Arbeitsmarkt: Flüchtlinge haben schlechte Jobchancen

In Zeiten des Fachkräftemangels sehen viele Unternehmen in Flüchtlingen einen Pool an schnell mobilisierbaren und einsatzbereiten Mitarbeitern. Doch Arbeitsmarktforscher dämpfen die Euphorie und warnen vor unrealistischen Erwartungen.

Manche Unternehmen, glaubt man Chef-Äußerungen, würden Flüchtlinge am liebsten gleich von der Erstaufnahmeeinrichtung weg anheuern. Andere Betriebe buhlen auf speziellen Internetseiten um die jungen und angeblich hoch motivierten Arbeitskräfte aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Zu Zeiten des zunehmenden Fachkräfteengpasses sehen immer mehr Unternehmen in Asylbewerbern ein Pool an schnell mobilisierbaren und einsatzbereiten Mitarbeitern.

Doch Arbeitsmarktforscher dämpfen diese Hoffnung und ermahnen Firmenchefs zu einem realistischen Umgang mit dem Thema.

Prognose für 2016: 610 000 Asylbewerber im erwerbsfähigen Alter

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rechnet für dieses Jahr mit 324 000 Asylbewerbern im erwerbsfähigen Alter, im Jahr 2016 mit 610 000. Die Forscher unterstellen dabei für beide Jahre einen Zustrom von jeweils einer Million Flüchtlingen. Da Viele von ihnen sich schon wegen der fehlenden Deutschkenntnisse erst einmal arbeitslos melden werden, geht das IAB für 2016 von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um 130 000 aus.

Keine guten Jobchancen für Flüchtlinge

Fachleute beurteilen die Jobchancen von Flüchtlingen zunächst nicht sehr gut. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass es oftmals Jahre dauert, bis Flüchtlinge eine Stelle finden. Zudem werden sie häufig mit schlechteren Löhnen abgespeist als schon länger in Deutschland lebende Ausländer oder Deutsche, haben Arbeitsmarktforscher festgestellt.

Jeder zweite Flüchtling ist noch nach fünf Jahren ohne Job

IAB-Untersuchungen haben ergeben, dass im ersten Jahr im Schnitt lediglich acht Prozent der 15 bis 64 Jahre alten Flüchtlinge in Deutschland eine Arbeit gefunden haben. Und selbst nach fünf Jahren hatte nur jeder zweite Flüchtling einen Job, nach zehn Jahren waren es 60 Prozent und nach 15 Jahren knapp 70 Prozent. Immerhin, so betonen die Arbeitsmarktforscher, haben Flüchtlinge langfristig ähnlich gute Jobchancen in Deutschland wie Inländer - wenn sie nur ausreichend lang in Deutschland leben.

Ausbildung und Beschäftigung von Flüchtlingen

Viele Firmen würden gerne einen Flüchtling ausbilden oder beschäftigen. In welchen Branchen sind ihre Aussichten hierfür am größten? Branchenbezogenen unterscheiden sich die Beschäftigungschancen von Migranten aus Kriegs- und Krisenländern deutlich von denen der übrigen Beschäftigten. Jeder vierte Flüchtling aus einem Krisenland stammende Beschäftigte arbeitet in Hotels und der Gastronomie. Jeder fünfte ist als Lagerist, Fahrer oder im Handel beschäftigt. Auch einfachere Tätigkeiten etwa als Gebäudereiniger oder Wachmann werden im Vergleich zu deutschen Beschäftigten weitaus häufiger von Flüchtlingen ausgeübt. Der entsprechende Anteil liegt laut IAB bei 22 Prozent.

Geringe Qualifikation und Sprachprobleme

Der IAB-Arbeitsmarktforscher und Zuwanderungsexperte, Professor Herbert Brücker, macht dafür vor allem die vergleichsweise geringe Qualifikation, aber auch die Sprachprobleme vieler Flüchtlinge verantwortlich. "Für Asylbewerber kommen vor allem Tätigkeiten in Frage, bei denen sie keine hohe formelle Qualifizierung und auch kaum Deutschkenntnisse brauchen", macht Brücker deutlich. Daher eröffnen sich für Flüchtlinge möglicherweise auch in der Landwirtschaft Chancen. Die Industrie und auch der Bau beschäftigen dagegen derzeit kaum Flüchtlinge.

Deutschland braucht Zuwanderer, aber solche mit solider Schul- und Berufsausbildung

Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung wird die Zahl der Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter ohne Zuwanderer bis zum Jahr

2050 wegen der sinkenden Bevölkerungszahl um 16 Millionen sinken. Um eine solche Schrumpfung mit wirtschaftlichen und sozialpolitischen Folgen abzufedern, ist Deutschland nach Ansicht der Wissenschaftler dringend auf Zuwanderung von außerhalb der EU angewiesen. Je nach Annahmen braucht Deutschland künftig jährlich zwischen 350 000 und 560 000 Zuwanderer, um den Fachkräftebedarf zu decken. Die meisten sollten aber eine solide Schul- und Berufsausbildung mitbringen. Jenen, denen das fehlt, müssten gezielt gefördert werden.

Ausbildung von Flüchtlingen erfordert viel Geld

Angesichts des Finanzbedarfs für die Integration von Flüchtlingen mahnt der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Kretschmer klare Prioritäten der Regierung für die Berufsbildung an. "Bei der Verteilung der drei Milliarden Euro für die Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsaufgabe muss ein Schwerpunkt auf Ausbildung und Qualifikation gelegt werden", sagte der Bundestagsabgeordnete und sächsische CDU-Generalsekretär der Deutschen Presse-Agentur.

10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Flüchtlinge

Kretschmer sieht aber gute Erfolgsaussichten: «Bereits im kommenden Jahr können wir zusätzlich 10.000 Ausbildungsplätze für junge Flüchtlinge schaffen. Wir sollten die Ausbildung in privaten Betrieben durch Ausbildungsassistenten und überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen unterstützen - die Erfahrungen damit sind sehr gut." Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz der Länder, Brunhild Kurth (CDU), sieht ebenfalls den Bund in der Pflicht: «Die Berufsschulzentren mit ihren Werkstätten sind nicht nur ein idealer Ort, um Arbeitskultur zu vermitteln, sondern ein wichtiges Scharnier in Wirtschaft und Gesellschaft. Hier kann der Bund mit einer finanziellen Unterstützung viel bewegen.»

Bundesbildungsministerium investiert 130 Millionen Euro

Für Ausbildung und Integration junger Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt will das Bundesbildungsministerium bis 2017 bisher zusätzlich rund 130 Millionen Euro investieren. Wie Ministerin Johanna Wanka (CDU) sagte, ist mehr als die Hälfte der jetzt nach Deutschland kommenden Flüchtlinge jünger als 25 Jahre. Die Bundesländer beziffern ihre Gesamtkosten allein für die Schulbildung von Flüchtlingskindern im vergangenen und laufenden Jahr auf mindestens 2,3 Milliarden Euro.

dpa
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