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Arbeitswelt der Zukunft

Arbeitsteilung mit KI-Agenten


Arbeitswelt der Zukunft: Arbeitsteilung mit KI-Agenten

In vielen Unternehmen wird Künstliche Intelligenz lediglich assistierend eingesetzt, doch Mensch und Maschine können wesentlich produktiver und wertschöpfender zusammenarbeiten. Eine neue Studie beleuchtet die Voraussetzungen zur Integration von KI als autonome Agenten im Unternehmen und klärt Rollen und Strukturen der Zusammenarbeit.

Unternehmen, die wie Microsoft, SAP oder Salesforce konsequent Künstliche Intelligenz (KI) als Querschnittstechnologie einsetzen, zeigen derzeit, wie generative Künstliche Intelligenz, kurz GenAI, und Agenten-Tools in bestehende Strukturen eingebettet werden können, um die Performance zu steigern. Doch wirkliche Sprünge entstehen erst, wenn Organisationen ihre Strukturen, Rollen und Prozesse konsequent auf die Kooperation von Menschen und KI-Agenten ausrichten. 

Von KI-Assistenz zu KI-Agenten

Mit KI verändert sich Wissensarbeit grundlegend: Datenverarbeitung und Informationsaustausch werden nicht mehr nur organisiert, sondern zunehmend automatisiert. "Arbeitsteilung" bedeutet nun, dass Maschinen selbst Teil der Wertschöpfungskette werden – und damit menschliche Tätigkeiten neu herausfordern. Generative KI und Agentensysteme können Prozesse beschleunigen, Personal entlasten und Ergebnisse verbessern – aber nur, wenn Menschen und Agenten synergetisch kooperieren. Dafür braucht es Organisationen, die ihre Strukturen nicht einfach mit KI überlagern, sondern sie zentral nach intelligenten Wertschöpfungslogiken ausrichten. 

Mit sogenannten Multiagentensystemen kommt eine ernstzunehmende Workforce in die Organisation. Während AI-Assistants wie Copilot oder Chat GPT noch reaktiv auf Anfragen antworten und einzelne Arbeitsschritte erledigen, agieren AI-Agents autonom. Sie verfolgen Ziele, orchestrieren Tools und Systeme und lernen in der Situation. In Multiagentensystemen können sie ganze Prozesse abbilden – von Research über Analyse bis hin zur Umsetzung und Qualitätskontrolle. Daraus entsteht emergentes Verhalten, also neue Fähigkeiten, die über die Summe der einzelnen Agenten hinausgehen. 

Tätigkeiten von Multiagentensystemen 

Zu den Aufgaben, die Multiagentensysteme übernehmen, gehören:

  1. Projektsteuerung: Zum Beispiel bei der Einführung eines neuen Tools planen Projektsteuerungsagenten die Abläufe, dokumentieren Abhängigkeiten, überwachen Termine und Kosten und informieren die Projektleitung über Risiken oder Verzögerungen.
  2. Forschung und Analyse: Research-Agenten können Datenquellen durchsuchen, Informationen bewerten, zusammenfassen und nächste Schritte (z. B. statistische Analysen) im Workflow anstoßen. Sie können zu Hypothesen anregen und Simulationen ausführen, ohne dass ein Mensch jeden Schritt vorgeben muss.
  3. Entscheidungsmanagement: In Supply-Chain-Szenarien können Agenten Lieferströme überwachen, Engpässe erkennen und automatisch neue Routen oder Bestellungen auslösen. In Finanzsystemen können sie Portfolios überwachen, Risiken berechnen, Handlungen vorschlagen oder Transaktionen ausführen.
  4. Content- und Software-Produktion: Ein Set von Agenten kann gemeinsam eine Website befüllen oder ein Softwaremodul erstellen. Einer plant die Architektur, andere schreiben den Code, testen oder texten und dokumentieren. Sie koordinieren ihre Arbeit – ähnlich wie ein menschliches Team – in Sprints.

Agentic AI: Mehr als die Summe ihrer Teile

KI-Agenten werden nicht nur zu "digitalen Kollegen", sondern auch zu neuen Wertschöpfungsträgern. Wer sie besitzt, kann sie intern steuern, aber auch monetarisieren – etwa durch Token-Systeme, durch die Vermietung von Multiagentensystemen oder über neue Geschäftsmodelle als Agenten-Provider. Wer sie nicht besitzt, läuft Gefahr, wie in der digitalen Transformation erneut nur die Kostenreduktion zu optimieren, während die eigentliche Wertschöpfung bei Plattformanbietern verbleibt. Und so verwundert es nicht, dass in der Tech- wie Startup-Szene erste "AI-native Companies" entstehen, die alles für die Agentic Workforce umbauen und versuchen, ihr Geschäft als Agenten-Provider zu erweitern. 

