Rz. 15

Auch nach der Entbindung besteht ein generelles Beschäftigungsverbot, das in besonderen Fällen eine längere gesetzliche Frist vorsieht. Dieser nachgeburtliche Mutterschutz beginnt mit der Entbindung. Mit der Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib ist die Entbindung vollendet. In der deutschen Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes wird von einer Lebendgeburt gesprochen, wenn bei einem Neugeborenen nach der Trennung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat. Mit diesen 3 Merkmalen wird die Lebendgeburt erreicht.

 

Rz. 16

Bei den sog. Normalgeburten greift anschließend die reguläre Schutzfrist von 8 Wochen. Diese Frist ist als generelles Beschäftigungsverbot ohne Beachtung individueller oder persönlicher Umstände für alle Mütter gleich. Eine Verlängerung oder Verkürzung kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (ausgenommen die Verlängerung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 bei einem früheren Geburtstermin). Sofern aber ein individuelles Bedürfnis nach Erweiterung der Schutzfrist vorliegt, kommt ein individuelles, einschränkendes Beschäftigungsverbot nach ärztlicher Anordnung in Betracht. Diese gesetzlichen 8 Wochen gelten daher ohne Ansehen der individuellen, gesundheitlichen oder persönlichen Lage und sind nicht abdingbar.

In besonderen, gesetzlich definierten Fällen verlängert sich jedoch die nachgeburtliche Frist für ein Beschäftigungsverbot auf 12 Wochen. Hierzu zählen

§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX lautet: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist". Der Gesetzgeber wollte damit der besonderen psychischen und körperlichen Belastung der Mutter Rechnung tragen, die in diesen Fällen typischerweise mit der Geburt verbunden sind.[1]

Treffen mehrere Verlängerungsgründe zusammen, wird etwa bei einer Mehrlingsgeburt bei einem der Kinder eine Behinderung festgestellt, verlängert sich die Schutzfrist nur einmal und nicht pro Verlängerungsgrund auf 12 Wochen.[2]

 

Rz. 17

Von einer Frühgeburt spricht man bei der Geburt eines Säuglings – oft "Frühchen" genannt – vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche. Eine übliche Schwangerschaft dauert 40 Wochen (280 Tage). Bei frühgeborenen Kindern dauert sie weniger als 260 Tage; gerechnet vom ersten Tag der letzten Menstruation. Eine Frühgeburt wiegt in der Regel weniger als 2.500 Gramm. Gleiches gilt, wenn trotz höheren Geburtsgewichtes die Reifezeichen (Nägel, Haare, Geschlechtsorgane) noch nicht voll ausgeprägt sind oder wenn die frühzeitige Beendigung der Schwangerschaft eine erweiterte Pflege und medizinische Betreuung erfahren muss.[3] Durch die besonderen Umstände einer Frühgeburt (erhöhte Sterberate, höhere Betreuungsintensität und intensivmedizinische Versorgung) ist die Verlängerung der Schutzfrist die Berücksichtigung dieses besonderen Umstandes. Wenn keines der 3 genannten Merkmale des Lebens (Herz hat geschlagen oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung hat eingesetzt) aufgetreten ist, jedoch das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt, gilt es als Totgeburt (i. S. v. § 3 Abs. 4). Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt in ihrer Definition gar noch ein 4. Lebensmerkmal: Die willkürliche Bewegung von Muskeln. Demnach wird von einer Lebendgeburt gesprochen, wenn (mindestens) eines der 4 Merkmale erkennbar ist. Auch eine solche Totgeburt ist als Entbindung anzusehen.

 

Rz. 18

Bei einer Fehlgeburt liegt die Abstoßung einer Leibesfrucht vor, die keine Lebensmerkmale aufweist und deren Gewicht weniger als 500 Gramm aufweist. Die Fehlgeburt wird – anders als Frühgeburt oder Totgeburt – nicht in die Personenstandsregister eingetragen; ein Eintrag in das Familienstammbuch ist jedoch möglich. Fehlgeburten werden nach §§ 27 ff. SGB V als Krankheitsfolgen behandelt. Die hierbei festgestellte notwendig werdende Erholungsphase kann nach dem § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz als krankheitsbedingte Fehlzeit eingestuft werden.

 

Rz. 19

Dies gilt auch im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs, wenn sich das Kind schon bis zu einem Stadium entwickelt hatte, in dem es zu einem selbstständigen Leben – wenn auch nur kurz – grundsätzlich fähig war. Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine Entbindung, es liegt ferner keine Mutterschaft vor. Der Schwangerschaftsabbruch zielt auf die Beendigung der Schwangerschaft und Verhinderung der Mutterschaft, unterliegt daher nicht dem Schutz des MuSchG. Hier kann jedoch ggf. eine Arbeitsfreistellung durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfo...

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