", so Nahles. "Die Politik kann hier einen Rahmen setzen, der von den Sozialpartnern und den Unternehmen mit Leben gefüllt werden muss." Dazu bräuchte es Unternehmen wie die Telekom, die vorangehen und in Lern- und Experimentierräumen testen, wie Weiterbildung und Qualifizierung für die digitale Arbeitswelt in der Praxis funktionieren kann.
Weitere News zum Thema:
Arbeiten 4.0: Doch keine Experimente zur Öffnung des Arbeitszeitgesetzes
Künstliche Intelligenz bei Versicherer: Supercomputer ersetzen Sachbearbeiter
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
653
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber wissen müssen
616
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
341
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
329
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
296
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
277
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
266
-
Acht rettende Sätze für schwierige Gesprächssituationen
202
-
Mitarbeiterfluktuation managen
1874
-
Der große NLP-Bluff Teil I: Wie alles begann
1778
-
Warum zu viel Harmonie die Produktivität zerstört
05.12.2025
-
Die richtigen Skills mobilisieren
04.12.2025
-
Personalabbau wegen Mindestlohnerhöhung
03.12.2025
-
Wie People Analytics echte Wirkung entfaltet
02.12.2025
-
Zeitfresser bAV: Wie HR-Teams unbemerkt in die Haftung rutschen
01.12.2025
-
Betriebliche Altersvorsorge im Reformmodus
01.12.2025
-
Wirtschaftskrise drückt Inklusion in deutschen Unternehmen
28.11.2025
-
MINT-Fachkräftemangel bleibt trotz Wirtschaftskrise hoch
27.11.2025
-
Tipp der Woche: Impulse für die "Arbeit an der Zukunft"
27.11.2025
-
Arbeitsplatzkultur und wirtschaftlicher Erfolg
26.11.2025