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Arbeitswelt der Zukunft

Zusammenarbeit mit KI bringt neue Regeln für Teams und Führung


Zusammenarbeit mit KI: Neue Regeln für Teams und Führung

KI als Megatrend verspricht Wissen und Effizienz, ist jedoch in der Praxis vieler Unternehmen noch wirkungslos. In der Studie "Kollaboration mit KI" untersucht der Industrieverband Büro und Arbeitswelt (IBA) ganz konkret, welche Chancen die Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz eröffnet und wie KI die tägliche Arbeit, die Führung und den Wissenstransfer verändert. Ein Ausblick auf die ersten Ergebnisse.

Künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitswelt gravierend verändern – ja, klar. Weniger klar ist allerdings, wie Unternehmen nun Abteilungen umbauen und die Arbeitsteilung zwischen Menschen und Maschinen neu organisieren sollen. Genau das interessiert uns als Industrieverband Büro und Arbeitswelt, der die Büroeinrichtungsbranche im DACH-Raum abbildet – und natürlich auch, in welchen Räumen und Realitäten diese neue Zusammenarbeit mit KI künftig stattfindet. Aus unserer Sicht wird hier mehr möglich sein, als es hybride Officekonzepte bisher abbilden konnten.

In unserer aktuell erarbeiteten New-Work-Order-Studie "Kollaboration mit KI" untersucht die Trendforscherin Birgit Gebhardt die zentralen Treiber, Prämissen und Ansätze zur Kollaboration mit KI. Erste Ergebnisse der Studie stellen wir im Folgenden vor, vertieft und zum Download finden Sie diese im aktuellen Pre-Read auf IBA Online. Die vollständige Studie wird im Rahmen des "Wherever Whenever - Work Culture Festival" auf der Orgatec 2026 präsentiert. 

KI als zentraler Impulsgeber für eine neue Zusammenarbeit 

Starten wir mit einem Blick in die nahe Zukunft. Unsere These: KI wird zum zentralen Impulsgeber für neue Formen der Zusammenarbeit werden. Künstliche Intelligenz ist kein ganz neues Phänomen. Sie begleitet uns seit den Anfängen des Machine Learning auf Großrechnern und in der Automatisierung industrieller Prozesse, als Motor für Effizienz, Prognose und Automatisierung. Später erlebten wir ihre Leistungsfähigkeit bei Spielen wie Schach, im algorithmischen Börsenhandel der 1980er-Jahre oder in der visuellen Mustererkennung von Bildern von Stadträumlichen bis in zelluläre Strukturen hinein. Und dennoch: Verglichen mit dem, was jetzt geschieht, erscheint die bisherige digitale Transformation nur als Auftakt. Mit Large Language Models und Generative AI hat sich die KI-Entwicklung qualitativ verschoben. Sie ist nicht mehr bloß ein Analyse- und Automatisierungstool im Hintergrund, sondern wird gesprächig, kreativ und intuitiv nutzbar.

Und mit diesen neuen Qualitäten verändert KI unsere Zusammenarbeit. KI kann heute Sprache und Bilder verstehen, Dialoge führen, Inhalte dokumentieren und selbst generieren – und das in einem iterativen Modus aus kreativer Varianz und Try-and-Error-Fortschritten. Vor allem ihre niederschwellige Verfügbarkeit über einfache Interfaces bringt sie direkt in den Alltag von Teams und Organisationen. Damit steigt der Druck – und zugleich die Chance – KI nicht nur als Werkzeug, sondern als Impulsgeber für neue Formen der Zusammenarbeit zu verstehen. Denn wenn Technologie plötzlich überall andocken kann, verändern sich nicht nur Prozesse und Geschäftsmodelle, sondern auch die gesellschaftlichen, kulturellen und organisationalen Grundlagen, auf denen Zusammenarbeit beruht.

Wie KI Technologie, Ökonomie, Gesellschaft und Unternehmenskultur verändert

Die Schubkräfte für den Megatrend KI kommen aus mehreren Richtungen: 

Technologisch verweist Künstliche Intelligenz nicht bloß auf eine weitere digitale Funktion, sondern auf ein Bündel an adaptiven Fähigkeiten, die sich vernetzen, speisen, trainieren und erweitern lassen. Sie ist damit nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Querschnittstechnologie des digitalen Zeitalters. Sie verbindet Front- und Backoffice, Prozesse und Produkte, Märkte und Kunden, Menschen und Maschinen. Diese Verknüpfung schafft eine neue Integrationslogik, die Zusammenarbeit über klassische Grenzen hinweg möglich macht. KI kann Arbeitsumgebungen über Augen und Ohren stülpen und in simulierte Anwendungskontexte verwandeln. 

