BCG-Studie: Die größten Herausforderungen für HR 2024

Für HR-Verantwortliche in Deutschland stehen 2024 die Themen Restrukturierungsmanagement sowie Nachhaltigkeit und ESG ganz oben auf der Agenda. Weltweit gesehen dominieren Personalprobleme und Talentlücken als die aktuell größten Herausforderungen, so eine internationale Studie von BCG.

In den vergangenen Jahren standen Unternehmen vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen: anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit, geopolitische Spannungen und die Spätfolgen der Coronapandemie. Ein Ende scheint nicht absehbar: Weitere, häufigere und schwerwiegendere Krisen werden erwartet. Die Personalfunktion steht damit vor der komplexen Aufgabe, auf externe Faktoren kurzfristig zu reagieren und gleichzeitig die internen Unternehmensanforderungen zur weiteren Entwicklung begleiten und mitzugestalten.

Die größten zukünftigen Herausforderungen weltweit stellen dabei Fachkräftemangel und Talentlücken, weniger liquide Talentmärkte und der wachsende Bedarf an digitaler Transformation und Innovation - insbesondere im Bereich KI – dar. Das zeigt die "Creating People Advantage 2023"-Studie der Boston Consulting Group (BCG) in Zusammenarbeit mit der World Federation of People Management Associations (WFPMA). Die internationale Studie mit rund 6.900 Teilnehmenden aus 102 Ländern zeigt die Themenfelder auf, in denen Personalfunktionen zuletzt erfolgreich agiert haben, und solche, in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind.

Personelle Herausforderungen und Talentlücken als Hindernisse

Im Rahmen der Studie wurden die Befragten gebeten, 32 in neun Gruppen zusammengefasste Themen des Personalmanagements zu betrachten und sie nach ihrer künftigen Bedeutung für ihr Unternehmen sowie nach den derzeitigen Fähigkeiten ihres Unternehmens zu bewerten.

Fast drei Viertel der Befragten nannten personelle Herausforderungen und Talentlücken als größtes Hindernis für ihr Unternehmen. Doch für strategische Personalplanung, Talentakquise und -entwicklung ist HR nur schwach aufgestellt, relevante Technologien und KI werden vernachlässigt. So sind nur 35 Prozent der Personalverantwortlichen der Meinung, dass ihre Personalmanagementfunktionen relevante digitale Technologien nutzen. Darüber hinaus sind nur 30 Prozent der Meinung, dass die Personalabteilung Daten und Analysen nutzt, um personelle Herausforderungen zu antizipieren.

"Die Befragten erkennen deutlich, dass Verbesserungen bei prioritären Themen - wie strategische Personalplanung, Weiterbildung und KI-Einsatz - für den weiteren Erfolg ihrer Unternehmen wichtig sind, aber auch, dass ihre derzeitigen Fähigkeiten in diesen Bereichen sehr schwach sind", so Jens Baier, BCG Managing Director und Senior Partner sowie Mitverfasser des Berichts. "Die Priorisierung proaktiver Investitionen in digitale und datenbezogene Fähigkeiten ist der Schlüssel zur Lösung vieler der Herausforderungen, die den Einfluss der Personalfunktionen auf das Unternehmen begrenzen."

Überblick: die größten Fehler von HR

  • Kritische Talentlücken: Viele Unternehmen verfügen nicht über die Anzahl und Qualität an Talenten, die sie eigentlich benötigen. Rund 72 Prozent der Befragten sehen diese Engpässe als die größte, geschäftliche Herausforderung an.
      
  • Geteilte Aufmerksamkeit: Unternehmen sind besser darin, auf kurzfristige externe Faktoren zu reagieren und gleichzeitig deutlich schlechter in der Lage, sich auf die für den zukünftigen Erfolg entscheidenden Prioritäten festzulegen und anschließend zu fokussieren.
      
  • Schleppende HR-Digitalisierung: Digitalisierung bleibt ein wichtiges Erfolgskriterium, doch die hierzu benötigten Fähigkeiten in den Unternehmen fehlen an vielen Stellen. Als Konsequenz muss die digitale HR-Transformation einerseits noch umfassender und schneller vorangetrieben werden, andererseits müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser geschult werden.
      
  • Falsche Priorisierung: Obwohl jedes Unternehmen seine Kontext-spezifischen Fähigkeiten aufbauen muss, haben praktisch alle Unternehmen in den folgenden Themenfeldern teils erheblichen Handlungsbedarf: Strategische Personalplanung, Mitarbeitendengewinnung, Fortbildung, Umschulung und Personalentwicklung, HR-Digitalisierung und Change-Management sowie Führungsverhalten.
      
  •  Vernachlässigung des Game-Changers künstliche Intelligenz (KI): KI scheint omnipräsent, doch die überwiegende Mehrheit der Unternehmen befindet sich noch in den Anfängen. Vorreiter-Unternehmen, die bereits mit der Einführung ausgewählter, KI-basierter Lösungen begonnen haben, profitieren von signifikanten Vorteilen entlang unterschiedlichster Anwendungsfälle in der Personalfunktion.

