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Arbeitswelt der Zukunft

Die neue Rolle von KI bei Innovationsprozessen und Wissensarbeit


Rolle von KI bei Innovationsprozessen und Wissensarbeit

Künstliche Intelligenz verändert nicht nur die Arbeitsverteilung oder Prozesse – sie verändert auch die Art, wie Wissen entsteht, geteilt und weiterentwickelt wird. Die neueste Ausgabe der New-Work-Order-Studie zeigt den Einfluss von KI auf Innovation und Lernen - und wie Unternehmen diese Prozesse integrieren können. 

Wenn KI-Agenten künftig Aufgaben in Datenanalyse, Einkauf oder Projektmanagement übernehmen, verschiebt sich die Rolle des Menschen stärker in Richtung Gestaltung, Bewertung und Interpretation. Und auch hier wird KI zunehmend unterstützen, beispielsweise indem sie Fakten und Prognosen oder Visualisierungen und Entwürfe zur Entscheidungsfindung bereitstellt.

Doch wie sieht sie aus, die direkte Zusammenarbeit mit KI? Wie generieren Menschen neue Kompetenzen und neues Wissen für die eigene Entwicklung und für die des Unternehmens? Diese Fragen beleuchtet das Pre-Read der New-Work-Order-Studie "Kollaboration mit KI" (siehe Hinweis am Textende) ganz konkret am Innovationsprozess, der kollaborativen Wissensgenerierung von etwas Neuem. 

Die neue Logik der Wissensgenerierung

Wie Unternehmen künftig innovativ bleiben, hängt eng mit ihrer Fähigkeit zusammen, Wissen zu erzeugen und zu vernetzen. Darauf verweist Ann-Katrin Eicke, Assistenzprofessorin an der LMU München. In ihrer Untersuchung von rund 50 Unternehmen, die KI konsequent in ihre Prozesse integriert haben, beschreibt sie zwei Richtungen der Wissensgenerierung: "Die eine erfolgt effizienzgetrieben-exploitativ, um mehr aus dem eigenen Kompetenzzentrum herauszuholen, und die andere explorativ, indem sie aktiv neue Impulse von außen miteinbezieht." Wirklich innovationsfähig werden Organisationen, wenn sie beide Formen miteinander verknüpfen, was nach bisherigem Verständnis zwei komplementären Haltungen in einer Organisation entspricht. KI kann diese nun verbinden, wenn man sie nicht nur im technologischen, sondern auch im organisatorischen Sinne als Querschnittstechnologie versteht. "Dann wirkt KI als sogenannte 'General Purpose Technology', die Impulse in unterschiedlichste Bereiche tragen kann", so Eicke. So trägt auch die KI dazu bei, Departments zur Zusammenarbeit zu bewegen, Wissen aktiv zu teilen und Ergebnisse der gesamten Organisation zugänglich zu machen.

Wissenszuwachs bei kreativer Zusammenarbeit

Wie erfolgt nun diese cross-funktionale Arbeitsweise? "Mensch und KI sollten gemeinsam und iterativ agieren", so Eicke. Sie erläutert: "Die KI generiert einen Vorschlag, der Mensch reflektiert, bewertet, hinterfragt und entwickelt weiter – häufig mit, aber auch mal ohne KI. Dieses Wechselspiel kann kreative Impulse fördern, neue Perspektiven aufzeigen und helfen, eigene Denkprozesse zu hinterfragen." Vor allem die schrittweise Annäherung sei wichtig, "um auch im Team eine kognitive Anreicherung zu erfahren und Wissen nicht an die KI auszulagern", so Eicke. Doch wenn Maschinen zunehmend mitdenken, was bedeutet das für das Lernen selbst?

Upskilling: Lernen als kollektiver Prozess

Die entscheidende Fähigkeit der Zukunft wird sein, richtig einzuordnen: zu bewerten, was Systeme vorschlagen, und selbständig weiterzudenken. Dafür braucht es neue Lernformen, die Reflexion, Diskurs und gemeinsame Wissenskonstruktion fördern.