Wie bewegen sich Unternehmen nun auf diese Zielgerade zu? Die Maßnahmen sind derzeit euphorisch, was die Hoffnungen in die Agentensysteme betrifft, und ernüchternd, wie die Entlassungswellen zeigen. Einsparpotenziale sieht man vor allem in Verwaltungsbereichen, wie etwa bei der Lufthansa Group, die plant, hier 4.000 Angestellte einzusparen. Im September 2025 reduzierte Salesforce allein seinen Customer Service um 4.000 Mitarbeitende – weniger, als man sich an der Börse erhofft hatte. 

Wie KI-Agenten die Rolle der Beschäftigten verändern

Das zeigt: Damit Synergien zwischen Teams und KI-Agenten spürbar werden, muss die Arbeit neu verteilt und organisiert werden. Bei Unternehmen, die KI integriert haben, verändern sich die Rollen der Mitarbeitenden. Am Beispiel Salesforce zeigt sich: Die AI-driven Company nutzt KI-Agenten, um Synergien zu schaffen und Mitarbeitende in wertschöpfendere Aufgaben zu bringen – etwa Kundendienstmitarbeiter in den Vertrieb mit direktem Kundenkontakt, Neukundenakquise oder After-Sales-Aufgaben. Gleichzeitig müssen Mitarbeitende lernen, abteilungsübergreifend und flexibel neue Rollen zu übernehmen, um neben den Agenten erfolgreich zu arbeiten.

Die Verschiebung hin zu neuen Rollen und abteilungsübergreifender Flexibilität erfordert nicht nur Anpassungen auf individueller Ebene, sondern baut auf den Erfahrungen aus der digitalen Transformation auf. Vieles, was dort an agiler Projektarbeit, eigenverantwortlicher Selbstorganisation, fachübergreifenden Teams und schrittweisen Feedbackschleifen eingeführt wurde, weist genau in die richtige Richtung. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – die agile Arbeitsweise häufig gegen bestehende Strukturen stieß, mobilisierte sie die Kräfte, die Ziele erreichen, Prozesse vereinfachen oder Neues ausprobieren zu wollen. So profitieren diejenigen, die aktiv gestalten und verbessern – sowohl für ihr eigenes Arbeitsfeld als auch für das Unternehmen insgesamt.

Strategische KI-Orientierung gefragt

Folglich muss die KI-Transformation von beiden Enden weitergetrieben werden: Bottom-up – aus den Abteilungen heraus, die ihre "Pain Points" kennen und fachlich am besten beurteilen können, wo KI die eigene Arbeit verbessert – und Top-down, aus der Vorstands- oder C-Ebene als Konsens für eine KI-Strategie, die ihre unternehmerischen Vorteile organisatorisch nach innen übersetzt und dafür einen Plan kommuniziert. 

Eine strategische KI-Orientierung bedeutet, dass Unternehmen KI nicht nur punktuell in Pilotprojekten einsetzen, sondern ganzheitlich in ihre Strukturen und Prozesse einbetten, um beispielsweise neue Geschäftsmodelle, direkte Vertriebswege oder schnellere Innovationszyklen zu ermöglichen. Doch wie gelingt diese neue Ausrichtung? Die New-Work-Order-Studie "Kollaboration mit KI" antwortet mit einem neuen Wertschöpfungsmodell, das nach den zentralen Wertbeiträgen im Unternehmen fragt und die Organisation entsprechend darauf ausrichtet. Mit Blick auf den deutschen Mittelstand könnte die Innovationskraft den zentralen Unternehmenswert darstellen und über die Forschungs- und Entwicklungsabteilung zentral in der Organisation verankert werden.

