Rz. 59

Werden durch den Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen nach § 12 festgestellt und ergibt die Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG, dass die Sicherheit oder Gesundheit der Frau gefährdet ist und dass diese Gefährdungslage Auswirkungen auf das Stillen haben können, dann muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen eine Gefährdung auszuschließen.

Dies kann eine

  • Änderung der Bedingungen am konkreten Arbeitsplatz (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG)
  • der Arbeitsumgebung/des Arbeitsplatzes oder
  • der Arbeitszeiten

sein, um zu verhindern, dass eine Gefährdungslage eintritt. Es geht also nicht um die Verringerung einer möglichen Gefahr, sondern um deren Ausschluss. Zu den Arbeitsbedingungen zählen die Umgestaltungsmöglichkeiten nach dem Stand der Technik, der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse oder hygienischer Möglichkeiten (z. B. Schutzkleidung). Durch bauliche oder organisatorische Veränderungen kann eine Gefährdungslage verhindert werden.

 

Rz. 60

Der Arbeitgeber hat zunächst eine Auswahl sachgerechter Präventionsmaßnahmen vorzunehmen, um die Lösung einer bestimmten Gefährdungssituation zu gewährleisten. Dies kann mit Kosten für spezifische Schutzausrüstungen, mit organisatorischen Eingriffen in die Arbeitszeitregelung oder anderen Änderungen im Betriebsablauf verbunden sein. Diese Aufwände und Änderungen müssen jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Daher kommt mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG ein Arbeitsplatzwechsel in Betracht, um Gefährdungen für die zu schützende Person auszuschließen. Der Arbeitgeber muss jedoch den Aufwand nachweisen und den Arbeitsplatzwechsel erst nach Abwägung der zur Verfügung stehenden Reaktionsmöglichkeiten vornehmen. Es ist nicht möglich, ohne die Prüfung von Maßnahmen zur Gefährdungsvermeidung sofort eine Versetzung vorzunehmen. Die Stillende hat Anspruch darauf, dass zunächst der Verbleib auf dem originären Arbeitsplatz und der Arbeitsumgebung durch eine Gefährdungsbeurteilung analysiert und geeignete Maßnahmen erwogen werden. Etwaigen Anordnungen des Arbeitgebers zum Tragen von spezifischen Schutzkleidungen oder anderen organisatorischen Maßnahmen muss die Stillende nachkommen.[1]

 

Rz. 61

Erst als letztes Mittel, wenn die vorgenannten Maßnahmen zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Zuweisung eines anderen zumutbaren Arbeitsplatzes nicht die Gefährdungslage beseitigen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergibt, kann ein betriebliches Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG in Betracht gezogen werden. Es ist auszusprechen, wenn dies zum Schutz der Frau, ihrer Sicherheit und Gesundheit erforderlich ist. Dieses gilt solange, wie es zum Erreichen des Schutzzweckes notwendig ist. In der Praxis wird in diesen Fällen ein Beschäftigungsverbot in Betracht kommen.

 

Rz. 62

Für die Gefährdungsbetrachtung und der Abschätzung der Folgen für die Frau reicht die Möglichkeit einer Gefährdung. Der Arbeitgeber hat daher bei seiner Gefährdungsbeurteilung nicht nur die systemkonformen Arbeitsschritte zu erfassen und zu beurteilen, sondern er muss auch systemwidrige Konstellationen etwa durch Fehlfunktionen, Fehlverhalten oder Versagen technischer Einrichtungen betrachten und dabei alle in Betracht kommenden Möglichkeiten erwägen. Eine "was wäre wenn"-Betrachtung kann dabei zum Entdecken möglicher indirekter Risiken führen. Es geht dabei nicht um die Verhinderung einer Produktion oder der Anwendung von Verfahren, sondern um das Erkennen von möglichen Gefährdungen und deren Reduzierung.

[1] Ergibt sich aus der Unterstützungs- und Mitwirkungspflicht nach § 15 DGUV Regel 100-001 "Grundsätze der Prävention".

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