"Für die Wissenskonstruktion ist es entscheidend, dass jeder auf das gemeinsame Produkt schaut - egal, ob es vom Menschen oder der KI kommt – und prüft: Taugt es oder nicht?" Diese Erkenntnis stammt von Ulrike Cress, Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien. Sie erforscht, wie Menschen in digitalen Umgebungen Wissen gemeinsam aufbauen und bezieht damit Wissensplattformen wie Wikipedia, Metaverse oder digitale Zwillinge als Lern- und Kollaborationsräume mit ein. Um die zwischenmenschliche Lernintensität zu steigern, empfiehlt sie, "wie bei Wikipedia zu versuchen, verschiedene Ebenen voneinander zu trennen, z. B. in einen Raum, der task-orientiert ist und wo das Ergebnis präsent ist, und andere Räume, in denen eher das Soziale, Kommentierende stattfindet. Hier kann z. B. die History sichtbar werden, die das Reasoning zeigt". Cress betont dabei die Bedeutung geteilter Erfahrungsräume: "Menschen sollten eine gemeinsame Erfahrungswelt erleben, gemeinsam auf Dinge zugreifen können." Real-räumlich übersetzt heißt das: "Ein Brainstorming-Raum sollte anders aussehen als ein Raum, in dem Menschen tief in eine Problemlösung einsteigen. Die unterschiedlichen Räume brauchen unterschiedliche KIs, Tools und Artefakte."

Die bewusste Trennung von Sach- und Sozialebene kann angesichts des ganzen fachlichen Cross-overs eine hilfreiche Orientierung für die Qualität des eigenen Beitrags und die Gruppendynamik im Team sein. Ähnlich auch wie die beschriebenen Schritte im Innovation Funnel, die unterschiedliche Arbeitshaltungen erfordern. 

Komplementäre Intelligenzen: Design Thinking trifft KI

Der Design-Thinking-Prozess nach dem sechsstufigen Stanford-Modell der D-School gilt hier als typische Methode, die nun natürlich auch von KI durchwandert wird. Gleichwohl lebt die Innovationsmethode vom impliziten Wissen der Beteiligten, ihrem Erfahrungsschatz, der kulturellen Prägung und ihrem Vorstellungsvermögen. Daher findet Semih Aridogan, Akademieleiter der Innovationsagentur Dark Horse, es wichtig, humane wie künstliche Intelligenz ganz bewusst und passend zur Arbeitsabsicht einzusetzen. "Design Thinking löst neuartige, noch nicht klar definierte Probleme, während KI aus vorhandenen Daten extrapoliert – und bei Unsicherheiten an Grenzen stößt", erklärt er und macht es an zwei Schritten deutlich: "Gerade in frühen Phasen beim 'Verstehen' und 'Empathisieren' zählen Beobachtung, Fühlen und Körpersprache. Fehlt diese gemeinsame Storming-Phase, verlieren Teams Alignment und Motivation – etwas, das keine Maschine ersetzen kann".

Aridogan sagt weiter: "In der Ideation-Phase dagegen beschleunigt KI die Vielfalt an Ideen, strukturiert Informationen und erweitert den Möglichkeitsraum. Priorisierung bleibt jedoch eine menschliche Entscheidung, weil sie Kontext, Mut und geteilte Werte verlangt." Entsprechend sieht auch der Leiter der Dark  Horse Academy KI als Sparingpartner in kreativen Prozessen: Sie liefert Breite und Tempo, während Menschen Tiefe und Bedeutung schaffen. Erst im Zusammenspiel von implizitem Wissen und maschineller Logik entsteht das wirklich Neue. 

Veränderung von Innovationsprozessen durch KI 

Mit den allzeit verfügbaren Informationen und durch den cross-fachlichen Erkenntnistransfer könnten sich auch die Innovationszyklen und damit die gesamte Aufhängung der Innovation in der Organisation verändern (siehe Teil 2 der Studienvorstellung mit F&E als zentralem Unternehmenswert). 