Vernetzte Wertschöpfung mit Innovation im Zentrum

Wie könnten wir uns eine F&E-zentrierte Wertschöpfung in der Organisation vorstellen? Das lässt sich gut in einer Kreislogik darstellen, in deren Zentrum die F&E-Wertschöpfung steht. Strategische Querschnittsfunktionen wie Strategie & Governance, IT & KI-Infrastruktur, Finance & Legal sowie HR bilden den äußeren Rahmen. Diese Struktur verdeutlicht nicht nur die Möglichkeit, direkter zu kommunizieren und zu kollaborieren - sie könnte auch gleich als Metapher für ein zirkuläres Unternehmen dienen, das versucht, aus der Kreislaufwirtschaft neue Informationen und Mehrwerte für sein Geschäft zu generieren.

Eine wesentlich größere Rolle als bisher würde dabei der IT zufallen. Zuständig für Informationstechnologie, KI & Data Infrastructure funktioniert sie nicht nur als Support, sondern als Enabler, der alle Prozesse durchzieht. Eine Herausforderung liegt jedoch im Management des Agenten-Ökosystems: Welche Aufgaben übernehmen diese autonomen Systeme? Wie arbeiten sie miteinander – und mit Menschen?

Auch die Rolle von HR gewinnt an Bedeutung, wenn neben Angestellten auch Agenten Arbeitsfunktionen und Rollen übernehmen. Effizienz entsteht hier durch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Das erfordert eine engmaschige Zusammenarbeit von HR mit der IT und den Führungskräften. Entscheidend ist dabei der Überblick über benötigte Skills: Welche Kompetenzen müssen wo entwickelt werden? Entsprechend rücken im erdachten Wertschöpfungsmodell die Rahmenfunktionen näher an operative Abteilungen heran. Das verspricht mehr Überblick, mehr Austausch und mehr Rollenflexibilität zwischen den Prozess-Involvierten.

Dieses Modell der vernetzten zirkulären Wertschöpfung ist als Diskussionsansatz zu verstehen, Zusammenarbeit in der Organisation mit Agenten neu auszurichten. Wenn sich Arbeitsteilung und Rollen in Unternehmen so grundlegend verändern, brauchen nicht nur die Agentensysteme einen strategischen Rahmen und klare Ziele, um erfolgreich zu operieren. Die Organisation und die Mitarbeitenden brauchen es auch. Wer diese Zusammenarbeit wertschöpfend gestaltet, kann Effizienz, Innovationskraft und Performance nachhaltig steigern. 

Beispiel für vernetzte Arbeitsweise im Büro

Wenn Bürotätigkeit künftig die Steuerung und Orchestrierung von Menschen und Agentensystemen bedeutet – operativ nach außen wie intern zwischen Abteilungen – bietet vielleicht die Verkehrsleitzentrale eine passende Metapher. Während Standardprozesse automatisch laufen, treffen Menschen hier Entscheidungen zu Außerplanmäßigem, Krisen oder Sonderlösungen. Der Betrieb wird an einem digitalen Zwilling visualisiert, der Echtzeitdaten abbildet, Szenarien simuliert und Entscheidungspfade kalkuliert.

In den Leitzentralen der Lufthansa Group vereinen sich so Daten aus 25 Domänen, von Wetter über Crew- bis Passagierplanung, berichtet Christian Most, Senior Director Digital Operations Optimization. "Der Zwilling bildet die Lage in Echtzeit ab, lernt und wird laufend optimiert, da sich Daten ständig ändern.", erklärt Most. Die Zusammenarbeit erfolge eng vernetzt: "Um den Status quo zu verbessern, müssen wir das Delta zwischen Regelbetrieb und Realität bearbeiten – und weil man das im Planspiel kaum herauskriegt, braucht es Echtzeit-Tests und Gespräche in realen Situationen."

Die Metapher Leitzentrale zeigt aber noch mehr: Damit Teamarbeit auch in Stresssituationen funktioniert, muss klar sein, wer welche Expertise hält, und wer wofür Verantwortung trägt. Bei der Steuerung in komplexen Systemen sorgt Hierarchie für Orientierung und Führung für Fokus – durch klare Ziele, kurze Entscheidungswege und die gezielte Entlastung oder Übergabe von Verantwortung. 


Hinweis: Die Trend- und Zukunftsforscherin Birgit Gebhardt forscht im Auftrag des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA) zur "Kollaboration mit KI". Die 6. New-Work-Order-Studie wird auf dem "Wherever Whenever - Work Culture Festival" auf der Orgatec 2026 vorgestellt. Erste Erkenntnisse mit Expertisen aus Wirtschaft und Wissenschaft gibt es jetzt in einem Pre-Read der Studie zu lesen.


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