Ökonomisch verspricht KI nicht nur Effizienzgewinne durch Prozessautomatisierung, sondern zwingt Unternehmen, die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine neu zu definieren. So lassen sich Prozesse verschlanken, beschleunigen und zugleich neue Wertschöpfungspotenziale eröffnen. Besonders KI-Agenten, die ganze Workflows abteilungsübergreifend übernehmen können, machen das Silodenken obsolet. Sie öffnen Wissenszugänge für gemischte Teams, binden externe Partner ein und schaffen damit Plattformen für kollaboratives Arbeiten. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsmodelle für die Organisationen, die diese Agenten trainieren und betreiben.

Gesellschaftlich eröffnet Künstliche Intelligenz neue Spielräume sozialer Interaktion. Sie prägt Kommunikationsformen in sozialen Medien, verändert Lernwege und rückt Bildungschancen in neue Kontexte. Damit verbunden ist die Herausforderung, Deskilling zu vermeiden – also nicht nur Routinen an Maschinen abzugeben, sondern zugleich durch Upskilling die Qualifikationen von Menschen zu erweitern. KI wird zum Katalysator für Teamarbeit in gemischten Gruppen, in denen unterschiedliche Perspektiven zusammenfinden und kollektives Wissen entsteht. Weil KI Entscheidungen vorbereitet und Handlungsmöglichkeiten eröffnet, wächst auch die Notwendigkeit, sie kritisch zu hinterfragen und gesellschaftliche Verantwortung klar zu verankern. Die gesellschaftlichen Prämissen stehen in Beziehung zu den ökonomischen Zwängen. Erst im Zusammenspiel teils gegensätzlicher Erfordernisse werden die Rahmenbedingungen konkret und die Ableitungen zukunftsfähig. 

Kulturell verändert KI die Erwartungen an User Experience. Systeme personalisieren, antizipieren und schaffen in erweiterten Realitäten (Augmented, Virtual, Mixed) neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Arbeit wird dadurch zunehmend hybrid – sie bewegt sich zwischen Präsenz und Digitalität, virtuellen Meetings und realen Laboren. Gleichzeitig treibt KI die Entwicklung von Physical AI voran, indem sie digitale Intelligenz mit physischen Umgebungen verbindet und neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Raum schafft. Die gemeinsame Arbeit an virtuellen Simulationen oder digitalen Modellen bietet nicht nur technische Vorteile – faktenbasiert in Echtzeit, über Standorte hinweg. Sie kann auch die Arbeit am Produkt von Blue-Collar- und White-Collar-Workern inhaltlich zusammenbringen. Was KI-basierte Kollaborationssysteme können, sollte dem Büro nicht verwehrt bleiben. Beispiele, wie die real-physische Nähe zu Produkt und Fertigung die Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Büro näher an die digitale Fabrik rücken lässt, finden sich im Forschungs- und Innovationszentrum von BMW oder in der Bionic Workbench von Festo. 

KI in der Unternehmenspraxis: neue Regeln und Verantwortlichkeiten nötig

Künstliche Intelligenz verschiebt den Büroalltag von der Arbeitsteilung Mensch-Mensch hin zur Arbeitsteilung Mensch-Maschine-Mensch. Kollaboration wird dadurch schneller, datenreicher und dynamischer – verlangt aber zugleich nach neuen Regeln, Verantwortlichkeiten und einer Kultur des kritischen Umgangs.

In der New-Work-Order-Studie analysieren wir, wie die Querschnittstechnologie KI Arbeitsteilung und Zusammenarbeit grundlegend verändern könnte. Dabei stellt sich die Frage, ob unser gesellschaftlicher Konsens für einen verantwortungsvollen Umgang mit KI unter den neuen Rahmenbedingungen überhaupt weiterhin tragfähig ist. Unternehmen werden die Spielregeln für  Zusammenarbeit anpassen und die Rahmenbedingungen neu gestalten müssen, sodass der Mensch im Mittelpunkt bleibt und sich das Büro als Arbeitsumfeld zukunftsfähig weiterentwickeln kann.

KI verändert die tägliche Zusammenarbeit 

KI erweitert nicht nur die Zahl der verfügbaren Werkzeuge, sondern wird zu einem aktiven Partner in der Kollaboration. Während früher Dokumente geteilt, Aufgaben verteilt und Meetings koordiniert wurden, können KI-Agenten heute Arbeitsprozesse mitgestalten. Sie strukturieren Informationen, fassen Diskussionen zusammen, erinnern an offene Punkte und schlagen nächste Schritte vor. Damit entlasten sie Teams von Routinen und versprechen Raum für strategische und kreative Arbeit. Theoretisch, denn Unternehmen, die unter Effizienz- und Performancedruck stehen, werden diesen Raum nicht automatisch freigeben – zumal KI zunehmend auch strategische und kreative Aufgaben löst.

