Rz. 3

§ 15 Abs. 1 Satz 1 begründet keine gesetzlich zwingende und sanktionierte Pflicht der Arbeitnehmerin zur Offenbarung der Schwangerschaft, sondern lediglich eine entsprechende Obliegenheit. Die Formulierung als Sollvorschrift zeigt, dass es der Frau nur nachdrücklich empfohlen wird, im eigenen Interesse dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zu offenbaren, sobald sie selbst darum weiß.[1] Das Gesetz respektiert insofern das Interesse der Schwangeren, frei über die Mitteilung ihrer Schwangerschaft zu entscheiden. Es rät jedoch zur frühzeitigen Information, damit der Arbeitsplatz entsprechend gestaltet werden kann bzw. Beschäftigungsverbote berücksichtigt werden können.

 

Rz. 4

§ 15 Abs. 1 berücksichtigt allein die Interessen der schwangeren Frau und des Kindes, nicht aber die des Arbeitgebers. Allerdings trifft die Norm keine abschließende Regelung. Vielmehr entsteht im Laufe der Schwangerschaft die arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) der Schwangeren, den Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren. Voraussetzung ist, dass schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers an der Information das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 Abs. 1 GG) geschützte Interesse der Frau, ihre privaten Angelegenheiten nicht offenzulegen, überwiegen. Wann dies der Fall ist, hängt von der Bedeutung der Tätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin für das Unternehmen und von der Phase der Schwangerschaft ab: Je schwieriger eventuelle oder gewisse Ausfallzeiten überbrückt werden können und je näher der Entbindungstermin rückt, umso eher ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihre Schwangerschaft zu offenbaren. Umgekehrt kann eine Arbeitnehmerin auf einem Arbeitsplatz, der zeitweise unbesetzt bleiben kann oder für den eine Ersatzkraft leicht zu finden ist, die Information länger zurückhalten. Die Mitteilungspflicht entsteht damit in jedem Arbeitsverhältnis im Laufe der Schwangerschaft; der genaue Zeitpunkt hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab.[2] Während die Arbeitnehmerin damit im Grundsatz zuwarten darf, bis sie Rechte aus dem MuSchG (z. B. ein Beschäftigungsverbot) in Anspruch nehmen möchte, kann die Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) eine frühere Information gebieten, wenn vorrangige Interessen des Arbeitgebers vorliegen.

 

Rz. 5

 
Praxis-Tipp

Zeitpunkt der Mitteilung

Wenn bereits absehbar ist, dass die schwangere Frau im letzten Schwangerschaftsdrittel – in dem erfahrungsgemäß häufig ein Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen wird – eine wichtige Aufgabe übernehmen soll, bei der sie nur schwer vertreten werden kann, dürfte sie spätestens zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über die Schwangerschaft zu informieren. Damit dürfte dieser i. d. R. ausreichend Gelegenheit haben, eine etwaige Vertretung zu organisieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten kommt, dürfte eine frühere Offenbarungsverpflichtung hingegen regelmäßig ausscheiden.

Je einfacher die Arbeitsleistung der konkreten Arbeitnehmerin vertretbar ist, desto später entsteht die zwingende Mitteilungspflicht. In diesen Fällen mag i. d. R. zu Beginn des letzten Schwangerschaftsdrittels eine Mitteilung geboten sein.

 

Rz. 6

Die vertragliche Vereinbarung einer zeitlich früheren Offenbarungsverpflichtung läuft regelmäßig ins Leere.[3] Eine solche Vereinbarung unterliegt zum einen der Prüfung für Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 310 Abs. 3 BGB). Die Mitteilungsverpflichtung unterliegt dann der Inhaltskontrolle dahingehend, ob sie die Arbeitnehmerin unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung, die zur Unwirksamkeit der Regelung führt, liegt vor, wenn die Mitteilungspflicht über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers hinausgeht und der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Arbeitnehmerin nicht gerechtfertigt ist. Zum anderen sind auch datenschutzrechtliche Einschränkungen nach § 26 Abs. 3 BDSG zu beachten. Da es der Gesetzgeber der Schwangeren gerade nicht verpflichtend auferlegt, den Arbeitgeber zu informieren, sondern lediglich eine "Sollvorschrift" geschaffen hat, wäre eine solche Verpflichtung unter diesem Gesichtspunkt problematisch. Die Schwangere handelt damit auch bei Vereinbarung einer entsprechenden Offenbarungspflicht regelmäßig nicht pflichtwidrig, wenn sie keine Mitteilung über die Schwangerschaft macht. Im Vergleich zur arbeitsvertraglichen Nebenpflicht wird eine ausdrückliche vertragliche Regelung den Zeitpunkt, zu dem die Mitteilungsverpflichtung entsteht, demnach nicht vorverlegen können.

 

Rz. 7

Soweit die Schwangere nicht zur Offenbarung der Schwangerschaft verpflichtet werden kann, muss sie auch auf eine konkrete Frage des Arbeitgebers nicht wahrheitsgemäß antworten.

 

Rz. 8

Da die Arbeitnehmerin nicht nur ihre eigenen Interessen zu wahren hat, sondern auch auf die betrieblichen Interessen Rücksicht nehmen muss (§ 241 Abs. 2 BGB), kann sie sich nicht generell darauf berufen, sie hab...

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