Menschliche Kreativarbeit, die bisher in intern festgelegten Innovationszyklen erfolgte, erhält durch Customer-Journey-Daten via Marketing und After-Sales faktenbasierten Input, welche Features wie genutzt werden. "Erkennt die KI hier Musterbrüche im Kundenverhalten, könnte das künftig den Innovationsprozess auslösen, der heute noch von Modellreihen in vordefinierten Produktionszyklen bestimmt wird", meint Jan Recker, der als Wirtschaftsinformatiker Informationssysteme und digitale Innovation erforscht. Mehr noch: Die Mustererkennung der KI könnte nicht nur den Startpunkt des Innovationsprozesses auslösen, sondern den gesamten Entstehungs- und Produktlebenszyklus in der Kreislaufwirtschaft nachvollziehbar machen. "Dazu sollte KI über alle Fachbereiche hinweg implementiert sein, zum Beispiel als ein 'Central Service', der allen in der Organisation zur Verfügung steht", meint Recker, damit sich menschliche und maschinelle (Design-)Fachkompetenzen aufgabenspezifisch und abteilungsübergreifend vernetzen.

Die Mensch-Maschine-Kreation lädt neue Player ein

Bei der Erforschung von Human-Machine Designer-Ensembles konnte auch Recker erkennen, dass KI den Innovationsprozess über ihre Mustererkennung, Analysen und Co-Kreation an nahezu jedem Schritt begleiten kann. Dies ermögliche, so Recker, dass nicht nur spezialisierte Ingenieure und Designer an Innovationsprozessen beteiligt sind, sondern verschiedene Abteilungen und Rollen direkt eingebunden werden können. Die Erweiterung des Innovatorenkreises erfordert wiederum, dass Unternehmen neue Formen der Zusammenarbeit etablieren: 

  1. Um den Einsatz von KI richtig zu steuern, müssen Teams über Abteilungsgrenzen hinweg inhaltlich enger zusammenarbeiten.
  2. Um neue Akteure in den Designprozess einzubinden, benötigen interdisziplinäre Teams mehr Abstimmung und einfachere Kommunikationsformen. 
  3. Damit Menschen die Verantwortung für Entscheidungen tragen können, ­müssen Kritik, Feedback und Konsensfindung an Bedeutung gewinnen.

Neue Nähe zwischen Entwicklung und Produktion

"Die Entwicklungsgeschwindigkeit von Erfindungen wird dramatisch zunehmen", prognostiziert auch Stephan Baier, Global Industry Sector Lead für KI-Strategien bei MHP. Um Ideen besser skalieren zu können, müsste F&E näher an die Umsetzung rücken. Auch in der digitalen Produktion sind neue Entwicklungsspielräume entstanden. Wo lohnt sich also die Zusammenarbeit von Büro und Fabrik? 

Die KI assistiert mit Digital Twins, Generative AI und Physical AI – Tools und Techniken, die sowohl in der Produktion, als auch in der Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Damit verschwimmt die klassische Trennung von Büro und Fabrik und öffnen Raum für gemeinschaftliches Protoyping, wo KI den Sprung durch die Realitäten erlaubt. Die Innovationskraft liegt hier in der Verbindung von Fachwissen, Experimentierfreude und Umsetzungs-Know-how. 

Fazit: Lernen, Vernetzen, Neues schaffen

Während die KI scheinbar komplementäre Stränge kreativ und effektiv zu verbinden weiß, suchen Menschen in der Zusammenarbeit intuitiv nach bekannten Strukturen und Kollegen mit Selbstähnlichkeit. Damit sind wir der Standardisierung näher als die KI und fern von Innovationsfähigkeit oder Mündigkeit in der Verantwortungsübernahme. Der geschilderte Wandel im Innovationsprozess verweist aber auf den Raum und den Rahmen, den unsere Zusammenarbeit braucht, um empathischer, effektiver und kreativer zu werden.

Design- und Innovationsprozesse aktivieren heute nicht nur individuelles, sondern kollektives Wissen und führen Organisationen dahin, Lernen und Entwickeln als fortlaufenden Prozess zu begreifen. So entsteht eine neue Lernkultur, in der KI kein Ersatz für menschliche Intelligenz ist, sondern ihr Resonanzraum – gepaart mit einem Rahmen, der Denken, Fühlen und Handeln wieder auf eine gemeinsame Erfahrungsebene stellt. 


Hinweis: Die Trend- und Zukunftsforscherin Birgit Gebhardt forscht im Auftrag des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA) zur "Kollaboration mit KI". Die 6. New-Work-Order-Studie wird auf dem "Wherever Whenever - Work Culture Festival" auf der Orgatec 2026 vorgestellt. Erste Erkenntnisse mit Expertisen aus Wirtschaft und Wissenschaft gibt es jetzt in einem Pre-Read der Studie zu lesen.


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