Restrukturierung, Nachhaltigkeit und ESG nur in Deutschland eine Herausforderung für HR

Im Vergleich zu den weltweiten Ergebnissen lassen sich einige Besonderheiten für den deutschen Markt beobachten. So gibt es Abweichungen im Vergleich zum globalen Ranking insbesondere bezüglich der aktuellen und zukünftigen Fähigkeiten. Während global aktuell die Fähigkeiten Personal- und HR-Strategie, das Ökosystem für die Talentbeschaffung und die strategischen Personalplanungsfähigkeiten im Vordergrund stehen, sind es in Deutschland die Themen Restrukturierungsmanagement sowie Nachhaltigkeit und ESG. Die künftige Bedeutung der Themen digitale HR-Lösungen und HR-IT-Architektur sind in Deutschland weit höher gerankt als global, gleiches gilt für Nachhaltigkeit und ESG.

Vergleich: HR-Herausforderungen in Deutschland und international

BCG-Studie 2024

Die teils signifikanten Abweichungen lassen sich auf marktspezifische Eigenschaften zurückführen, da viele Personalthemen durch den nationalen Arbeitsmarkt (z. B. nationale Gesetzgebungen) und die Lage der jeweiligen Volkswirtschaft geprägt sind. Für Deutschland sind hier u.a. die Auswirkungen der derzeitigen Wirtschaftslage (z. B. gestiegener Bedarf von Restrukturierungsmaßnahmen), die wirtschaftspolitische Agendasetzung (z. B. stärkerer Fokus auf Nachhaltigkeit und ESG-Standards), aber auch der Wettbewerbsdruck hin zu einer beschleunigten Digitalisierung (z. B. schnellere Einführung von integrierten HR-IT-Lösungen) zu nennen. Diese Beobachtungen gehen mit der Einschätzung der Befragten einher, dass Talentknappheit (73 Prozent) und sich verändernde Talenterwartungen (58 Prozent) die derzeit größten Herausforderungen in den Unternehmen in Deutschland darstellen. Darüber hinaus teilen lediglich 21 Prozent der Befragten die Ansicht, dass ihre Personalfunktion bereits vorausschauend wirksame Wege gefunden hat, um diesen Herausforderungen zu begegnen (weltweit stimmen dieser Aussage 37 Prozent der Befragten zu).

Handlungsempfehlungen für Führungskräfte 2024

Die diesjährigen Umfrageergebnisse haben geholfen, sechs konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, die bei der richtigen Themenpriorisierung in herausfordernden Zeiten helfen sollen.

  1. Datengestützte Personalplanung umsetzen: Auch wenn die Grundprinzipien alles andere als neu sind, stellt die strategische Personalplanung weiterhin eine große Herausforderung für die meisten Unternehmen dar. Zuletzt hat sich der Handlungsdruck allerdings weiter verschärft, da die Verfügbarkeit von datengestützten Erkenntnissen (Stichwort: KI) das Wettbewerbsumfeld zunehmend dynamischer hat werden lassen.
       
  2. Mitarbeitendengewinnung verbessern: In einem Markt, in dem Fachkräfte weiterhin knapp sind, können digitale Lösungen dabei helfen, eine noch zielgerichtetere, stärker personalisierte und nahtlose Rekrutierungskampagne zu entwerfen und umzusetzen. Zwar ist dies nur eine Seite der Medaille (neben einem attraktiven Gesamtangebot), doch erhöht sie die Erfolgswahrscheinlichkeit erheblich und ist zumeist auch noch kostengünstiger.
      
  3. In Weiterbildung und Umschulung des bestehenden Personals investieren: Die Entwicklung neuer Fähigkeiten bei bereits vorhandenen Mitarbeitenden ist wesentlich günstiger als die Gewinnung neuer Talente. Darüber hinaus führen die sich ständig verändernden Technologien ohnehin dazu, dass sich die Unternehmen – und somit die Mitarbeitenden – regelmäßig in ihren Fähigkeiten weiterentwickeln müssen.
       
  4. KI stärker nutzen: Insbesondere generative KI hat im Personalbereich das Potenzial, "Self Service"-Prozesse zu revolutionieren, die eigene Produktivität zu steigern, Kundenerlebnisse zu personalisieren und datenbasierte Talentsysteme aufzubauen. Erste Unternehmen profitieren bereits durch konkrete Anwendungsfälle entlang der gesamten HR-Wertschöpfungskette.
       
  5. Digitalisierung gesamthaft vorantreiben: Die Digitalisierung von Personalprozessen sowie die Einführung/ Weiterentwicklung entsprechender Software bleibt unabdingbar. Zu häufig fehlt es noch an konsequenter Umsetzung und Aneignung entsprechender Kompetenzen. Für Führungskräfte heißt dies, mehr Mitarbeitende mit entsprechenden HR-IT Kenntnissen einzustellen, bzw. weiterzubilden.
       
  6. Ständige(s) Change-Management und Organisationsentwicklung betreiben: Insbesondere in diesen Bereichen ist es unerlässlich, das transformative Potenzial des Wandels – aber auch dessen Fallstricke – nicht zu unterschätzen. Vor diesem Hintergrund rücken immer mehr Unternehmen das Verhalten ihrer Führungsteams (nicht nur das Verhalten Einzelner) in den Mittelpunkt.


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