Gleichwohl gibt es mehrere Gründe, warum Unternehmen wie Mitarbeitende diesen Raum und klare Regeln für dieses neue Zusammenspiel brauchen:

  1. Menschen tragen die Verantwortung für Entscheidungen mit KI und brauchen Schutzräume für kritisches Hinterfragen und gegenseitiges Feedback.
  2. Unternehmen verwalten künftig sowohl KI-Agenten als auch menschliche Mitarbeitende – und müssen die Arbeitsteilung langfristig so gestalten, dass sie nicht nur Kosten spart, sondern ihren Angestellten Lernchancen, Upskilling und Rollentausch ermöglichen, um Positionen mit Verantwortung besetzen zu können.
  3. Um Urteilskraft, Rollenflexibilität und Vertrauen aufbauen zu können, müssen Erfahrungen und Fehler gemacht werden dürfen. Mit KI geschieht das in simulierten Anwendungskontexten. Im Büro hätte das Lernen reale multisensorische Vorteile, die genutzt werden sollten. 
  4. Damit Menschen mit der Kreativität der KI mithalten können, müssen sie spielen dürfen, meint Birgit Gebhardt und sieht das Büro quasi als die reale "Sandbox". 
  5. Vor allem müssen Mitarbeitende die Vorzüge ihrer natürlichen Intelligenz kennenlernen und anwenden können. Damit diese Qualitäten auch vom Unternehmen erkannt und befördert werden können, braucht es überprüfbare Spielregeln und weiterführende Kriterien als rein quantitative Kennzahlen zur effizienten Erledigung. 

KI erfordert neue Spielregeln für Führung 

Auch in der Führung verändert KI die Spielregeln. Automatisierte Analysen, Dashboards und Vorhersagen unterstützen heute schon Managemententscheidungen und sollen Führungskräfte von Routine entlasten. Doch die Realität zeigt auch: Wenn Führung sich auf KI-gestützte Zahlen verlässt, besteht die Gefahr, dass Urteilsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein erodieren. Deshalb braucht es eine Gegenbewegung:

  1. Gerade Führungskräfte müssen lernen, KI-Ergebnisse kritisch zu hinterfragen, Bias zu erkennen und Transparenz zu schaffen. 
  2. Da sie auf Fachbereichsebene (mit)entscheiden, ob die KI oder ein Mensch zum Einsatz kommt, müssen Führungskräfte das Potenzial ihrer Mitarbeitenden besser kennen und gezielter fördern. 
  3. Sie müssen Zeitfenster einräumen und Austausch anstiften, um kritische Kompetenz fördern – also Teams zu befähigen, KI-Ergebnisse zu prüfen, einzuordnen und auch zu widersprechen.
  4. Sie müssen eine Kultur schaffen, in der Menschen Mut haben, sich gegen KI-basierte Routinen zu stellen, wenn sie Fehler erkennen.
  5. Führung heißt zunehmend, Mensch und Maschine sinnvoll zu orchestrieren, Verantwortlichkeiten klar zu trennen und Vertrauen in die Zusammenarbeit der Teams zu bringen. 

Führung wandelt sich damit von reiner Entscheidungsautorität hin zu einer Moderations- und Verantwortungskultur zwischen Mensch und Maschine. Und wo der Rahmen deutlich gestaltet werden muss, spielt auch der Raum eine neue Rolle. 

Wissenstransfer mit KI: Rahmenbedingungen und Grenzen 

Gerade im Wissenstransfer scheint KI das zu gelingen, was Menschen in Organisationssystemen bisher erschwert wurde: Abteilungswissen aufzubrechen, Barrieren zwischen Silos abzubauen und damit Daten, Codes und fachspezifisches Unternehmenswissen in natürlicher Sprache zugänglich zu machen. Mitarbeitende können sich Inhalte generieren lassen, Zusammenfassungen abrufen oder ganze Lernpfade automatisiert erstellen. KI-Systeme speichern, verknüpfen und vermitteln Wissen schneller und breiter, als es je möglich war. Und auch für die Mitarbeitenden bedeutet Wissenstransfer nicht mehr nur, Informationen weiterzugeben, sondern auch das Urteil zu trainieren, wie valide, relevant und verantwortbar KI-generiertes Wissen ist.

Doch die Anwendungsrealität zeigt auch: Wenn die KI scheinbar jede Frage beantworten kann, wenn ihr Wissen überall zugänglich und das Ergebnis immer schneller parat ist als die eigene Lösung, verlernt der Mensch den Prozess des Erarbeitens, Abwägens und Einordnens. Das Risiko von Deskilling wächst, das Vertrauen in eigene Fähigkeiten sinkt und die KI übernimmt. Deshalb braucht es auch hier Rahmenbedingungen:

  1. Unternehmen müssen bewusst Räume für menschliche Lernerfahrungen schaffen, z. B. durch gemeinsame Reflexion, kritisches Review und Praxisprojekte.
  2. Dafür braucht es Räume für multiperspektivischen Austausch oder auch multisensorische Rituale, die unterschiedliche Standpunkte auf einer Resonanzebene zusammenbringen.
  3. Für die Lösungsfindung im Team, die schrittweise mit KI erfolgt, helfen vordefinierte Prozessschritte, die den Beitragenden genug Raum für ihre eigene Vertiefungsarbeit gewähren – sowie das Wissen, an welchen Stellen der Mensch wichtig ist und welche Arbeitsumgebung sie erfordert. 


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