1 Sozialversicherungsrechtliche Voraussetzung

Nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung gehören bestimmte Einnahmen, Beiträge und Zuwendungen des Arbeitgebers nicht zum sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelt[1], sofern sie nach den Regelungen des Steuerrechts lohnsteuerfrei belassen oder pauschalbesteuert werden. Bei einigen Einnahmen gilt dies jedoch nur, wenn sie zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden.[2]

Dazu zählen z. B. folgende Zuwendungen:

  • Werkzeuggeld
  • Überlassung von Berufskleidung
  • unentgeltliche oder verbilligte Sammelbeförderung zur Arbeitsstätte
  • Mitarbeiterbeteiligung
  • private Nutzung betrieblicher Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräte sowie Zubehör und Software
  • durchlaufende Gelder und Auslagenersatz

Für die Beitragsfreiheit kommt es in diesen Fällen allein auf das sozialversicherungsrechtliche Zusätzlichkeitserfordernis und damit auf einen wirksamen Entgeltverzicht an. Ohne einen solchen Entgeltverzicht kann der Arbeitgeber daher das beitragspflichtige Arbeitsentgelt nicht mindern.

2 Frühere Auffassung der Sozialversicherungsträger

Die Sozialversicherungsträger sind bis zum 31.12.2021 davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts das Zusätzlichkeitserfordernis im Steuerrecht begrenzender auszulegen war als im Beitragsrecht der Sozialversicherung. Im Steuerrecht kann das Zusätzlichkeitserfordernis grundsätzlich nicht durch Entgeltumwandlungen erfüllt werden.[1] Im Beitragsrecht der Sozialversicherung wurde hingegen davon ausgegangen, dass ein Entgeltverzicht bzw. eine Entgeltumwandlung zur Beitragsfreiheit der Arbeitgeberleistung führt, wenn der Verzicht

  • ernsthaft gewollt und nicht nur vorübergehend war sowie
  • auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet und arbeitsrechtlich zulässig war.
[1]

S. Lohnsteuer, Abschn. 2.

3 BSG Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit

Ein Urteil des Bundessozialgerichts steht der früheren Auffassung der Sozialversicherungsträger entgegen. Danach begründet allein bereits ein arbeitsrechtlich wirksamer Verzicht auf Arbeitsentgelt die Zusätzlichkeit der daraus resultierenden Arbeitgeberleistung.[1] Arbeitgeberleistungen werden nicht zusätzlich gewährt, wenn sie einen teilweisen Ersatz für den vorherigen Entgeltverzicht bilden. Davon ist auszugehen, wenn

  • sie kausal mit der Beschäftigung verknüpft sind, indem sie fester Bestandteil der Entgeltvereinbarung und somit des aus der Beschäftigung resultierenden Entgeltanspruchs werden.
  • die Vor- und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und ergänztes Leistungsspektrum auf der anderen Seite im Zusammenhang stehen und eine einheitliche Vereinbarung bilden, die insgesamt im Rahmen des gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist.
  • aus objektiver Sicht der Vertragsparteien die neue Vergütung nur dann vollständig erfasst ist, wenn sämtliche Entgeltbestandteile zusammengenommen betrachtet werden.

Dies gilt insbesondere dann, wenn

  • ein unwiderruflicher Anspruch auf die den Entgeltverzicht kompensierenden "neuen" Leistungen besteht,
  • die "neuen" Leistungen als Bestandteil der Bruttovergütung für künftige Entgeltansprüche – wie z. B. Entgelterhöhungen, Prämienzahlungen, Urlaubsgeld, Ergebnisbeteiligung oder Abfindungsansprüche berücksichtigt werden und
  • die "neuen" Leistungen in der monatlichen Entgeltabrechnung als gesonderte Entgeltbestandteile im Zusammenhang mit der regelmäßig ausgewiesenen Summe des vertraglichen Entgeltverzichts ausgewiesen werden.

Diese Kriterien entsprechen im Wesentlichen den gesetzlichen Kriterien des steuerlichen Zusätzlichkeitserfordernisses.[2]

Angesichts der inhaltlich weitgehend deckungsgleichen Merkmale für die Erfüllung des Zusätzlichkeitserfordernisses im Steuerrecht einerseits und im Beitragsrecht andererseits sind nach Ansicht der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung grundsätzlich die Kriterien des steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernisses nach § 8 Abs. 4 EStG in Ansatz zu bringen. Die steuerrechtlichen Regelungen sind also auch dann zu prüfen, wenn allein das Beitragsrecht der Sozialversicherung – nicht aber das Steuerrecht – für bestimmte Tatbestände ein Zusätzlichkeitserfordernis verlangt.

Im Zweifelsfall hat aber das eigenständig auszulegende Beitragsrecht Vorrang. Die steuerrechtliche Beurteilung ist für das Beitragsrecht nicht maßgebend oder im vorhinein entscheidend. Insofern kann es im Einzelfall auch unabhängig von der steuerrechtlichen Beurteilung (z. B. aufgrund einer fragwürdigen oder offensichtlich fehlerhaften Anrufungsauskunft) an der Zusätzlichkeit der aus einem Entgeltverzicht hervorgehenden "neuen" Leistungen des Arbeitgebers fehlen, wenn diese einen Ersatz für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, ergänzende Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung darstellen.

 
Wichtig

Zusätzlichkeit in der Sozialversicherung

Für das beitragsrechtliche Zusätzlichkeitserfordernis gelten grundsätzlich die Kriterien des steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernisses. Bei Entgeltumwandlungen durch einen vorherigen Entgeltverzichts und der ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge